Nicht nur für Jüdinnen

Von Alice Lanzke · 12.02.2010
Das Online-Frauenmagazin Aviva informiert über Unternehmensgeschichten, jüdische Debattierabende und feministische Netzwerke gleichermaßen - Themen, die Avia-Gründerin Sharon Adler auch privat interessieren.
Sharon Adler: "Also Aviva entstand aus dem Bedürfnis heraus, ein Frauenmagazin herauszubringen, was ich auch selber gerne lesen möchte, was auch meine Freundinnen hier in der Stadt, da ja Aviva Berlin eben auf Berlin ausgerichtet ist, vermisst haben, eben ein Magazin, was viele Themen zusammenbringt, die wir und ich in den gängigen Medien vermisst haben."

Sharon Adlers Frauenmagazin Aviva hat eine eher ungewöhnliche Schwerpunktsetzung. Das zeigt sich schon in den Rubriken der prall gefüllten Internetseite: Da findet man etwa "Women and Work", "Public Affairs", "Kultur" und "Jüdisches Leben".

Mit dem Magazin hat sich Adler einen Traum erfüllt – und ist auch ein unkalkulierbares Risiko eingegangen. Denn als die ausgebildete Fotografin Aviva vor zehn Jahren startete, war noch nicht abzusehen, ob es ein Erfolg werden würde. Abhalten konnte sie das nicht:

Sharon Adler: "Das war ganz einfach ein Bedürfnis, so wie man einen Traum hat, den man sich gerne erfüllen möchte. Also in meinem Fall war es kein Café oder Kino oder Hotel, sondern eben ein Magazin, in dem ich auch die Möglichkeit habe, einfach meine Stimme zu erheben, ohne missionarisch klingen zu wollen. Aber einfach Themen zu publizieren, die mir am Herzen liegen."

Und zu diesen Themen, die Sharon Adler interessieren, gehört auch das jüdische Leben. Sie selbst ist Jüdin, würde sich aber nicht als religiös bezeichnen. Für sie steht die jüdische Kultur im Mittelpunkt, sie ist ihre Basis. So erstaunt es nicht, dass sie ihrem Magazin einen hebräischen Namen gab: Aviva ...

Sharon Adler: "... hat für mich einen sehr positiven Klang und klingt unheimlich optimistisch und vor allen Dingen liebe ich es, dass es ein Palindrom ist, das heißt, dass man es von vorne nach hinten lesen kann, in jede Richtung drehen und wenden, so wie man auch Aviva letztendlich in jede Richtung lesen kann und immer wieder etwas Neues findet."

Und so trifft man Sharon Adler auf vielen Veranstaltungen des jüdischen Lebens in Berlin, die Kamera immer im Anschlag. Dennoch will sie Aviva nicht als ein jüdisches Frauenmagazin verstanden wissen, wie sie betont:

Sharon Adler: "Das würde uns zu sehr reglementieren, wenn wir jetzt nur noch jüdische Inhalte publizieren würden. Denn alle Jüdinnen oder Juden, die jetzt hier in dieser Stadt oder auch in Deutschland oder im deutschsprachigen Raum leben, die bewegen sich ja auch nicht nur in jüdischen Inhalten oder Zusammenhängen tagtäglich oder das ganze Jahr hindurch.

Also das wäre doch etwas scheuklappen-artig zu sagen, wir machen ein jüdisches Frauenmagazin, was natürlich vielleicht möglicherweise ein nächstes Projekt sein könnte. Und dann könnte man sagen, ok, in dieses Magazin - Aviva 2 - da kommen halt eben nur jüdische Inhalte."

Mit ihrer Zielstrebigkeit und ihrem Enthusiasmus könnte man sich bei Sharon Adler tatsächlich vorstellen, dass sie irgend wann in der Zukunft ein "Aviva 2" startet – und das, obwohl sie auch Zielscheibe antisemitischer Anfeindungen wurde. Das schlimmste Erlebnis: Ein Unbekannter steckte ihr einen Umschlag mit Maden in den Briefkasten. Noch heute erinnert sie sich mit Ekel im Gesicht daran.

Doch auch Hassmails sind keine Seltenheit, vor allem als sie im Januar 2009 eine Pro-Israel-Kundgebung in Berlin organisierte. Damals hatte sie Angst, besonders um ihre 14-jährige Tochter. Aber von Vorfällen wie diesen will sie sich nicht beeinflussen lassen:

Sharon Adler: "Ich finde auf der einen Seite, das Bewusstsein ist eben ganz wichtig, aber auf der anderen Seite möchte ich mich jetzt auch nicht einschließen oder meinen Mund verschließen oder nicht mehr das schreiben können oder machen können, was ich möchte. Denn es ist doch ganz wichtig, dass man irgend wo halt auch Mut beweist und den sich auch bewahrt."

Mutig ist Sharon Adler in jedem Fall – und erfolgreich: Ihr Online-Magazin Aviva überlebte die Krise der New Economy, während um sie herum andere Internetunternehmen eingingen. Mittlerweile verzeichnet die Seite täglich über 50.000 Abrufe, 30 freie Mitarbeiterinnen liefern Inhalte zu. Aviva ist Sharon Adlers Herzensprojekt, einen Feierabend gibt es bei ihr nicht. Kein Wunder also, dass sich die Redaktionsräume in ihrer Wohnung befinden. Freimütig bekennt sie, dass sie ein "Workaholic" sei. Doch wie schafft man das Pensum, das Sharon Adler jeden Tag absolviert?

Sharon Adler: "Wie man das schafft? Das schafft man wirklich nur mit sehr viel Liebe und Ausdauer. Indem man vielleicht auch einfach diese Aviva gar nicht so sehr trennt von dem anderen Leben. Wenn man sich also so etwas vorstellt wie ein Privatleben ... Bei mir, ich kann jetzt im Moment nur von mir selber sprechen, aber da ist es einfach so, dass ich denke, dass es fließende Übergänge gibt.

Das heißt, ich gehe zu einer Veranstaltung, die mich persönlich interessiert und ich splitte mich da jetzt nicht auf in "Hier ist die Aviva-Sharon Adler" und das andere ist dann die Privat-Sharon Adler oder die Fotografin Sharon Adler. Das geht ineinander über und das kann man wirklich nur durchhalten auch, wenn man an eine Sache sehr glaubt."