Nicht nur Aspekte des Klimawandels

03.03.2008
"Cool it!" von Björn Lomborg ist ein Überblick über die Übertreibungen im Klimadiskurs und über die sonstigen Probleme der Welt, die im Schatten der großen Klimarettung kaum mehr wahrgenommen werden. Es geht deshalb also auch um Hunger, Armut und Krankheiten.
Der vom Menschen verursachte globale Klimawandel ist eine wissenschaftlich anerkannte Tatsache, und Bjørn Lomborg zweifelt nicht an ihr. Er glaubt allerdings, seine Folgen würden "maßlos übertrieben" und das Kyoto-Protokoll führe in die Irre. Es seien einfachere, klügere und wirkungsvollere Lösungen gefragt. Außerdem, so heißt es in seinem Buch "Cool it!", gebe es mit Hunger, Armut und Krankheiten drängendere Probleme. "Wir müssen uns wieder darauf besinnen", präsentiert sich der dänische Journalist als besonnener Mahner, "dass unser eigentliches Ziel nicht die Verringerung von Treibhausgasen oder der globalen Erwärmung, sondern die Verbesserung der Lebensqualität und der Umweltbedingungen ist."

Lomborg unterscheidet also zwischen Menschen, die bloß an Äußerlichem wie den Treibhausgasen herumdoktern, und anderen, die "eigentliche Ziele" verfolgen. Wenn aber Treibhausgase auf der einen Seite und die "Verbesserung der Lebensqualität und der Umweltbedingungen" auf der anderen Seite stehen, treten Natur und Mensch in Opposition zueinander: Der Mensch steht wie eh und je im Zentrum, er macht sich die Natur untertan. Lomborgs Position hat eine ehrwürdige, bis heute gültige Tradition – und das Problem, dass eben sie zur globalen Erwärmung geführt hat.

Der Däne etabliert die Konkurrenz der Ziele – Verringerung von Treibhausgasen oder Verbesserung der Lebensqualität? –, um die Kosten-Nutzen-Analyse einführen zu können. Lohnt denn, so fragt er, die Reduktion von Kohlendioxid (der Nutzen) den finanziellen Aufwand (die Kosten)? Das Kyoto-Protokoll koste ab 2008 jährlich 180 Milliarden Dollar, immerhin 0,5 Prozent des weltweiten Bruttoinlandsprodukts. Dennoch würde die Temperatur bis 2050 nur um etwa 0,07 Grad zurückgehen, ihr Anstieg würde um weniger als 3 Jahren verzögert. Außerdem gäbe es 6 Prozent oder 15.000 weniger Todesfälle durch Atemwegserkrankungen. Zwar würden Todesfälle durch Hitze zunehmen, doch noch mehr Menschen würden nicht mehr durch Kälte sterben, so dass die Bilanz der Erwärmung in dieser Hinsicht positiv ausfalle – Kyoto sei daher "ein schlechtes Geschäft". Lomborg setzt auf Innovation: Er empfiehlt, 0,05 Prozent des Bruttolandsprodukts jedes Staates in die Forschung zu erneuerbaren Energien zu investieren.

Auch andere Aspekte des Klimawandels erscheinen ihm durchaus vielversprechend. Schmelzende Gletscher gäben 100 Jahre lang mehr Süßwasser, so dass Zeit bleibe, in die Wasserinfrastruktur für die Zeit danach zu investieren. Der steigende Meerespiegel werde nur wenig Land überfluten, wenn verstärkt in den Küstenschutz investiert wird. Günstiger als das Kyoto-Protokoll sei es daher, allen Ländern die Gelegenheit zu bieten, reicher zu werden, so dass sie die Investitionen bezahlen könnten. Die Zunahme von verheerenden Hurrikanen sei unbewiesen. Wenn sich der Golfstrom – wie vom Weltklimarat in einem Szenario befürchtet – um 50 Prozent vermindere, erwärme sich Nordeuropa eben nicht so stark. Malaria verbreite sich eher aus sozialen als klimatischen Faktoren. Hungerepidemien müsse niemand befürchten, denn Kohlendioxid wirke wie Dünger auf Pflanzen, und statt Wassermangel gebe es in einer wärmeren Welt stärkere Niederschläge, die allerdings gespeichert werden müssten.

Abgesehen von den Ausführungen zu Hurrikanen und Malaria handelt es sich um eine Mischung aus falschen, verdrehten und bruchstückhaften Informationen. Jeder der oft voneinander abhängigen Prozesse wird strikt für sich betrachtet. Auch Volksverdummung ist dabei, wenn Lomborg behauptet, durch ein Ende der Jagd könnten mehr Eisbären als durch die Verringerung der globalen Erwärmung gerettet werden.

Die Kosten-Nutzen-Analyse, die Lomborg als objektiv beschreibt, vergleicht Äpfel und Birnen durch das Medium Geld. Entscheidend ist, wie hoch die Kosten für Äpfel und Birnen, vor allem aber für immaterielle Güter wie Artenvielfalt oder Mobilität veranschlagt werden. Lomborg verschweigt seine Kriterien, und wo er mit Zahlen operiert, wählt er die ihm passende: Modellrechnungen für den Kyoto-Prozess kämen "auf Kosten von nur 5 bis 10 Milliarden Dollar – oder eben auf fast 180 Milliarden Dollar." Im Folgenden ist von 180 Milliarden Dollar die Rede. Welchen Schaden richtet eine Tonne Kohlendioxid an? 23 Dollar? 14 Dollar? Im Gespräch erfährt Lomborg vom Wissenschaftler Richard Tol, es seien 2 Dollar, und von den 103 Schätzwerten der Literatur ist fortan nicht mehr die Rede. Hinzukommen Fehler wie veraltete Angaben oder ein nicht existierendes Szenario in dem Bericht des Weltklimarats von 2007. Lomborg produziert in "Cool it!", was er seinen Gegnern vorwirft: viel heiße Luft.

Rezensiert von Jörg Plath

Bjørn Lomborg: Cool it! Warum wir trotz Klimawandels einen kühlen Kopf bewahren sollten.
Aus dem Englischen von Werner Soller. Deutsche Verlags-Anstalt. München 2008. 272 Seiten, 16,95 Euro