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Saarland
Streit um staatliche Förderung des E-Sports

Soll E-Sport als Sport gelten oder gar zum Wohle der Allgemeinheit als gemeinnützig eingestuft werden? All dies muss noch geklärt werden. Im Saarland ist in den vergangenen Tagen eine weitere Frage hinzugekommen: Soll der Staat den E-Sport fördern? Ja, sagt die große Koalition aus CDU und SPD. Nein, sagt der Sport.

Von Tonia Koch | 20.12.2020
Blick auf die Bühne beim Spiel Team Evil Geniuses gegen Team Secret ESL One Hamburg 2018 DOTA 2 E-Sports - Esports, Hamburg Hamburg Deutschland Barclaycard Arena *** View of the stage at the match Team Evil Geniuses vs. Team Secret ESL One Hamburg 2018 DOTA 2 E Sports Esports Hamburg Hamburg Germany Barclaycard Arena
Ist E-Sport Sport? Im Saarland gibt es eine Kontroverse, ob das Land den E-Sport fördern soll. ( imago | Chris Emil Janßen)
Der Corona-bedingte Lockdown zwingt Kinder und Jugendliche ganztägig vor die Bildschirme, Online-Schulen ersetzen den Präsenzunterricht. Spielplätze und Turnhallen hingegen sind seit Monaten tabu. Ausgerechnet in dieser Phase wendet sich der saarländische Landtag dem Thema E-Sport zu. Das sei das falsche Signal zum falschen Zeitpunkt, findet der ehemalige Handballnationalspieler Christian Schwarzer, der im Saarland den Nachwuchs betreut.
"Ich gehe mal davon aus, dass die Leute, die so etwas entscheiden, beschließen, dass die sich im Vorfeld Gedanken gemacht haben. Ich gehe jetzt nicht davon aus, dass da Ahnungslose sitzen, die einfach sagen, wir geben da Geld in den E-Sport, deshalb gehe ich immer davon aus, dass es Überlegungen gibt, wieso, weshalb, warum. Ich finde aber auch jetzt in der Zeit, wo es Vereine unheimlich schwer haben – und auch ich sage: E-Sport ist kein Sport - da jetzt Geld zu investieren finde ich nicht so die richtige Sache."
Ahnungslosigkeit im Landtag?
Wer die Haushaltsdebatte verfolgt hatte, konnte sich jedoch des Eindrucks nicht erwehren, dass eine gehörige Portion Ahnungslosigkeit mitschwang, als der Haushaltstitel im Landtag zur Diskussion stand. Die insgesamt 200.000 Euro, angesetzt für zwei Jahre, lohne die Auseinandersetzung im hohen Hause nicht, befand der SPD-Abgeordnete und langjährige Sportfunktionär Eugen Roth.
"Als jemand, der ehrenamtlich im Sport tätig ist, diese E-Sport-Debatte, die kann man führen am Buffet, aber sie erscheint mir unverhältnismäßig."
Spieler spielen das Spiel PES 2020 (Pro Evolution Soccer) vor Portraits einiger Spieler des FC Bayern München. 
E-Sport und Corona - Rückzug ins Virtuelle Viele Sportveranstaltungen mussten aufgrund des Coronavirus abgesagt werden. Das gilt auch für den E-Sport, der schon seit Jahren immer größere Hallen füllt. In diesem Jahr wurden viele Veranstaltungen bereits verschoben – doch der E-Sport hat gegenüber dem traditionellem Sport einen Vorteil.
Als "Neid-Debatte" tat der Fraktionsvorsitzende der CDU-Mehrheitsfraktion, Alexander Funk, die zahlreichen kritischen Stimmen aus dem Sport ab, die sich im Vorfeld der Debatte öffentlich geäußert hatten.
"Da jetzt so einen Popanz aufzumachen, das verstehe ich nicht und das will nicht so schnell in meinen Kopf hineingehen."
