Neuer Regierungschef Albin Kurti

Generationswechsel im Kosovo

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Das Foto zeigt den neu gewählten Premierminister Kosovos Albin Kurti. Er spricht zu den Mitgliedern des Parlaments nach der parlamentarischen Wahlsitzung in Pristina am 22. März 2021.
Albin Kurti wurde beauftragt, eine Regierung für den Kosovo zu bilden. © picture alliance / Erkin Keci
Von Thomas Franke · 23.03.2021
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Albin Kurti ist zum Premierminister im Kosovo gewählt. Er gilt als Hoffnungsträger der jungen Generation und verspricht Arbeit und Gerechtigkeit. Es liegt nun an ihm, den Generationswechsel, den er seit 20 Jahren fordert, zu vollziehen.
Am 15. Februar dieses Jahres im Kosovo: Albin Kurti, Spitzenkandidat der Partei Vetevendosje, Selbstbestimmung, tritt vor die Öffentlichkeit. Einen Tag zuvor hat seine Partei die Mehrheit der Sitze im Parlament im Kosovo gewonnen: "Die Wahlen sind nicht weniger als ein Referendum zwischen der alten Garde und den neuen Politikern." "Jobs und Justice" waren Kurtis Mantra im Wahlkampf, Arbeit und Gerechtigkeit. Beides haben die bisherigen Regierungen des Kosovo nicht hinbekommen.
Rückblick auf Kosovo vor 20 Jahren: Die damals offiziell noch zu Jugoslawien gehörende Region liegt nach Jahren der gewaltsamen Unterdrückung durch die Zentralmacht und einer kurzen militärischen Intervention der NATO in Trümmern, die Seelen der Menschen auch. Albin Kurti ist im Dezember 2001 frisch aus serbischer Gefangenschaft entlassen worden. Ein Gericht hatte ihn wegen angeblicher Gefährdung der territorialen Integrität Jugoslawiens und Terrorismus zu 15 Jahren Haft verurteilt. Hintergrund war seine Mitgliedschaft in der politischen Führung der paramilitärischen Befreiungsarmee des Kosovo, der UCK.

Stimme der jungen Generation

Kurz nach seiner Freilassung spricht er vor Studierenden, wirbt für Demokratie und Menschenrechte, für Freiheit: "Es sind die jungen Leute, die mehr als alle anderen einen Wechsel wollen. Sie werden noch mehr als ein halbes Jahrhundert hier leben, und sie sind voller Energie. Es ist wie überall: Die Jugend will schnelle und radikale politische und soziale Veränderungen." Die Herzen der jungen Menschen fliegen ihm zu. Bei den internationalen Institutionen dagegen eckt er an.

Nach dem Krieg verwalten die Vereinten Nationen das Kosovo. Mitglieder ihrer Mission, der UNMIK, kungeln mit den Warlords, den Clanchefs und den serbischen Nationalisten. Es gibt Korruptionsvorwürfe auch gegen deutsche Diplomaten. Die dementieren nicht. Kurti verlangt den Abzug der internationalen Verwalter: "UNMIK möchte gern als Erfolgsgeschichte gesehen werden. Dazu müssen die Menschen im Kosovo allerdings still sein." Still sein kann Albin Kurti nicht. Immer wieder trägt er die Konsequenzen seiner Prinzipientreue.

Vor Jahren im Hausarrest

Dezember 2007 in einem Plattenhochhaus in Prishtina: Es ist einfach, den richtigen Eingang zu finden. Er ist dort, wo die Polizeiautos stehen. Albin Kurti sitzt im Hausarrest. Zuvor hat er erneut mehrere Wochen im Gefängnis verbracht. Der Grund: Er und andere hatten an Gebäude der UNMIK die Parole "Keine Verhandlungen – Selbstbestimmung" gesprüht. Gemeint sind Verhandlungen mit den Serben in Belgrad. Die Kosovaren wollen die Unabhängigkeit und Kurti dringt darauf, dass Serbien dabei nichts zu melden hat.
Immerhin darf Kurti seine Wohnung täglich neun Stunden verlassen: "Sie lassen mich raus, damit die Leute mich sehen und sagen können: OK, er ist raus, ihm geht es jetzt gut", sagte er damals.

Generationswechsel vollziehen

Kurtis Popularität unter vor allem jungen Kosovaren steigt kontinuierlich. Zehn Jugendliche kommen die Straße in der Innenstadt von Prishtina herunter, mit Eimern voller Kleister, mit Quasten und Klebeband. Unter dem Arm haben sie aufgerollte Plakate. Sie tragen weiße T-Shirts mit der roten Aufschrift "Vetevendosje", dem Namen der Jugendbewegung, die Albin Kurti mittlerweile gegründet hat. Ohne zu zögern überkleben sie eine Konzertankündigung. "Jo negociata – vetevendosje" – "Keine Verhandlungen, Selbstbestimmung" steht auf den Plakaten. Die Unabhängigkeit des Kosovo steht bevor.
Doch Kurti ist weit davon entfernt, zu glauben, dass damit alles gut wird: "Wir werden Probleme mit unseren vielen korrupten Politikern haben. Sie haben mit der UN-Verwaltung gemeinsame Sache gemacht und konnten so in den letzten acht Jahren zu den reichsten Menschen im Kosovo werden. Mit diesen Leuten können wir keinen unabhängigen Staat aufbauen."
Am 17. Februar 2008 erklärte das Kosovo seine Unabhängigkeit, unterstützt von der Mehrheit der Europäischen Union. Die alten Eliten blieben. Am heutigen Dienstag, einen Tag vor seinem 46. Geburtstag, wird Albin Kurti als Premierminister des Kosovo vereidigt. Jetzt liegt es an ihm, den Generationswechsel, den er seit 20 Jahren fordert, zu vollziehen. Vielleicht hat Kurti mit seinem klaren Kurs bessere Chancen, erfolgreich mit der Regierung Serbiens zu verhandeln, als die alten Eliten. Er muss auch beweisen, dass er im Amt unbestechlich und prinzipientreu ist und dass er Kosovo selbstlos in eine bessere Zukunft führt. Die Herausforderung ist riesig.
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