Nichts zu sehen von Berlusconi

Von Thomas Migge · 05.02.2013
Der Dokumentarfilm "Girlfriend in a Coma" ist eine deftige Abrechnung mit Italiens Ex-Regierungschef Silvio Berlusconi. Der Film sollte im römischen Museum Maxxi gezeigt werden - doch nun hat dessen Leiterin die Aufführung wegen der bevorstehenden Wahl abgesagt.
Der Journalist Bill Emmott spricht vom rund 20-jährigen Untergang Italiens unter Silvio Berlusconi. Er nennt dessen Regierungszeit ein Drama, einen Horror. Er spricht von Korruption und Drogenmafia, von Medienmanipulation, gekauften Wählerstimmen und wirtschaftlichem Debakel und kommt zu dem Fazit, dass alles das zu viel ist für eine Demokratie.

Dann folgen Bilder von prügelnden Abgeordneten im Parlament, von Polizisten, die auf junge Demonstranten schießen, von Berlusconi, der die Opposition als kinderfressende Kommunisten verteufelt, von halbnackten Tänzerinnen in einer der Fernsehshows des Medienzaren. Das alles untermalt mit fetziger Rockmusik.

Die Dokumentation "Girlfriend in a Coma" hat es in sich. Italien unter Berlusconi kommt darin ganz schlecht weg. Dem Film von Regisseurin Annalisa Piras liegt das Buch "Bad Italy, good Italy" von Bill Emmott zugrunde. Als Chefredakteur des britischen Wirtschaftsmagazins "Economist" war er einer der schärfsten Kritiker Berlusconis.

Annalisa Piras' Film sollte am 13. Februar vor geladenen Gästen im Auditorium des römischen Maxxi gezeigt werden, des Museums für die Kunst des 21. Jahrhunderts. Doch am Wochenende entschied die Linkspolitikerin und Präsidentin des Maxxi, Giovanna Melandri, dass so kurz vor den mit Spannung erwarteten Parlamentswahlen am 24. Februar in einem mit Steuergeldern finanzierten Museum kein Film gezeigt werden dürfe, der eine der Volksparteien in den Schmutz ziehe. Ein öffentliches Museum, so Melandri, müsse immer politisch neutral bleiben. Diese Argumentation provozierte einen Sturm der Entrüstung. "Zensur!", schimpft der Schriftsteller Fulvio Abbate:

"Die Präsidentin des Museums hat hier ganz klar Zensur ausgeübt, denn wenn ein von Steuergeldern bezahltes Museum in Wahlkampfzeiten keine politisch motivierten Filme zeigen darf, dann sollten während dieser Zeit auch politisch motivierte Kunstwerke aus den Museen entfernt werden. Melandris Entscheidung ist unglaublich!"

Ähnlich denken auch die Protagonisten des Dokumentarfilms, unter ihnen der Schriftsteller Umberto Eco, der Regisseur Nanni Moretti, der Anti-Mafia-Reporter Roberto Saviano oder der investigative Journalist Marco Travaglio und viele andere italienische Künstler, Intellektuelle und Journalisten. Bill Emmott findet es skandalös, dass auch nach Berlusconis Regierungszeit immer noch der Geist der Zensur in Italien dominiere:

"Wir alle dachten doch, dass in der Nach-Berlusconi-Ära endlich ein Wandel vollzogen wird. Und dann übt eine Linke Zensur aus! Die scheinen alle Angst vor der Rückkehr Berlusconis zu haben. Ich finde, dass der Blick eines Ausländers auf Italien einen erfrischenden Effekt haben kann."

Ebenso wie das Buch Emmotts zeigt auch der Film von Annalisa Piras zwei Seiten der italienischen Medaille. Bill Emmott:

"In einer Zeitung Berlusconis werde ich als Anti-Italiener bezeichnet. Das stimmt nicht. Ich stelle den bösen Italienern, Berlusconi und seinen Anhängern, die guten Italiener gegenüber. Das ist sicherlich eine vereinfachende Sicht der Dinge, erklärt aber am besten die Fronten im Land. Ohne Berlusconi kann es in Italien nur besser werden."

Und deshalb gibt sich Emmott auch nicht geschlagen. Er forderte das britische Außenamt in London dazu auf, gegen die Zensur Stellung zu beziehen. Noch schweigen die britischen Diplomaten - vielleicht auch deshalb, weil Berlusconis Rückkehr an die Schaltstellen der Macht nicht ausgeschlossen ist und man deshalb bei dem möglichen neuen italienischen Regierungschef nicht schon jetzt anecken will.