Neues Album von Ryuichi Sakamoto

Kammermusik des 21. Jahrhunderts

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Der japanische Musiker Ryuichi Sakamoto © picture alliance / dpa / Masaaki Nakajima
Von Olaf Maikopf · 16.03.2015
Der japanische Musiker Ryuichi Sakamoto konzentriert sich seit Jahren auf Klaviermusik. Entweder Solo oder wie im Fall der Veröffentlichung "Perpetual" im Zusammenspiel mit Musikern, die Computer und anderes Equipment nutzen.
Ryuichi Sakamoto, 63-jähriger Altmeister der japanischen Musikszene, studierte während seines Musikstudiums zwar auch Jazzpiano und spielte in Jazzbands, gilt jedoch nicht unbedingt als ein ausgewiesener Jazzmusiker. Obwohl er in seiner langen Karriere immer auch wieder Aufnahmen machte, bei denen er Jazzstilistiken mit seiner akustischen Piano- oder elektronischen Musik assoziierte.
Seit einigen Jahren konzentriert sich Sakamoto nun in der Hauptsache auf akustische Klaviermusik, entweder als Solokünstler oder wie im Fall der aktuellen Veröffentlichung "Perpetual" auf das Zusammenspiel mit Musikern, die Computer und anderes elektronisches Equipment nutzen.
2013 traf sich Sakamoto im feucht-heißen japanischen Sommer in dem beschaulichen Städtchen Yamaguchi mit dem amerikanisch-japanischen Duo Illuha und dem US-Amerikaner Taylor Deupree, um zum zehnjährigen Jubiläum des Yamaguchi Center for Arts and Media ein Konzert zu geben. Ohne zuvor gemeinsam geprobt zu haben, setzten sich die Vier auf die Bühne und spielten eine bewegende, kontemplative Musik in drei Sätzen von je rund 20 Minuten. Kurz zuvor hatte Sakamoto von seiner Krebserkrankung erfahren.
"Zu dieser Zeit ging es mir hauptsächlich darum, das Innere meines Kopfes, meine Gedanken zu erforschen. Das klingt jetzt vielleicht etwas surreal. Ich hatte damals nichts für die Aufnahmen vorbereitet und so begann ich zu meditieren und auf all das zu achten, was mir durch den Kopf ging. Manchmal spielte ich auch nur so vor mich hin. Alles, was dabei entstand, ob nun die Anteile an Jazz oder elektrischem Pop, kamen sehr spontan."
Sakamoto hatte zwar schon mit Taylor Deupree ein Album aufgenommen, aber als Kooperation mit ihm und dem Duo Illuha ist die CD "Perpetual" ein Debüt. Ihr überwiegend improvisiertes, live in Japan eingespieltes Set für normales und präpariertes Klavier, Gitarre, Harmonium und Synthesizer wurde zu einer höchst ergreifenden, zeitlosen Musik. Die mit "Movement" eins bis drei unterteilten Stücke sind zwischen 13 bis knapp 20 Minuten lang.
"Man kann sagen, es ist eine Art Musik entstanden, die keiner Richtung exakt zuzuordnen ist. Sie klingt ein bisschen nach Asien oder Europa, vielleicht eine Mischung aus beidem."
Von Vogelstimmen zu einer schwebenden Musik
Die luftige Anordnung der Klänge auf "Perpetual" mündet dabei in einer Oberflächenspannung, bei der sich improvisierte akustische und elektronische Klänge bündeln. Das könnte immer so weiter fließen, erhält aber unter dezenter Führung von Sakamoto eine sinnvolle Dramaturgie. Die lädt zu einer musikalischen Entdeckungsreise ein, bei der sich manipulierte Klaviertöne, verfremdete Gitarrenklänge, ätherische Synthesizersounds mit Field Recordings von beispielsweise Vogelstimmen zu einer prickelnd schwebenden Musik vermischt, die sich auch nicht vor Momenten der Stille fürchtet.
"Ich habe schon immer Aufnahmegeräte gehabt, und seit Jahren nehme ich Geräusche auf. Ich bin so eine Art Sammler von Tönen, Musik und Geräuschen, bin ein Sohn von John Cage, der sagte, es gibt keine Grenze zwischen Musik und Geräusch. Manchmal benutze ich diese Aufnahmen sofort, manchmal erst nach vielen Monaten. Die Technik heute macht die Verarbeitung so bequem, man hat viel mehr Kontroll- und Bearbeitungsmöglichkeiten. Aber es ist auch so, dass ich der Computer-Technologie nicht 100 Prozent traue. Ich mag immer noch die analoge Technologie, arbeite gern mit Vinyl. Darum bevorzuge ich für meine Arbeit die bunte Mischung von Analog, Digital und Natürlichem."
In seiner Sound-Ästhetik zeigt "Perpetual" einen gewissen Brückenschlag zur Ambient-Atmosphäre mancher ECM-Aufnahmen von Steve Reich, John Balke oder Nils Petter Molvaer. Aber auch Erinnerungen an die meditative Musik aus Brian Eno's Apollo-Periode sind deutlich. Doch das sind lediglich Verweise, denn letztlich ist "Perpetual" fortschrittliche Kammermusik des 21. Jahrhunderts.
Hat sich Ryuichi Sakamoto früher eigenhändig um die Konstruktion elektronischer Sounds gekümmert, überlässt er dies mittlerweile jüngeren Musikern, wie im Fall von "Perpetual" dem US-Amerikaner Taylor Deupree. Sakamoto selbst vertieft sich allein in das hier allerdings recht unorthodoxe Klavierspiel.
"Das Klavierspielen ist ein sehr wichtiger Teil meines Lebens. Ich spiele ja nicht nur zu speziellen Gelegenheiten Klavier - vielmehr ist das Spielen mein Alltag. Fast mein ganzes Leben schon ist das Klavier eine Art Verlängerung meines eigenen Körpers. Wenn ich Musik komponiere, wenn ich Klavier spiele, dann höre ich auf zu denken. Natürlich denke ich an den Inhalt meiner Kompositionen, an meine Texte, aber ich denke nicht daran, dass ich gerade am Klavier sitze und schreibe. Es kommt mir so vor, als würden meine Finger sich ganz automatisch bewegen und ich hätte keine Kontrolle über das, was sie tun."