Neue Kinderbücher

Oh, wie schön ist die Offline-Welt!

Zwei Buchcover auf Wolkenhintergrund
Zwei neue Kinderbücher entdecken die Welt neu – und zwar ganz ohne Smartphone. © Cover: Verlage / Hintergrundbild: Shttefan on Unsplash
Von Kim Kindermann · 24.07.2018
Plötzlich ist das Internet futsch – was tun mit all der frei gewordenen Zeit? Zwei hinreißend gestaltete Bücher erzählen, was Kinder dann erleben können: Sie entdecken die Natur mit neuen Augen und feiern die Familie.
Ohne Klick ins Worldwide Web ist alles langweilig! Keine Videospiele, keine Musik, keine Filme - nichts los. Gleich zwei Kinderbücher stürzen ihre jungen Leserinnen und Leser mit diesem gefühlten Drama in die Sinnkrise. Denn was soll man schon machen, wenn die Geräte ausfallen, weil Oma das Internet kaputt gemacht hat oder der geliebte Gameboy in den Fluss gefallen ist?

Fliegenpilze statt Gameboy

Die Augen aufmachen und die Natur erkunden, rät Beatrice Alemagna in ihrem wunderschönen Kinderbuch "Ein großer Tag, an dem fast nichts passierte". In großen farbigen Bildern entführt sie Seite für Seite tiefer in die Schönheit der Welt, wo es trotz Regen und Wind die wundervollsten Dinge zu entdecken gibt: bunte Steine etwa, die wie Diamanten glitzern, riesige Fliegenpilze, die ihre rot-weiß-gepunkteten Köpfe aus dem regennassen Moos recken und wie mythische Wesen wirken – genau wie die Bäume mit ihren gebogenen Ästen und Stämmen.
Die Bilder sind dabei alle in gedeckten Farben gehalten: Dunkelgrün, Blau, Ocker, Karminrot – passend zum grau verhangenen Himmel. Mittendrin ist das Kind zu sehen, in knall orangefarbener Regenjacke. Je weiter es rennt, umso tiefer taucht man in die Geschichte ein, verliert sich in den wunderschönen Details der Bilder und bleibt berauscht zurück. Genau wie das Kind, das am Ende des Tages dreckig und nass, aber glücklich und zufrieden zur Mutter in die Ferienhütte zurückkehrt – mit dem Wissen, ohne den Verlust des Gameboys hätte es die bis dahin verborgene Natur nie für sich entdeckt.
Klar, dass auf den 46 Seiten des Buches die genialen Bilder im Vordergrund stehen. Den Text hätte es fast gar nicht gebraucht. Denn die Bilder, modern gezeichnet und trotzdem mit der Sogkraft eines Märchens, stehen dabei für sich - und zeigen: Langeweile muss nicht sein. Alles, was es braucht, ist, die Augen aufzuhalten und sich einzulassen auf die Natur. Der Rest ergibt sich von allein – selbst bei Wind und Regen. Der Italienerin Beatrice Alemagna ist damit eine wunderbare Hommage an die Schönheit der Natur gelungen: berauschend und klug.

Oma schrottet das Internet - das ganze Internet

In Marc-Uwe Klings Buch "Der Tag, an dem die Oma das Internet kaputt gemacht hat" steht hingegen das Wort im Vordergrund – zu lustig ist die Geschichte um Oma, die das Internet kaputt gemacht hat. Wie, sie das geschafft hat, ist dabei egal. Klar ist nur: Sie hat das Internet auf der ganzen Welt geschrottet! "Klick, klick. Es geht nicht mehr", sagt die Oma am Anfang der 72 Seiten und bringt so den ganzen Tagesplan aus dem Takt. Die kleine Tiffany, die Ferien hat und daher nicht im Kindergarten ist, fragt sich nicht erst dann: Wer soll da eigentlich auf wen aufpassen? Vielleicht doch sie auf die Oma?
Eigentlich sollte es ja andersrum sein, aber die Kleine ist sich da nicht so sicher – genauso wenig wie ihre Geschwister Max und Luisa. Denn tatsächlich geht nach Omas "Klick, klick" nichts mehr! Max kann keine WhatsApp-Nachrichten mehr verschicken, Luisa keine Musik mehr hören und Opas Filme über Fische gehen auch nicht mehr. Reparieren lässt der Schaden sich nicht.
Und schon bald stehen alle und alles Kopf. Ein verzweifelter Pizzabote steht ebenso ratlos vor der Tür wie Mama und Papa, die früher von der Arbeit kommen, weil nichts mehr funktioniert. Und so müssen sie alle den Tag anders verbringen: Sie reden, hören Radio, spielen Spiele, machen Musik, tanzen und erfinden Geschichten darüber, wie Oma es geschafft hat, das Internet kaputt zu machen. Weil sie eine Hexe ist? Weil sie wie der Präsident der Vereinigen Staaten auf den roten Knopf gedrückt hat? Oder weil das Internet die Nase voll von Omas Doppelklick hatte?

Eine brüllend komische Lektüre

Der Tag, der mit vermeintlichem Chaos begann, wird so zu einem lustigen, unterhaltsamen Familientreffen, an dem sich alle wieder näher kommen und das tun, was am wichtigsten ist: gemeinsam miteinander Zeit verbringen. Und weil Marc-Uwe Kling der Autor dieses Buches ist, der schon mit seiner Känguru-Trilogie bewiesen hat, dass er ein Meister des Wortes und des Humors ist, ist auch dieses Kinderbuch brüllend komisch. So werden Lisas grüne Haare zur politischen Farbe, das Internet wird auf Videotext reduziert und die "Kacknazis" sind verzweifelt, weil sie nicht mehr andere Leute im Internet beschimpfen müssen.
Federleicht webt Marc-Uwe Kling all das zusammen – zum großen Ganzen. Ein wilder Spaß für Kinder ab 8 Jahren – und für alle Großen sowieso. Dafür steht der Autor mit seinem Namen – und er erfüllt die Erwartung wieder einmal perfekt. Ergänzt wird seine Geschichte mit Illustrationen von Astrid Henn. Ihre comicartigen, farbigen Bilder, die mal seitengroß und dann wieder nur aus Köpfen mit Sprechblase bestehen, passen perfekt zum Text, leichtfüßig und lustig wie sie sind. Ein perfektes Buch also – nicht nur für Tage, an denen das Internet vielleicht mal nicht funktioniert!

Beatrice Alemagna: "Ein großer Tag, an dem fast nichts passierte"
übersetzt von Anja Kootz
Beltz & Gelberg, Weinheim 2018
46 Seiten, 14,95 EUR

Marc-Uwe Kling: "Der Tag, an dem die Oma das Internet kaputt gemacht hat"
Carlsen Verlag, Hamburg 2018
72 Seiten, 12,- EUR

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