Neues Programm

Hinter den Kulissen von "Studio 9"

Holger Hettinger ist Redakteur beim Deutschlandradio Kultur
Holger Hettinger ist Redakteur beim Deutschlandradio Kultur © Deutschlandradio - Philipp Eins
Von Holger Hettinger · 02.07.2014
Neue Sendungen, neue Strukturen: Die ersten Tage nach dem Start von "Studio 9" fühlen sich an wie die erste Fahrstunde, in der man über jeden Handgriff nachdenken muss, schreibt unser Redakteur Holger Hettinger. Doch das Programm nimmt Fahrt auf - und das hört man.
Fantastischer Tag heute! Neben mir steht der mittlerweile dritte Becher Kaffee, der zu Ungenießbarkeits-Temperaturen abgekühlt ist, der Uhrzeiger rückt auf 12 Uhr vor, und ich habe heute eigentlich pausenlos Fehler gemacht.
Zu meiner Entlastung muss ich sagen: Es ist auch ganz furchtbar einfach, Fehler zu machen. Routinen haben sich noch nicht herausgebildet, jeder Handgriff will mehrfach überlegt sein, und den Satz "Wer ist eigentlich zuständig für..." möchte ich mir am liebsten auf ein Schild drucken lassen, so oft gebrauche ich ihn. Es fühlt sich alles ein wenig an wie bei der ersten Fahrstunde, in der man über jeden Handgriff nachdenken muss: Bremse, Blinker, Kupplung kommen lassen, Schulterblick – und die Schweißperlen auf der Stirn ignorieren.
Viel Aufwand für mitunter wenig Sendezeit
Nun ist die Aufgabe relativ einfach: Ich soll einen Überblick über die langfristige Planung entwickeln, Themen aufspüren, Gesprächspartner suchen - das ist journalistisches Tagesgeschäft. Neu sind jedoch die Strukturen, in denen diese Planung stattfindet, neu sind die Planungsinstrumentarien – und natürlich auch die Sendungen. Dieser Überblick will hart erarbeitet sein, doch dank der leidenschaftlichen, engagierten Art der Kolleginnen und Kollegen ist diese Arbeit gewinnbringend und erhellend. Wir feilschen um Themen und Zugänge, gleichen ab, formulieren Erwartungen und Wünsche, skizzieren Gesprächsverläufe. Viel Aufwand für mitunter wenig Sendezeit, aber das ist es wert.
Politik und Kultur sollen programmlich an einem Strang ziehen im "Studio 9" – das ist extrem reizvoll, doch gerade am Anfang eine herausfordernde Erfahrung. Interessant soll die Sendung sein für die Hörerinnen und Hörer, verlässlich, präzise und – Lieblingsvokabel derzeit – "gesprächswertig". Einem Thema dieses "Haste gehört"-Moment abzuringen, ist die größte Herausforderung derzeit. In dieser Hinsicht ist Radiomachen das "Einfache, das schwer zu machen ist", da hatte der olle Brecht schon völlig richtig gelegen seinerzeit. Ich bewundere unsere Moderatorinnen und Moderatoren, die diese Aufgabe mit Verve und Leichtigkeit lösen, und die geradezu lustvoll einen neuen Tonfall ausprobieren – das ist einmal mehr Bestätigung und Aufforderung, hier noch passgenauer zuzuliefern.
Was beflügelt, ist das Resultat
Und in den besten Momenten kann man beobachten, wie das Dickschiff "Studio 9" Fahrt aufnimmt, wie vieles von dem, was in langen Arbeitsgruppen-Sitzungen ersonnen und simuliert wurde, auch in der Praxis funktioniert: Die offene Themendiskussion über Ressortgrenzen hinweg. Der originelle Twist, der ein abstraktes Thema greifbar und nahbar macht. Aber auch die undogmatische, sachliche Feststellung, dass wir an der einen oder anderen Stelle noch nachjustieren müssen. Auch die Brücke zu den Kollegen von der Online-Redaktion wächst täglich: Es ist eindrucksvoll zu sehen, wie sehr man auch andere "Darreichungsformen" mitdenkt, wenn die Kollegen gerade mal fünf Meter Luftlinie entfernt sitzen. Da muss man den Nachteil verschmerzen, dass man nun direkt und persönlich auf einen noch ausstehenden Text angesprochen wird – vorher konnte man ganz prima Mails ignorieren, das funktioniert nun nicht mehr.
Was beflügelt, ist das Resultat – ich kann mich nicht erinnern, dass es mir jemals so viel Spaß gemacht hat, Deutschlandradio Kultur zu hören. Diese Energie sorgt dafür, dass wir mit der gebotenen Gelassenheit auch weiterhin hart arbeiten. Und darauf hoffen, dass sich die Routinen schon bald herausbilden, die mühsam überlegten Handgriffe rasch habituell werden. Denn Programm macht sich ohne Schweißperlen auf der Stirn gleich viel angenehmer.

Holger Hettinger ist Redakteur in der Abteilung Aktuelle Kultur. "Studio 9" hören Sie werktags um 05:07 Uhr, 12:07 Uhr und 17:07 Uhr. Am Samstag läuft "Studio 9" um 06:07 Uhr.

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