Neuer Kinofilm "Landraub"

Agrarland als Spekulationsmasse

Ein Demonstrant hält am 04.06.2015 in München (Bayern) bei einer Demonstration gegen den G7-Gipfel ein Schild mit der Aufschrift "Stop land grabs - our land lives" (Stoppt Landraub - unser Land lebt), im Vordergrund eine Fahne in den panafrikanischen Farben grü, gelb, rot. Die Demonstration von G7-Kritikern findet unter dem Titel "TTIP stoppen, Klima retten, Armut bekämpfen" statt. Foto: Boris Roessler/dpa
Ein Demonstrant protestiert gegen Landraub beim G7-Gipfel © picture alliance / dpa / Boris Roessler
Christian Brüser im Gerspräch mit Korbinian Frenzel · 07.10.2015
Land und Boden als Spekulationsmasse: Das ist das Thema des Films "Landraub". Die Idee für diesen Stoff stammt vom Drehbuchautor Christian Brüser. Viele Menschen seien von den Investoren mit Gewalt von ihrem Grund vertrieben worden, sagte er.
Korbinian Frenzel: Die Rechnung ist eigentlich relativ einfach: Immer mehr Menschen, eine Erde, die gleich groß ist. Das führt dazu, dass vieles knapper wird bei Ressourcen wie Öl oder auch Wasser. Aber das gilt schlicht und einfach auch für das Land selbst, also für Böden. Wo etwas knapp wird, steigt der Wert und leider in der Welt, in der wir leben, auch die Spekulation. Welche Blüten sie treibt, angetrieben durch Investmentfonds, durch internationale Konzerne, das macht ein Film zum Thema, der diese Woche in die Kinos kommt, "Landraub", und ich spreche jetzt mit dem Drehbuchautor und Ideengeber für diesen Film, Christian Brüser. Guten Morgen!
Christian Brüser: Schönen guten Morgen!
Frenzel: Sie haben einen Spruch von Mark Twain zum Leitspruch Ihres Films gemacht: "Kaufen Sie Land, es wird keines mehr gemacht." Kaufen wäre ja möglicherweise noch okay, aber Sie sprechen ja von Landraub. Wer nimmt denn da das Land von wem?
Brüser: Was eben passiert ist in den letzten Jahren, ist, dass einfach Finanzinvestoren entdeckt haben, wie Sie gerade gesagt haben, dass Agrarland immer knapper wird und dass es eine lohnende Anlagemöglichkeit ist. Und in den letzten zehn Jahren haben so internationale Investmentfonds, Privatunternehmen, reiche Einzelpersonen auf der ganzen Welt sich umgeschaut, wo gibt es die besten und auch gut bewässerten Landstriche – die größten gibt es in Afrika und Asien – , und haben dann zum Teil wirklich mit brutaler Gewalt die Menschen davon vertrieben und sich das Land angeeignet.
Frenzel: Was sind die Folgen?
Brüser: Die Folgen sind zweierlei: Zum einen führt es dazu, dass tatsächlich Menschen in die Armut gestürzt wurden, die vorher noch gut von ihrem Land leben konnten. Gutes Beispiel in unserem Film ist Kambodscha. Zum anderen führt es aber auch dazu, dass das Land nicht mal besser genutzt wird, sondern da wird dann in der Regel großindustrielle Landwirtschaft betrieben auf riesigen Farmen, wie man sich das hier gar nicht vorstellen kann. Da gibt es Projekte, die sind 300.000 Hektar, das heißt, da fährt man stundenlang ein Feld entlang. Und das führt dazu, dass oft die Böden nach einigen Jahren dann zerstört sind, weil die einfach nicht der Landschaft und dem Boden entsprechend bewirtschaftet werden.
Frenzel: Sie haben Kambodscha als ein Land, als ein Beispiel genannt. Ist es denn ein Phänomen der, ich sage jetzt mal, Dritten Welt?
"60 Prozent der Gelder stammen aus Europa"
Brüser: Es ist ein Phänomen der Dritten Welt insofern, dass dort die größten Ländereien zur Verfügung stehen. Aber es ist überhaupt nicht ein Phänomen der Dritten Welt, wenn man schaut, wer sind denn eigentlich die Investoren. Wir haben da ziemlich ausführlich recherchiert und haben festgestellt, dass fast 60 Prozent der Gelder, die hinter diesen Investitionen stehen, aus Europa stammen.
