Newcomerin Kim Petras

"Ich wollte immer nur Songwriterin sein"

Popstar Kim Petras schaut lässig über ihre Sonnenbrille
Popstar Kim Petras in den USA. Früher hat sie drei, vier Songs pro Tag geschrieben. © imago/Diego Corredor/Media Punch
Von Kerstin Poppendieck · 01.08.2018
Wer von der ganz großen Popkarriere träumt, riskiert belächelt zu werden. Kim Petras war das egal: Nachdem es in Deutschland nicht klappte, ging sie nach Los Angeles. Nun wird die 25-Jährige als deutsche Antwort auf Lady Gaga gehandelt.
Kim Petras bei ihrem ersten Konzert in Deutschland. Das Publikum ist überschaubar, aber dafür sind es alles Fans, die jeden einzelnen Song mitsingen können. Die Musikerin hat Spaß. In schwarzem Glitzer-Outfit springt sie über die Bühne, nach fast jedem Lied sucht sie den Kontakt zum Publikum. Vor allem sind es viele junge Männer, die knutschen und Händchen halten – Petras hat eine große schwule Fanbase.

Seit sechs Jahren lebt die Kölnerin jetzt in Los Angeles. Sie war 19, als sie in die USA zog. Sie träumte von der großen Popkarriere und fasste einen Plan. Darin spielte unter anderem Fergie Duhamel von den Black Eyed Peas eine Rolle, wie Petras sagt: "Ich wollte für andere Leute schreiben und dann, soweit ich damit Aufmerksamkeit bekomme oder eine Plattform dadurch bekomme, meine eigene Sache machen."

Fergie Duhamel von den Black Eyed Peas

Duhamel habe ihren Song aufgenommen, der dann eigentlich als Single rauskommen sollte, aber nie rauskam. "Aber ich habe dadurch einen Vertrag bekommen und ganz viele Leute in der Musikindustrie wurden auf einmal aufmerksam auf mich."
Petras berichtet weiter: "Vorher war es immer so: Ja, die und die Person hat meinen Song aufgenommen, aber keine Ahnung, ob es jemals rauskommt. Und eigentlich nur so voll viele Enttäuschungen. Also die ersten zwei Jahre in L. A. ist nichts passiert. Ich hab auf einer Studiocouch gewohnt, jeden Tag drei, vier Songs geschrieben und es ist halt nix passiert. Und dann zwei Jahre rein und es ist was passiert."
Man wurde auf Kim Petras aufmerksam, Fans klickten ihre Videos im Internet millionenfach an und Leute aus dem Musikbusiness wollten mit ihr zusammen arbeiten: Produzenten, aber auch Musikerkollegen wie Paris Hilton oder Charli XCX. Beide passen ganz prima zum bunten Kaugummi-Pop, den Kim Petras macht mit Videos voller Pink und Glitzer.

Umzug in die USA

Dafür musste sie in die USA ziehen, sagt die 25-Jährige, denn in Deutschland wäre das nicht passiert.
"Mir wurde voll oft gesagt, die Musik, die Du machst, ist zu Pop und zu amerikanisch. Aber ich war immer schon besessen von Gwen Stefani und Britney Spears und Madonna und ich wollte so 'ne Musik machen. Ich bin zu Labels gegangen und ich habe nie Verträge bekommen. Und, ich glaube, so ein bisschen haben mich die Leute auch nicht ernst genommen, weil ich halt das Mädchen war von den Dokumentationen im Fernsehen und transsexuell war und keine Ahnung. Also musikalisch wurde ich nicht ernst genommen. Und im Fernsehen wollten die Leute nicht darüber reden und das verheimlichen, dass ich Musik mache, weil meine Story im Vordergrund steht."

Geboren wurde Kim Petras als Tim Petras. Schon früh wusste sie, dass sie transgender ist. Mit 16 war Tim der damals weltweit jüngste Mensch, der eine komplette Geschlechtsumwandlung hat vornehmen lassen. Aus Tim wurde Kim. Mit ihrer Musik hat das aber nichts zu tun, sagt sie und es nervt Kim Petras, wenn Menschen sie darüber definieren. Was es für die Musikerin umso schwerer macht, zu entscheiden, wem im Musikbusiness sie vertraut.
"Seitdem ich 16 war hab' ich Manager und bin an ganz viele Leute gekommen, die voll die falschen Sachen im Sinn hatten – gerade auch mit transsexuell sein – und das ausnutzen wollten. Und ich wollte immer nur Songwriterin sein und für meine Musik bekannt sein, obwohl ich auch gerne über Transsexualität rede und da auch stolz darauf bin und das nicht verstecke oder so."

Knallharte Geschäftsfrau und Girlie

Kim Petras ist eine faszinierende wie gegensätzliche Mischung aus knallharter Geschäftsfrau, die zielstrebig ihr Ziel verfolgt und fast naiv wirkendem Girlie, das ihren Prinzessinnen-Traum in ihren Videos auslebt. Ihre Kleidung ist genau wie ihr Make-up knallig bunt, ihre Lieder sind am Computer perfekt produziert und immer tanzbar. In ihren Texten geht es vor allem ums Verliebtsein und Selbstzweifel. Keine tiefgehenden, poetischen Texte, eher Einblicke in das Gefühlsleben einer Frau Anfang, Mitte zwanzig. Fehlt nur noch das Debütalbum.
"Ich hab ein Album komplett fertig. Aber ja, es ist alles Timing quasi. Die Aufmerksamkeitsspanne von Leuten ist ganz, ganz kurz. Ich glaube man kann das auch nicht mehr so machen, dass man quasi ein Album macht und dann zwei Jahre Pause macht; sondern ich glaub, man muss wirklich konstant Sachen droppen, neue Songs droppen und das ein bisschen machen wie Rap Künstler, wie Urban Music. Und wir hatten ganz viele Konversationen darüber, wie wir das Album rausbringen wollen. Wir machen das auf jeden Fall: Monat für Monat kommt eine neue Single raus, bis das Album komplett ist."
(leicht bearbeitete Onlineversion, mf)
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