Neues Kulturzentrum auf dem Taksim-Platz

Erdogan überrascht seine Kritiker

Das Atatürk-Kulturzentrum im November 2017 auf dem Taksim-Platz in Istanbul. Ein Gebäude auf einem weiitläufigen Platz mit Passanten davor.
Das alte Atatürk-Kulturzentrum stand bis Februar 2018 auf dem Taksim-Platz in Istanbul. Nun ist der Grundstein für einen Neubau gelegt worden. © imago stock&people
Susanne Güsten im Gespräch mit Eckhard Roelcke · 10.02.2019
Vor knapp einem Jahr wurde das Atatürk-Kulturzentrum in Istanbul abgerissen. Es war ein Symbol der regierungskritischen Gezi-Proteste von 2013. Heute wurde dort der Grundstein für einen Neubau gelegt.
Das ehemalige Atatürk-Kulturzentrum war ein Symbol für die Öffnung der Türkei zur westlichen Kultur. Erdogan-Kritiker hatten seit dem Abriss befürchtet, dass das traditionsreiche alte Kulturhaus nicht durch ein neues Zentrum ersetzt wird. Nun wird es aber gebaut - und soll schon Anfang 2020 fertig werden. Es soll Theater- und Kinosäle und eine Bücherei beheimaten - und auch als Opernhaus dienen.

"Angestammter Ort der westlichen Hochkultur in der Türkei"

Dass die Oper als Inbegriff der westlich-bürgerlichen Hochkultur im Zentrum Istanbuls einen Platz bekommt, sei folgerichtig, sagt unsere Türkei-Korrespondentin Susanne Güsten:
"Das Herz von Istanbul ist der angestammte Ort der westlichen Hochkultur in der Türkei. Die türkische Republik ist von Atatürk mit dem Anspruch gegründet worden, dass die Türkei ein westlicher Staat werden soll. Die Türkei hat seit der Republikgründung großen Wert darauf gelegt, an der westlichen Kultur teilzuhaben. Deswegen wurde das alte Kulturzentrum auch mitten in Istanbul errichtet."

Drei neue Gebäude auf dem Taksim-Platz

Das neue Kulturzentrum ist eines von drei neu geplanten Gebäuden auf dem Taksim-Platz. "Das ist sehr symbolisch", sagte Güsten. "Das neue Kulturzentrum soll architektonisch ein bisschen erinnern an das alte, das vor knapp einem Jahr abgerissen wurde. Dieser Teil des Platzes soll also die Zugehörigkeit der Türkei zur westlichen Zivilisation zeigen. Gegenüber entsteht eine neue Moschee, und die soll die Rückbesinnung auf den Islam symbolisieren."
Als Drittes wolle Erdogan auf dem Taksim-Platz eine osmanische Kaserne wieder aufbauen, um die Kontinuität vom osmanischen Reich zur heutigen Türkei darzustellen. Die Gezi-Proteste hatten sich 2013 an den Plänen für eben diese Kaserne entzündet.

Präsident Erdogan tritt nach

"Erdogan hat seine Kritiker mit dem neuen Atatürk-Kulturzentrum überrascht", berichtete Güsten. "Das wird ein Gebäude der Weltklasse, ein wunderschönes, architektonisch exquisites Gebäude. Hier wäre nun die Gelegenheit gewesen, zu sagen: 'Wir machen mal etwas zusammen.' Stattdessen hat Erdogan heute furchtbar nachgetreten und sehr beklagt, dass ihm das die ganze Zeit nicht zugetraut worden ist und dass die Kritiker gesagt haben, er werde das neue Kulturzentrum nie bauen", so unsere Korrespondentin.
Dem alten Kulturzentrum trauert Güsten nicht nach: "Das mag architekturgeschichtlich wichtig gewesen sein. Aber es war ziemlich furchtbar für Konzertbesucher. Es hatte innen den Charme eines alten sowjetischen Hotels, es roch nach Katzenurin und war sehr heruntergekommen. Es war mehr ein Symbol als eine Kulturstätte."
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