Neue CIA-Chefin Gina Haspel

Amerikas Foltergeist verschwindet nicht

Der US-Senat hat der Ernennung der umstrittenen Kandidatin Gina Haspel zur neuen CIA-Chefin zugestimmt. Sie sagt vor dem US-Senat in Washington aus.
Die ehemalige CIA-Agentin und neue CIA-Chefin Gina Haspel sagt vor dem US-Senat aus. © picture alliance / Consolidated News Photos
Von Max Paul Friedman · 19.05.2018
Die neue Chefin der CIA, Gina Haspel, war als CIA-Agentin verantwortlich für Folterpraktiken. Doch wirklich aufgearbeitet wurden diese nie. So sei ein Foltergeist entstanden, der immer wiederkehre, kommentiert der Historiker Max Paul Friedman.
Poltergeister sind unsichtbar. Plötzlich dringen sie in einen ansonsten ruhigen Alltag ein – meist machen sie Klopfgeräusche, können aber nicht gesehen oder fotografiert werden. Amerika wird von einem Foltergeist verfolgt und er entstammt einer ungesühnten Schandtat der Vergangenheit. Nicht ein einziger Geheimdienstler der Bush-Regierung würde für die Folter jener Jahre bestraft. Deshalb wackeln bis heute immer wieder mal die Möbel und unser Schlaf wird gestört – so etwa bei den Anhörungen im Senat von Trumps Kandidatin für das Direktorat der CIA. Trotzdem leugnen manche die Existenz des Foltergeistes. "Wir foltern nicht", behauptet George W. Bush. "Wir haben nie gefoltert", fügt Dick Cheney hinzu.

Haspel befahl Zerstörung von Beweismaterial

2002 hatte die US-Regierung die CIA-Agentin Gina Haspel nach Thailand geschickt, um ein Geheimgefängnis zu leiten, wo mutmaßliche Al-Qaida Mitglieder gefangen gehalten wurden. Unter Haspels Aufsicht wurde dort durch Waterboarding gefoltert. Anschließend befahl sie die Zerstörung des Beweismaterials, 92 Videobänder. Der Foltergeist kann nicht gefilmt werden.
Jetzt hat Donald Trump Haspel zur Chefin der CIA gemacht, weil sie "hart gegen Terroristen" vorgegangen sei. Dass sie gefoltert hat, wird vergessen, entschuldigt oder relativiert. Ihre Fürsprecher sagen, dass sie nur Befehlen gefolgt sei. So ein Satz stört nicht nur deutsche Ohren. Seit den Nürnberger Prozessen gilt schon: "Handeln auf höheren Befehl befreit nicht von völkerrechtlicher Verantwortlichkeit".
1947 verfolgten die USA japanische Soldaten strafrechtlich wegen Waterboardings von US-Gefangenen. Das Argument der Verteidigung, dass sie nur Befehlen gefolgt seien, wurde verworfen. Und schon Chefankläger in Nürnberg Robert Jackson hatte vor gut 70 Jahren gemahnt dass "nach dem gleichen Maß, mit dem wir die Angeklagten heute messen, auch wir morgen von der Geschichte gemessen werden".

Würde Haspel einen unmoralischen Befehl verweigern?

Haspel scheint sich des Problems bewusst zu sein. Sie hat dem skeptischen Senat versichert, dass sie niemals einen unmoralischen Befehl ausführen würde. Aber das kann nur bedeuten, dass sie Waterboarding moralisch akzeptabel fand. Präsident Trump zumindest sagt: "I love waterboarding" und fordert noch "viel Schlimmeres".
Wie lange nach dem nächsten großen Terroranschlag in meinem Land wird es dauern, bevor er einen unmoralischen Befehl gibt? Haspels Freunde sagen, sie würde sich dann nicht scheuen, vor den Mächtigen die Wahrheit zu sagen und dem Recht zu folgen. Aber genau das hat sie in Thailand nicht getan.
Der Foltergeist rüttelt, das Geschirr klirrt. Das Porträt von George Washington fällt von der Wand. Während der Revolution befahl er, dass, wenn ein amerikanischer Soldat einen Gefangenen verletzt, sollte er eine "strenge und abschreckende Strafe" erhalten, weil er dadurch "sich selbst und seinem Land" nur "Schande, Ungnade, und Ruin bringe". Washington meinte, Amerika gewinnt nur wenn unser Beispiel Sympathie erweckt. Bevor das geschieht, brauchen wir vielleicht erst mal einen Exorzismus.

Max Paul Friedman ist Geschichtsprofessor an der American University in Washington. Sein Buch "Rethinking Anti-Americanism" (Antiamerikanismus umdenken) erschien bei Cambridge University Press.



Der Historiker Max Paul Friedman
© American University / Jeff Watts
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