Neuropsychologin Angela Friederici

Schreien deutsche Babys anders als französische?

Angela Friederici, Neuropsychologin und Direktorin der Abteilung Neuropsychologie am Max-Planck-Institut
Hirnforscherin Angela Friederici zu Gast im Studio von Deutschlandradio Kultur © Deutschlandradio - Matthias Dreier
Moderation: Susanne Führer · 22.11.2016
Sie ist eine der wenigen Frauen in der Hirnforschung: Angela Friederici leitet die Abteilung Neuropsychologie am Max-Planck-Institut in Leipzig. Sie kann uns unter anderem erklären, wie die Grammatik den Weg in unsere Gehirne findet.
Wie lernt unser Gehirn Sprachen? Ticken Männer- und Frauengehirne unterschiedlich? Schreien deutsche Babys anders als französische? Mit diesen Fragen beschäftigt sich Angela Friederici. Die Direktorin der Abteilung Neuropsychologie am Max-Planck-Institut für Kognitions- und Neurowissenschaften in Leipzig gehört zu den bekanntesten Hirnforschern Deutschlands – und sie ist eine der wenigen Frauen auf dem Gebiet.

Neuropsychologin mit Bilderbuchkarriere

Die gebürtige Kölnerin hat eine Bilderbuchkarriere hingelegt: Mit 24 Jahren Promotion in Germanistik, schon zuvor hatte sie ein Studium der Psychologie aufgenommen, das sie mit 28 Jahren mit dem Diplom abschloss; mit 34 Jahren erfolgte die Habilitation, 1998 die erste Professur. Forschungsprojekte führten sie in die USA, nach Frankreich und in die Niederlande.
Seit vielen Jahren beschäftigt sie sich mit dem Erlernen von Sprache, was sich besonders gut an Kleinkindern erforschen lässt:
"Wenn wir uns als Erwachsene gegenseitig zuhören, dann haben wir meistens keine Probleme damit, obwohl es eine hochkomplexe Sache ist, jemand zu verstehen oder auch Sprache zu sprechen. Wir müssen nämlich ganz verschiedene Aspekte aneinander verbinden. Wir müssen wissen, was wir sagen wollen inhaltlich. Wir müssen wissen, wie wir es sagen wollen also grammatisch richtig und dann müssen wir auch noch die Laute richtig aussprechen. Das alles passiert in Millisekunden und ist hoch miteinander vernetzt und verwoben. Und bei den Kleinkindern, die ja erst Sprache erwerbe, können wir uns diese einzelnen Aspekte sehr viel besser detailliert und auseinandergezogen anschauen."
Auf diese Weise hat man an ihrem Institut auch heraus gefunden, dass sich unterschiedliche Nationalsprachen schon bei Babys bemerkbar machen. Ihr Schreien klingt je nachdem, in welcher Sprache die Mutter kommuniziert, unterschiedlich.

Diagnose Legasthenie vor Schulbeginn

Erstaunliche Ergebnisse kommen auch zum Thema Legasthenie aus dem Institut Friedericis. Noch bevor Kinder in die Schule kommen, lässt sich anhand ihrer Hirnstruktur erkennen, ob sie Schwierigkeiten mit dem Lesen und Schreiben haben werden.
"Wenn wir uns die Gehirne angucken bei Kindern im Alter von fünf Jahren, haben wir die Möglichkeit, mit einer relativ hohen Sicherheit von inzwischen über 90 Prozent die Voraussage zu machen, dass es nachher zu einer Legasthenie kommen kann."
Aufgrund einer frühen Diagnose könne man die Kinder schon vor ihrem Eintritt in die Schule fördern und ihnen damit den Schulbeginn erleichtern.
Über Faszination der Hirnforschung, ungelöste Rätsel, und die Frage, was im Gehirn passiert, wenn wir dichten, hat Susanne Führer mit Angela Friederici gesprochen.
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