Neues Album "DNA" der Backstreet Boys

Belanglose Ohrwürmer

Die Backstreet Boys posieren für ein Foto im August 2018.
Die Backstreet Boys gehen im Mai auf Tour mit ihrem neuen Album "DNA". © dpa
Christoph Möller im Gespräch mit Ute Welty  · 26.01.2019
Auch im neuen Album "DNA" der Backstreet Boys ist der vertraute Kitsch geblieben, sagt Musikkritiker Christoph Möller. Wenn man nicht auf die Texte höre, gebe es zwar ein paar Ohrwürmer, aber musikalisch sei das Album eher belanglos.
Mit "DNA" bringen die Backstreet Boys ihr inzwischen neuntes Album auf den Markt. Sie wurden 1993 in Orlando als Boy Group zusammengeführt. Seither feierten die Musiker Nick Carter, Brian Littrell, A.J. McLean, Howard Dorough und Kevin Richardson große Erfolge in Deutschland und vielen Teilen der Welt. Mit mehr als 130 Millionen verkauften Tonträgern gelten sie inzwischen als erfolgreichste Boygroup der Welt. Unser Musikkritiker Christoph Möller hat sich das neue Album "DNA" angehört. (gem)

Das Interview im Wortlaut:

Ute Welty: Mehr als ein Vierteljahrhundert ist vergangen seit der Gründung der Backstreet Boys, der Kitsch scheint derselbe geblieben zu sein, oder?
Möller: Ja, der Kitsch ist geblieben, und ich hatte beim Hören des neuen Albums auch sofort dieses 90er-Jahre Retro-Gefühl. Das ist nach wie vor glatte Popmusik mit großem emotionalem Kitsch, das haben wir, glaube ich, gerade ganz gut gehört. Einfache Lyrics, Hauptsache niemand wird überfordert. Geschrieben sind die Stücke natürlich nicht von den Backstreet Boys selbst, sondern von jungen Songschreiberinnen und Songschreibern.
Der Sound wirkt daher einigermaßen zeitgemäß, die Themen, ja, da hängen sie so ein bisschen in den 90er-Jahren fest, würde ich sagen. Zwölf Stücke, in denen es fast ausschließlich um plattes, männliches Begehren geht. Und je höher der Gesang der Backstreet Boys, desto größer scheint das schmachtende Verlangen zu sein, unter dem sie leiden, das hört man etwa auch im Stück "Chateau".
Ja, also, eine Frau hat einen Mann verlassen, und er stellt sich dann vor, wie er sie zurückkriegt, indem er mit ihr Chardonnay in einem Schloss trinkt und immer wieder diesen Satz wiederholt, baby, I want you back. Also, das ist schon schlimmer pseudo-romantischer Kitsch.

Interessantes Video

Welty: Wenn sich der Kitsch derart hält, was ist denn dann mit der Karriere?
Möller: Ja, die Karriere, die hatte Hochs und Tiefs. Ich glaube, dass das Comeback jetzt eines ist, wo sie wieder auch auf Stadion-Tournee gehen werden, und das ausverkaufen werden dieses Mal, also große Erwartungen. Und natürlich hat so eine Karriere auch Brüche und die braucht es eigentlich auch bei einem Pop Act dieser Größe, um Glaubwürdigkeit herzustellen.
Jugendliche Fans bei einem Popkonzert der Backstreet Boys am 01.09.1996. Ein Plakat in Herzform wird hochgehalten, auf dem "Nick" steht, der Name eines der Bandmitglieder
Die Fan-Liebe rostet nicht - die Konzerte sollen bereits ausverkauft sein. © imago/teutopress
In Ankündigungen zu "DNA", da gab es zum Beispiel ein Video, da sitzen die Backstreet Boys wie in so einer Therapiesitzung im Halbkreis und reden über den Stress, den diese extreme Öffentlichkeit auch mit sich gebracht hat. Da geht es um Alkoholprobleme, über den überraschen Tod der Schwester eines der Backstreet Boys, die kurz vor einer Tour gestorben ist und deren Beerdigung dann möglichst schnell stattfinden musste, damit die Backstreet Boys eben auf Tour gehen konnten.
Möller: Und das ist eigentlich ein ganz eindrucksvolles Video, weil da mal so Geschichten erzählt werden, die Backstreet Boys wirken einigermaßen reflektiert. Leider hört man dann auf dem Album davon überhaupt nichts mehr. Also, man inszeniert im Vorfeld so ein bisschen Menschlichkeit und legitimiert damit vielleicht die Oberflächlichkeit des Albums, so nach dem Motto, ja, klar haben die viel durchgemacht, aber lasst die Jungs auch mal Jungs sein, auch wenn die Texte dann tendenziell sexistisch sind.

Die Koreaner BTS als erfolgreichste Boygroup

Welty: Wenn sich dieser Blick auf die Texte, die Rezeption, so gewandelt hat, wie zeitgemäß ist dann ein Konzert der Boygroup Backstreet Boys überhaupt noch? Gibt es dieses Konzept noch, trägt das noch?
Möller: Ja, tatsächlich, es gibt immer mal wieder Boygroups, in den 90ern gab es natürlich diese Hochphase. Das Konzept der Boygroups ist eigentlich immer noch gleich, das Besondere war immer, dass sie von Musikmanagern zusammengestellt worden sind, man suchte gutaussehende, athletische Typen. Natürlich haben sich allerdings die Umstände geändert.
Die koreanische Boygrup BTS auf dem roten Teppich
Die koreanische Band BTS ist die jüngere Konkurrenz unter den erfolgreichen Boygroups. © dpa
In den vergangenen Jahren gab es unter anderem eine Gruppe wie BTS, die sind die erfolgreichste Boygroup im Moment, aus Südkorea. Sieben Leute und die mischen so traditionelle koreanische Musik mit Trap und Internetästhetik und einer Mime-Kultur eigentlich. Das ist schon ziemlich spannend, weil sie aus all diesen Trends, die es im Moment gibt, aus Mode, Tanz, Videoästhetik etwas Neues machen. Und im Vergleich zu BTS, da wirken die Backstreet Boys dann ja doch irgendwie ein bisschen altbacken und ziemlich unzeitgemäß.
Welty: Ich ahne, was Sie antworten, ich versuche es dann doch mal mit dieser Frage zum Schluss: Können Sie bei einem Album wie "DNA" irgendeine musikalische Relevanz entdecken?
Möller: Also, das sind schon eingängige Popnummern, und ich bin jetzt mit einigen Ohrwürmern durch die Stadt gelaufen, als ich das Album jetzt mehrmals gehört hatte. Diese Popnummern funktionieren schon, man kann sich richtig gut fühlen beim Hören. Und wer über diese unsäglichen Texte hinweg hören kann, für den oder die ist "DNA" vielleicht kein schlechtes Album. Ich finde es aber sehr bemüht und musikalisch eher belanglos.
Welty: Christoph Möller über das neue Album der Backstreet Boys namens "DNA", Live-Termine gibt es dann auch ab Ende Mai, die Tour startet am 21. Mai in Hannover und endet am 20. Juni in Köln.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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