Ehemaliger Leichtathlet und CDU-Abgeordneter Schäfer gegen die Förderung
Lediglich Raphael Schäfer, ehemaliger Leichtathlet und inzwischen sportpolitischer Sprecher der CDU-Landtagsfraktion hielt dagegen. E-Sport sei nun mal kein Sport und die Veranstalter des Milliardengeschäftes unterschätzen bislang auch die damit verbundenen Suchtgefahren, so Schäfer.
"Ich kann deswegen sagen, dass ich heute aus persönlichen Gründen, aus wirklich einer tiefen Gewissensüberzeugung heraus, der sogenannten E-Sport-Förderung nicht zustimmen kann. Ich glaube im Übrigen auch, dass aufgrund der gesellschaftlichen Relevanz dieser Bereich sich aus privaten Sponsorengeldern finanzieren kann."
Landessportverband erkennt E-Sport nicht als Sport an
Was mit den Fördergeldern passieren soll, steht noch nicht fest. Es müssten erst noch Konzepte erarbeitet werden, teilte Regierungssprecher Alexander Zeyer auf Anfrage mit. Denkbar ist, dass die seit zwei Jahren von der Landesregierung geförderte Startup-Szene, die sich rund um den Bereich E-Gaming entwickelt hat, nun offenbar durch die Organisation von E-Sport-Events, ergänzt werden soll. Davon hält der Landessportverband herzlich wenig. Dieser findet sich in der gesamten Diskussion übergangen, weil er von der Politik dazu nicht gehört wurde. Darüber hinaus legt der Verband Wert auf Präzisierung, Geld könne ja fließen, sagt LSVS-Vorstand Bodo Wilhelmi, nur nicht in den E-Sport.
"Man stützt seit mehreren Jahren über die Landesmedienanstalt die Spiele-Fabrik, die Unternehmen und so sehe ich auch diese 200.000 Euro, dass sie ins E-Gaming fließen sollen. Das ist grundsätzlich eine Entscheidung der Landesregierung, die wir im Sport auch akzeptieren, aber man darf nicht sagen, dass man damit den E-Sport fördert. Weil Sport gibt es nicht in der E-Version, sondern nur in natura und nicht digitalisiert indem man an einer Konsole sitzt und zockt."
Dass je nach Sportart die Haltung und der Umgang mit der elektronischen Spieleszene unterschiedlich gesehen wird, weiß auch Wilhelmi. Aber überwiegend ginge die reale Sportfamilie inzwischen auf Distanz.
"Mittlerweile hat sich doch herausgestellt, dass dort der Sport nicht mehr im Vordergrund steht, sondern durch die Entwicklung dieser Spiele, sehen wir eine erhöhte Suchtgefahr."
Wetten und Regulierungen spielten keine Rolle in der Debatte
800 Millionen Euro sind allein im vergangenen Jahr auf dem Markt für E-Sport umgesetzt worden. Das Geld wurde ausgegeben für Spiele, Werbung und Turniere,. Und Schätzungen des International Gaming Instituts der Universität von Nevada gehen davon aus, dass mit Wetten auf E-Sport-Ereignisse weltweite Umsätze zwischen zwei und sechs Milliarden Euro generiert werden können. Eine dynamische Entwicklung, die der Regulierung bedürfe, sagen die Forscher. All das spielte bei der Debatte im saarländischen Landtag eine untergeordnete Rolle, wie auch die Sorgen von Vereinen, die nicht wissen, wie sie nach Corona, die Kinder weg von der Konsole wieder auf den Platz bringen sollen. Christian Schwarzer:
"Das ist die große Frage. Es ist auch eine andere Situation als im Sommer, da war schönes Wetter da konnten die Kinder raus, aber jetzt bei drei, vier, fünf Grad und Regen, möchte keiner gerne vor die Tür. Und deshalb ist die Situation gerade im Jugendbereich sehr, sehr schwierig. Und ich habe die große Befürchtung, dass wir Kinder für den Sport allgemein nicht nur für den Handball, sondern für den Sport allgemein verlieren werden."