Nicht ohne mein Handy

Wie Afrikas Jugend Musik konsumiert

Immer was auf die Ohren: Junge Leute haben sich für einen Tanzabend aufgehübscht.
Immer was auf die Ohren: Junge Leute haben sich für einen Tanzabend aufgehübscht. © MARCO LONGARI / AFP
Von Joachim Augner · 13.01.2016
Afrikas Jugend hört Musik am liebsten übers Smartphone. Empfang hat man fast überall. In vielen afrikanischen Ländern wurde das Zeitalter der CD komplett übersprungen. Joachim Augner hat sich unter Jugendlichen in Nairobi umgehört.
David ist Wachmann. Er öffnet das Eingangstor zu einem Grundstück in einem der besseren Wohnviertel Nairobis. Er achtet darauf, dass nur der aufs Grundstück kommt, der auch aufs Grundstück darf. David ist 25 Jahre alt. Für seinen Job bekommt er im Monat umgerechnet 100 Euro. Sein Smartphone hat 50 Euro gekostet. Damit hört er auch seine Musik.
"Ich liebe Bongo Music, sie kommt ursprünglich aus Tansania."
Bongo-Musik ist angesagt in Ostafrika. Gesungen oder gerappt wird auf Swahili, die Texte sind oft kritisch, beklagen die Missstände, stehen aber auch für eine eigene Identität, Bongo Music mit englischen Texten gibt es nicht.
Sie wird im Radio hoch- und runtergespielt, und ist auf den Speicherkarten der meisten Smartphones zu finden.
Handyempfang hat man fast überall in Afrika, in der kenianischen Hauptstadt Nairobi sowieso. Auch bei David zuhause, in einer der Wellblechhütten, wir nennen es Slum. David gibt umgerechnet fünf Euro im Monat für sein Internetpaket aus. Die Musik bezahlt er nicht, er besorgt sie sich.
"Ich habe eine Memory-Card, wo ein paar gute Lieder drauf sind, die ich aus dem Internet runtergeladen habe. Es gibt einen Schwarzmarkt, weil manchmal ist es zu teuer für uns, die Musik zu kaufen. Wenn du Freunde hast, mit Smartphone, und wenn die Bluetooth haben, dann kannst du die fragen, und die schicken dir, was du willst per Bluetooth."

Für David kostet die Musik so gut wie nichts

Oder es werden CDs rumgereicht, irgendeiner hat einen alten Laptop. So kommt die Musik auf Davids Smartphone. Die Musik kostet so gut wie nichts für David.
Wie kommt es dann, dass Musikproduzent Tedd Josiah davon leben kann? Und er kann gut leben. Tedd lebt weiter außerhalb in einem noblen Einfamilienhaus mit Garten und Wachmännern. Dort hat er auch sein Studio, er arbeitet an seinem neusten Produkt. Mswazzi Masuti heißt der Sänger, "Mahabuba"das Lied. Das heißt auf Swahili "Meine Liebe”.
"Wir versuchen etwas von dem verlorengegangenen Glanz zurückzubringen, den Kenia Ende der 70er hatte, als kenianische Musik in Europa kopiert und nachgemacht wurde, in Swahili. Das ist das, was ich gerade mache."
Musik auf Swahili, also die Musik die Wachmann David auch gerne hört, aber nicht bezahlt. Musikproduzent Tedd weiß das und versucht sich darauf einzustellen:
"Wir arbeiten mit einer kenianischen Firma zusammen, die aktuell Downloads für einen Cent anbietet. Das ist nicht zu teuer, und wir versuchen so die Musik zu pushen. Wir wissen, dass die armen Leute es anders nicht bezahlen können, und wenn, dann da die Musik runterladen."
Ein Cent pro Lied, sein Geld verdient Tedd auf anderem Weg.
"Unser Einkommen als Plattenfirma machen wir mit Merchandising, mit Wasserflasche, T-Shirts. Viele Leute wollen die Musik umsonst, dafür kaufen sie Merchandising, dadurch zeigen sie, dass sie kenianische Musik mögen. Wenn ich das T-Shirt trage, unterstütze ich das."
Die Plattenfirma verdient mit Merchandising-Produkten
Diese Merchandisingprodukte sind dann auch für die untere Mittelklasse erschwinglich.
Ich bin in einem Wohnzimmer eines kleinen Hauses im Osten Nairobis. Im Fernseher laufen Musikclips im Wechsel mit lustigen Tiervideos. Es gibt immer mehr Familien, die es sich leisten können, ihre Kinder zur Uni zu schicken. Mir gegenüber sitzen die Studentinnen Valerie und Alwina. Valerie hat ihr Smartphone von ihrem Vater geschenkt bekommen, er bezahlt auch die laufenden Kosten. Für die 21-Jährige ist das Handy auch als Musikspeicher unverzichtbar.
"Ich liebe langsame Musik, ich bin ein R'n'B-Fan, meistens, ich höre auch andere Sachen, ich kann Reggae hören, HipHop, Popmusik aber meistens R’n’B."
Valerie nutzt Streamingdienste, schaut sich Videos auf Youtube an und lädt sich ihre Lieblingslieder runter.
"Ich kann sagen, dass ich dafür zahle, weil ich habe mein Internetpaket, und dafür bezahle ich meine Rechnung, also zahle ich für die Musik."
Das ist legal, aber auch ein bisschen egal, wenn das Guthaben verbraucht ist, wird auch mal illegal heruntergeladen, sagt Freundin Alwina:
"Wenn du eine Seite findest, die billiger ist, und da kannst du deine Lieblingsmusik runterladen, und du hast nicht die Ausgaben, die du sonst für eine teures Internetpaket hast, dann nutzt du dieses Angebot, du musst auch wirtschaftlich denken."
Die Jugend besorgt sich die Musik - ohne Geld
Die Jugend hat wenig Skrupel, sich auf dem Schwarzmarkt zu bedienen. Und das hat auch der Musikproduzent Tedd Josiah erkannt. An der Musik verdienen er und seine Musiker am wenigsten, er sieht es idealistisch.
"Music is a labour of love, yeah.”
Dafür geht es ihm aber dabei ganz gut. Er lebt nicht in einem der Slums der Großstadt wie David, der Wachmann, der sich wohl auch den neusten Hit von Tedd nicht kaufen, sondern irgendwo besorgen wird. Er braucht die Musik, genauso wie sein Smartphone, und am liebsten beides zusammen.
"Manchmal, wenn du nach Hause gehst, musst du runter kommen."
Sagt er und schließt das Tor und macht sich auf den Weg nachhause, in seine Hütte aus Wellblech, mit Bongo-Musik im Ohr.
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