Neue EU-Abgasgrenzwerte

Das Ende für den Verbrennungsmotor?

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Ein Blick auf die Berliner Stadtautobahn mit mäßigem Autoverkehr
Streit um geplante Euro-7-Norm: Es sei nur konsequent, die Abgaswerte künftig weiter zu verschärfen, sagen Berfürworter. © imago images / STPP
Von Tobias Krone · 05.01.2021
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Auch eine Folge des Dieselskandals: Bei den Grenzwerten für Abgase wird in Europa inzwischen genauer hingeschaut. Der Entwurf einer Euro-7-Norm für Neuwagen sorgt nun für Aufregung. Kritiker fürchten das Aus für den Verbrennungsmotor.
Neue Grenzwerte ab 2025. Der Aufschrei darüber im vergangenen November ist groß: Für die Präsidentin des Verbandes der Deutschen Automobilindustrie VDA Hildegard Müller sind es jetzt schon ein De-Facto-Verbot des Verbrennungsmotors. Im Netz kursiert bereits eine Petition gegen die neue Euro-7-Norm.

"Kein einziges Fahrzeug erfüllt das"

Und auch der Experte für Kolbenmaschinen am Karlsruher Institut für Technologie Thomas Koch ist der Meinung: "Das was in einem ersten Entwurf vorgeschlagen wurde, mit allen Konsequenzen, übersteigt um Welten das, was technisch möglich ist – und kein einziges Fahrzeug erfüllt das."
Tatsächlich ist es ein erster Entwurf, vorgelegt von einem Expertenrat, der seit Mitte November in der Presse kursiert, und noch längst keine fertige Abgasnorm. Aber er erregt die Gemüter. Denn die neue Norm für Abgase würde, wenn sie so umgesetzt würde, vor allem künftigen Diesel-Neuwagen nochmal deutlich härtere Grenzwerte abverlangen.
Die Experten schlagen vor, den Stickoxidausstoß von ab 2025 auf maximal 30 Milligramm pro Kilometer zu begrenzen, ein zweites Szenario sieht eine Obergrenze von 10 Milligramm vor. Derzeit erlaubt sind 80 Milligramm. Und auch die Tests werden härter.
Künftig soll schon der erste gefahrene Kilometer einbezogen werden. Bislang wird er nicht mitgezählt, weil der Motor noch nicht auf Idealtemperatur ist. Auch die Leistungsanforderungen sollen verschärft werden. So soll künftig auch der Ausstoß beim Ziehen eines Anhängers in den Tests gemessen werden.
Der Ingenieur Thomas Koch sieht das kritisch: "Was selbstverständlich zu einer Erhöhung der Emission auf einem moderaten Niveau führt, weil das die klassische Physik ist, aber wenn es dazu führt, dass es durch diese Kombination unter Umständen emissionskritisch werden würde, könnte das dazu führen, dass ein Hersteller keine Anhängerkupplung mehr anbieten würde. Das wäre ja auch kontraproduktiv."

"Das ist eine aufgebauschte Debatte"

In der Autobranche ist man sich relativ einig: Die Verschärfung der Grenzwerte wäre ein echtes Problem. Aber wären sie tatsächlich der Todesstoß für den Verbrennungsmotor?
Jutta Paulus, Abgeordnete der Grünen im Europaparlament, findet: nein.
"Ich finde, das ist eine aufgebauschte Debatte", sagt sie. "Denn Fakt ist ja, dass wir bereits heute Autos auf der Straße haben, die diese Euro-7-Grenzwerte schon einhalten können. Also bereits heute. Und 2025 würde dann eben Euro-7 in Kraft treten, das heißt, das sind noch fünf Jahre Zeit, damit die Hersteller, deren Autos diese Grenzwerte noch nicht einhalten, die Grenze dann einhalten können."
Das bestätigen auch abgaskritische Experten wie Axel Friedrich. Er testet für die Deutsche Umwelthilfe Autos im realen Straßenbetrieb.
Sein Fazit zu den gegenwärtigen Neuwagen: "Die Fahrzeuge nach Euro-6d liegen um den Faktor 2 bis 3 unterhalb des Grenzwertes, das heißt, sie liegen meistens bei zehn bis 20, maximal 30 Milligramm pro Kilometer. Der Grenzwert ist 80. Da sehen Sie, wie weit wir heute unterhalb des Grenzwertes liegen."

