Neue Wohnformen

"Tiny house"-Trend in Brandenburg

Sylvia Dreyer steht am Fenster ihres mobilen Hauses und schaut hinaus.
Ein kleines Heim in der Natur: Auf einem Campingplatz in Brandenburg hat sich Sylvia Dreyer ihren Traum erfüllt. © dpa/Patrick Pleul
Von Vanja Budde · 22.12.2017
"Tiny Houses" bieten mit um die 20 Quadratmetern wenig Wohnraum, dafür aber die große Freiheit: Sie sind transportabel und kosten nicht die Welt. Für den Traum von den eigenen vier Wänden im Grünen sind immer mehr Menschen dazu bereit, sich radikal einzuschränken - unter anderem auf Campingplätzen in Brandenburg.
Nur der Wind rauscht in den Bäumen auf einem Campingplatz am Ufer eines kleinen Sees im Norden von Berlin, unweit der Stadtgrenze. Auf einer der Parzellen steht ein "Tiny House" aus hellem Holz, mit abgeschrägtem Dach und kleinen Fenstern. Campingplatzbesitzerin Martina Schneider führt ins Innere des Häuschens auf Rädern.
Drinnen wirkt das nur 17 Quadratmeter große Häuschen überraschen geräumig: Dank einer Schlafgalerie mit viel Stauraum unter der Treppe.
"Das ist also alles sehr schön hier, mit Birke-Sperrholz und alles Naturmaterialien, auch innen mit Naturmaterialien gedämmt und Fenster aus Holz gebaut, sehr schöne Küche, sehr schöner Kühlschrank und große Dusche. Man kriegt hier in dem ‚Tiny‘ schon eine Menge unter. Und hier oben ist die Schlafecke, also wirklich auch für zwei geeignet, ein großes Bett und mit allen drei Seiten den Blick nach draußen ins Grüne."

"Für mich ist das die Befreiung meines Lebens"

Das "Tiny House" hat eine Gasheizung, ein Solarmodul auf dem Dach für die Stromerzeugung und ist an ihre Wasserleitung angeschlossen, erklärt Martina Schneider, die Campingplatz-Besitzerin. Seit Jahren träumt sie von einer Gemeinschaft der Lebenskünstler hier draußen am See.
"Ich möchte im Prinzip die Menschen informieren, wie leicht es eigentlich ist, ökologischer, simpler, preiswerter zu wohnen. Und das soll so eine Art Muster hier werden."
Erst hätten sich nur Bedürftige für das billige Wohnen auf geringem Raum interessiert, erzählt Schneider. Mittlerweile sei der Trend beim Mittelstand angekommen, bei den 30- bis 50-Jährigen, die ganz bewusst nicht mehr in einer großen, immer teureren Wohnung in der hektischen Stadt leben möchten. Menschen wie Anne Huber, die hier am See ihr Domizil gefunden hat.
"Ich bin Ärztin und ich habe drei Kinder großgezogen. Für mich ist das die Befreiung meines Lebens. Also es ist einfach so wunderbar, dass man sich um nichts mehr kümmern muss, damit hat man unglaublich viel Zeit. Und wenn man viel draußen ist, wird wirklich die Seele ruhig. Ich brauche kein Coachen, ich brauche keine Therapie, ich brauche keine Meditation. Mein Leben ist das, was jeder kennt, wenn er am Meer sitzt und dem Rauschen zuhört."

Anne Huber hat ihre Wohnung aufgegeben, fast alle Möbel verschenkt. Dieses Loslassen sei die Voraussetzung für ein minimalistisches Leben im Grünen, betont sie.
"Wenn man wirklich mit seinem Keller und der Gartenlaube umziehen will, dann sollte man einfach gar nicht mobil wohnen. Also ich bin mit acht Bananenkartons, einem Lebensmitteleinkauf und ein paar Küchensachen umgezogen."
Eine Frau sitzt in einem kleinen, mobilen Haus.
Wenig Wohnraum, aber viel Freiheit: Ein Tiny-House von innen.© dpa/Patrick Pleul

Hauptsache in der Natur wohnen

Huber wohnt derzeit in einer Laube auf dem Campingplatz und hält Ausschau nach einem neuen Tiny House, nachdem ihr erster Anlauf in einem Minihäuschen gescheitert ist. Weil der Trend hier zu Lande noch neu ist, sei das Mobilheim technisch noch nicht ausgereift gewesen, erzählt sie. Dabei kosten gut gedämmt "Tiny Houses" durchaus einige zehntausend Euro. Die etwas größere Variante, Mobilhäuser mit bis zu 50 Quadratmetern, gibt es für 60 bis 70 000 Euro. Sie haben keine Räder, können aber mit Kran und Lastwagen auch transportiert werden. Anne Huber reizt der Gedanke, ihr Haus jederzeit woanders hin stellen zu können. Hauptsache, sie wohnt in der Natur.
"Die Entscheidung und wirklich das Draußenleben dann über eine längere Weile, taktet einen wieder völlig anders innerlich. Man genießt, dass es früher dunkel wird und kälter wird. Man spürt einfach die Qualität, man will gar kein Licht mehr anmachen, genauso wie man im Sommer praktisch die ganze Zeit draußen sein kann und eigentlich immer die Sonne hat. Das ist ja alles so klein - man macht ja nur die Tür auf und ist schon draußen. Und auch die ganzen Vögel, die ganzen ... Ich kann das schwer beschreiben. Es hat eine unglaublich starke Qualität."
Campingplatzbesitzerin Martina Schneider, die früher einen stressigen Job als Betriebswirtin und eine große Eigentumswohnung hatte, streichelt ihren Hund und erzählt von ihrer langen Warteliste. Darauf stehen Berliner, die sich für eines der Mobilheime am See interessieren, die Schneider nach Jahre langem Ringen mit den Behörden demnächst hier bauen lassen will. Die meisten Interessenten suchten erst einmal ein Domizil fürs Wochenende, doch etwa 20 Prozent würden gerne auf Dauer auf kleinem Raum im Grünen wohnen. Kein Wunder, meint Anne Huber.
"Das Wichtige ist: Wenn man auf diese Art und Weise lebt, wird das Leben so viel ruhiger und einfacher, dass man unglaublich viele Dinge nicht mehr braucht, die man also braucht, um zu Entspannen."
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