Frenzel: Ich habe jetzt in letzter Zeit gerade das Stichwort Brandenburg in diesem Zusammenhang gehört und war etwas verwundert, weil ich dachte, Landraub oder zumindest solche Großinvestitionen auch hierzulande, das kann eigentlich gar nicht sein. Aber kommt das auch so nahe zu uns?
Brüser: Das kommt auch sehr nahe zu uns. Was dort eben genauso ist, dass einfach auch Finanzinvestoren praktisch die Bauern verdrängen. Es entscheiden nicht mehr Bauern, was auf dem Land passiert, was da angebaut wird, sondern es entscheiden einfach Fonds, die schauen, wofür kann man am meisten Geld bekommen. Das ist in Brandenburg, also in den neuen Bundesländern der Fall. Da geht es natürlich mit legalen Verträgen. Wir haben in unserem Film auch Rumänien gezeigt, da ist es auch legal, ist auch Teil der Europäischen Union. Was da passiert, ist, dass einfach strukturell eine Riesenungleichheit ist. So kommen quasi Investoren aus Westeuropa in der Regel, aus Holland, aus Deutschland, aus Österreich, und kaufen sich mit ihrem Kapital Riesenflächen, zum Beispiel 20.000 Hektar. Und ein kleiner rumänischer Bauer, der zwei Hektar hat und expandieren möchte und eigentlich davon leben möchte, von seiner Landwirtschaft, kommt nicht mehr an Land.
Frenzel: Sie haben ja auch, wenn ich das jetzt mal so in Anführungszeichen sagen darf, mit den Tätern gesprochen, also mit denen, die kaufen. Was sagen die denn? Man könnte sich ja überlegen, die sagen, hey, wir antworten auf die Erfordernisse, auf das, was vom Markt nachgefragt wird. War das die Linie?
"Die Menschen haben nicht mehr zu essen"
Brüser: Zum Teil war das tatsächlich die Linie. Sie sagen, wir brauchen diese Investitionen, um die Menschheit zu ernähren, um quasi in 20, 30 Jahren auch noch genügend Nahrungsmittel zu produzieren. Wir konnten aber, glaube ich, ganz gut deutlich machen, dass das nicht stimmt, dass die Menschen in den Ländern nicht mehr zu Essen haben, oft sogar im Gegenteil. Es werden die Nahrungsmittel erzeugt für den Markt, an dem am meisten zu erzielen ist. Wir haben zum Beispiel in Äthiopien gefilmt. Da wird wunderbares Gemüse angebaut, man glaubt gar nicht, dass das in Äthiopien möglich ist. Die Arbeiterinnen und die Menschen dort haben aber keine Ahnung, wie das Gemüse schmeckt, die können auch nicht davon probieren. Die wissen nicht, wie Broccoli schmeckt, wie Tomaten schmecken und so weiter. Und das Gemüse landet dann in den Hotels, in den Spitzenhotels des Nahen Ostens, wo einfach das zahlungskräftigste Publikum ist.
Frenzel: Für mich stellt sich bei diesem Thema ja immer eine Frage als Verbraucher: Was kann ich denn tun? Kann ich da überhaupt etwas tun, um selbst Einfluss zu nehmen, dass nicht gutzuheißen, was da passiert?
Brüser: Ich habe zwei Möglichkeiten. A kann ich quasi bei meinem eigenen Konsum schauen, dass ich biologische, regionale Landwirtschaft unterstütze, Food-Koops und so weiter, damit kann ich am meisten umgehen quasi diese Großstrukturen, die sich auch in der Nahrungsmittelindustrie breitmachen, zum Beispiel in Form von Palmöl. Und natürlich bin ich auch ein politischer Bürger. Ich kann einfach auch dafür schauen, dass zum Beispiel die Politik der Europäischen Union insofern geändert wird, dass sie nicht noch diesen Landraub sogar unterstützt und Anreize dafür gibt. Das ist nämlich tatsächlich der Fall.
Frenzel: Sagt Christian Brüser, Autor und Ideengeber des Dokumentarfilms "Landraub". Regisseur ist Kurt Langbein, und ab morgen wird er im Kino zu sehen sein. Herr Brüser, ich danke Ihnen für Ihre Zeit!
Brüser: Gerne!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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