Argumente für weitere Verschärfungen

Ob die neuen Motoren so auch unter den geplanten Tests in Extremsituationen funktionieren würden, darüber streiten die Expertinnen und Experten. Doch für die Grünen-Politikerin Jutta Paulus ist es nur konsequent, die Abgaswerte künftig weiter zu verschärfen.
"Solange noch Neuwagen zugelassen werden, müssen die natürlich auch dem Stand der Technik entsprechen", sagt sie. "Das wäre ja bei sicherheitsrelevanten Dingen auch nicht anders. Stellen Sie sich vor, man findet jetzt raus: Es gibt jetzt eine ganz tolle neue Bremsflüssigkeit oder sonst was, die die Sicherheit erhöht. Da würde man ja auch sagen, Leute, ihr müsst die jetzt verwenden, auch wenn es nur noch 10.000 Neuwagen pro Jahr gibt!"
Jutta Paulus kämpft dafür, dass der Verkehr sauberer wird. Das heißt für sie: Stärkung von Bussen und Bahnen. Und – wenn schon Autos – dann elektrisch oder zumindest mit geringen Abgasen. Deshalb sei die Euro-7-Norm wichtig, um den Stickoxid-Ausstoß von Dieselfahrzeugen zu verringern.
Der Tester Axel Friedrich sieht das im Prinzip ähnlich, die verschärften Grenzwerte müssten aber auch eingehalten werden, warnt er:
"Dass ich ohne Probleme einen Grenzwert von 30, 35 oder 40 Mikrogramm einhalten kann, das ist technisch nicht die Frage. Die Frage ist, wie lange ich ihn einhalte und wie überprüfe ich ihn im realen Leben. Und das ist der entscheidende Punkt."

Auch ältere Fahrzeuge im Blick behalten

Axel Friedrich hält wenig davon, die neuesten Autos durch besonders harte Tests zu schicken, wenn gleichzeitig viele älteren Autos auf der Straße noch sehr lange Zeit viel mehr ausstießen. Zumal die Motoren altern und Leistung verlieren, auch Partikelfilter fallen immer wieder aus.
Doch in den Hauptuntersuchungen, die jedes angemeldete Auto alle zwei Jahre durchlaufen muss, gibt es keine Überprüfung der aktuellen Stickoxid-Werte. Und die für dieses Jahr angekündigte verpflichtende Partikeluntersuchung am Auspuff hat das Verkehrsministerium erst kürzlich verschoben, da laut Axel Friedrich noch die Messinstrumente in den Werkstätten fehlten.
Doch auch wenn die Euro-7-Hürde wohl nicht allzu hoch wird. Für die Autoindustrie ist die Zukunft des Verbrennungsmotors trotzdem unklar. Denn auch die Grenzwerte für das Treibhausgas CO2 werden weiter verschärft. Bis 2030 müssen die Hersteller den durchschnittlichen Ausstoß ihrer Fahrzeugflotten in der EU um knapp 40 Prozent senken.
Das erfordere enorme technologische Anstrengungen – die am Ende das Auto teurer machten, warnt der Ingenieur Thomas Koch: "Das würde auf jeden Fall bedeuten, dass es für Menschen mit einem kleinen Geldbeutel keine adäquate individuelle Automobilität mehr gibt. Insbesondere würde es aber auch bedeuten, dass es für die Menschen, die sich heute typischerweise einen zwölf bis 13 Jahre alten Wagen kaufen – dass die diese Möglichkeit in Zukunft nicht mehr haben."

Neuwagen höchstens 1000 Euro teurer

Die Grünenpolitikerin Jutta Paulus hält diese Prognose für eine Dramatisierung. Und erhält Unterstützung vom Autoexperten Ferdinand Dudenhöffer, Direktor des CAR-Institutes in Duisburg. Neuwagen würden höchstens 1000 Euro teurer, wenn die Hersteller auf Euro-7 umstellten, erläuterte er gegenüber der Zeitschrift "Auto Bild".
Das, so Paulus, sei im Autoland Deutschland zumutbar: "Wenn man seinen Kunden 800 Euro für irgendwelche komischen Metallic-Lackierungen abknöpfen kann, dann werden ja wohl 1000 Euro für nicht ganz so schädliche Abgase auch drin sein."
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