Neues aus der Kinowelt

Hoffnung auf die Zeit nach der Pandemie

05:38 Minuten
Filmregisseur Christopher Nolan hält eine Videobotschaft während der Eröffnungszeremonie des 33. Tokyo International Film Festival im Tokyo International Forum am 31. Oktober 2020 in Tokyo, Japan.
Regisseur Christopher Nolan liebt das Kino, deshalb ist er nicht erfreut, dass Warner seine Filme direkt streamen will. © Getty Images / Christopher Jue
Von Christian Berndt · 12.12.2020
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Die Kinos stehen vor einem radikalen Wandel. Die Branche bereitet sich darauf vor: Warner Bros. will seine Filme nächstes Jahr zugleich online und im Kino herausbringen. Auch hierzulande wird über die digitale Zukunft diskutiert.
Regisseur Christopher Nolan liebt das Kino. Die Entscheidung von Warner, 2021 alle Filme zeitgleich ins Kino und auf ihrem Streamingdienst HBO Max herauszubringen, hat ihn wütend gemacht. Denn Filme würden für die große Leinwand als Zugpferd für die Streamingdienste missbraucht.

Keine Hilfe für Verleihe

Dagegen hat Regisseur Steven Soderbergh, dessen neuer Film bei HBO Max anläuft, die Entscheidung begrüßt: Filme, die im Kino floppen, könnten so eine zweite Chance bekommen. Auch Björn Hoffmann vom Pandora-Filmverleih findet es richtig, die Zeitfenster für Video-on-Demand-Auswertungen zu verkürzen:
"Ich sehe da auch eine Chance", sagt Hoffmann, "sowohl für die Kinos als auch die Verleiher und ganz besonders fürs Publikum, wenn einfach diese starren Fristen nicht mehr da sind und ein Film tatsächlich früher für alle verfügbar ist. Es ist gerade im Arthouse-Bereich so, die Filme, die wir rausbringen, da ist klar, dass da auch viele Städte und Dörfer dabei sind, wo dieser Film einfach gar nicht zu sehen ist. Es ist natürlich schön fürs Publikum, so einen Film auch früher zu sehen."
Für die Verleiher gehe es allerdings hierzulande im Moment um die Existenz. Auch weil sie bei den staatlichen Hilfen für November und Dezember, die Betrieben 70 beziehungsweise 75 Prozent des gleichen Vorjahreszeitraumes gewähren, leer ausgehen:
"Da müssten wir 80 Prozent tatsächlich mit den von der Schließung betroffenen Kinos erwirtschaften, und diese 80 Prozent kann meines Wissens nach kaum irgendein Verleih in Deutschland darstellen", so Hoffmann.
Deshalb werden mit der Kulturstaatsministerin Monika Grütters Gespräche über einen Investitionsfonds geführt. Hoffmann hofft auch auf eine Lösung für ausländische Filme. Die machten einen großen Teil der Publikumserfolge im Arthouse-Kino aus, seien aber bisher von keinerlei Staathilfen abgedeckt.
"Weil von den wichtigsten Förderungen, BKM und FFA, nur deutsche Filme bzw. deutsche Koproduktionen gefördert werden", erläutert Hoffmann. "Wenn das ein originär nicht-deutscher Film ist, steht man da – bis auf vielleicht begrenzte Unterstützung von den wichtigen Regionalförderern – in den meisten Fällen alleine im Risiko. Das ist natürlich in dieser aktuellen Situation ein Risiko, das viele Verleiher nicht eingehen."

Debatte auf Kongress über Zukunft

Das heißt, Filme werden weiter verschoben. Das große Problem wird dann irgendwann eine Flut von Filmen sein. Nach Corona werde die Kinoauswertung radikal anders laufen, meint Hoffmann:
"Ich glaube tatsächlich, es wird eher eine Renaissance von Kino geben und dass Streaming niemals den Stellenwert von Kino ablaufen wird. Das glaube ich noch viel mehr, als das vielleicht in den letzten Jahren der Fall war, weil man jetzt nach so einer harten Zeit solche Sachen viel mehr zu schätzen weiß."
Streaming war auch das Thema auf dem Online-Bundeskongress der Kommunalen Kinos. Viele in der Branche sehen es als große Chance, neben Kinovorführungen bald ein ambitioniertes Onlineprogramm kuratieren zu können. Andere nicht:
"Die Frage ist: Macht es Sinn für uns als Kinos, wirklich Streaming zu machen und Filme auch auf unseren Webseiten zu zeigen? Da scheiden sich dann die Geister", sagt Borjana Gakovic.
Die kommunalen Kinos, meint die Verbandssprecherin Gakovic, sind ein Sonderfall. Denn ihr Fokus richtet sich nicht auf aktuelle Filme:
"Die Idee von kommunalen Kinos ist, eine Art Bildungskino zu machen. Natürlich ist es ganz zentral, dass unsere Kinos von Anfang an auch großen Fokus auf die Filmgeschichte legen. Das liegt tatsächlich auch in unserer Tradition seit den 60er-Jahren, als die allerersten Häuser sich gegründet haben. Da ist es auch ein Wunsch einer Nachkriegsgeneration gewesen, nicht nur die neuen Filme zu zeigen, sondern auch die vergessene Kunst, die ab 1933 aus den Kinos verschwunden ist."

Forderung nach Förderung

Die meisten kommunalen Kinos zeigen auch analog Filme:
"Es ist ein großer Unterschied in der Wahrnehmung, ob Sie einen Film auf 35-Milimetern gucken oder das Digitalisat davon", sagt Gakovic. "In das Filmmaterial schreiben sich historische Informationen ein, zum Beispiel wäre ohne 16-Millimeter die ganze feministische Filmkunst nicht möglich gewesen."
Anders als der Name vermuten lässt, wird nur ein Drittel der 130 kommunalen Kinos des Verbandes von den Städten infrastrukturell gefördert. Seit Jahrzehnten gibt es Forderungen, kommunale Kinos als Kulturstätten wie Bibliotheken und Theater anzuerkennen. Durch die Coronakrise sind die Kinos ihres Verbandes bisher mit einem blauen Auge davongekommen, meint Gakovic. Und die meisten haben auch das Kinosterben der letzten Jahre überstanden:
"Wir haben tatsächlich eine relativ stabile Mitgliederzahl. Es gibt Änderungen jedes Jahr, zwei, drei sind weg; zwei, drei Neue kommen dazu."
Ein zentrales Thema auf dem Kongress war auch, das Kino als öffentlichen Debattenraum zu erhalten. Was es hier leisten kann, darauf wies der Medienwissenschaftler Jan Distelmeyer hin. In den USA zum Beispiel spielten die Kinos eine nicht zu unterschätzende Rolle für die Emanzipation der Afroamerikaner: Im gemeinsamen Filmerlebnis deuteten Schwarze Filme von Weißen, mit Weißen und für Weiße einfach zu eigenen Geschichten um – das Kino wurde ein Raum der politischen Utopie.
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