Freitag, 29. März 2024

Archiv

Letztes Album von David Berman
"Ich nehme meine Probleme und schreibe Songs darüber"

US-Musiker David Berman ist im Alter von 53 Jahren gestorben. Ende der 80er hatte er die Band Silver Jews gegründet. Nach langer Pause erschien kürzlich ein neues Album unter dem Namen "Purple Mountains", auf dem Berman über seine Depressionen spricht - eine bewegende und aufbauende Erzählung.

Von Andreas Dewald | 08.08.2019
David Berman bei einem Auftritt seiner band The Silver Jews im Jahr 2006 in Athens, Georgia 2006.
US-Musiker David Berman - hier beim Auftritt seiner Vorgängerband Silver Jews im Jahr 2006 (picture alliance/dpa/Chris McKay/Mediapunch)
David Berman war kein Musiker aus der ersten Reihe, aber er war einer, der von Kollegen und Pop-Spezialisten immer geschätzt wurde. Das ging schon damals los, als er Ende der 80er die Band Silver Jews gründete. Seit zehn Jahren hatte man nichts mehr gehört von ihm. Aber erst vor rund einem Monat war ein neues Album erschienen, unter dem Namen Purple Mountains. Eine tolle, aber auch eine sehr traurige Platte. Berman hat darauf von seinen Depressionen erzählt, und von dem, was er als Versagen bezeichnete. Darum ging es auch, als Andreas Dewald vor wenigen Wochen David Berman zum Interview getroffen hatte. Zum Tod des Musikers wiederholen wir hier diesen Beitrag.

David Berman: "Mein Versagen, das ist ein wiederkehrendes Thema auf dem Album. Ich bin wie ein Hund, der sich auf den Rücken dreht, ganz sorglos, und sich unterwirft. Genau das tue ich in meinen neuen Songs. Habt keine Angst vor meiner Depression! Das will ich den Menschen damit sagen. Denn das ist das Schlimmste: Wenn Du schwer depressiv bist und sich die Menschen vor deiner Depression fürchten. Das treibt dich noch tiefer hinein. Ich spreche sehr offen über meine Depression, damit man so einen Zugang zu mir finden kann."
Sardonischer Witz und schwarzer Humor
David Berman, einst vergrübelter Kult-Star der Indie-Rock-Band Silver Jews, ist wohl noch nie so nahbar gewesen wie in den Songs seines neuen Projektes Purple Mountains. Damit kehrt nach über zehn Jahren ein Dichter auf die Bühne zurück, der schon immer depressiv gestimmte Texte voll von schmerzhafter Ehrlichkeit, sardonischem Witz und schwarzem Humor mit gutgelauntem Americana-Sound kombinierte.
2009 hatte Berman die Silver Jews aufgelöst und aufgehört, Musik zu machen. Aus Verzweiflung über die Taten seines Vater Richard Berman, genannt Dr. Evil, einem mächtigen rechten Lobbyisten in Washington, der brutale Kampagnen gegen Tierschützer, Gewerkschaften, oder Nichtraucher-Initiativen geführt hat. Für David Berman ein Trauma, an dem er sich in seiner Kunst bis heute abarbeitet:
"Der einzige Schaden, den ich meinem Vater zufügen konnte, war, mich aus seinem Leben herauszunehmen. Darüber war er nicht glücklich. Aber er kann nicht alles haben. Mein Vater ist wie eine Abrissbirne, die die Institutionen meiner Gesellschaft zerstört. Ich kann ihm keinerlei Respekt zollen."
Ein verquerer Patriot
Berman zitiert im Bandnamen Purple Mountains die inoffizielle Nationalhymne "America The Beautiful". Er ist, wie er selbst sagt, ein verquerer Patriot, der schon als Kind Präsident werden wollte und dessen Seelenzustand von der Verfassung seines Landes abhängt. Und so hat er mit Purple Mountains jetzt ein Album mit angeschrägter Country-Music gemacht, auf dem er, fast wie Merle Haggard oder Waylon Jennings vor 40 Jahren, direkt und schonungslos autobiografisch aus seinem Leben erzählt. Berman war lange drogenabhängig, hat einen Suizidversuch unternommen, sich vor Kurzem von seiner Frau getrennt und seine Mutter verloren. Über all diese leidvollen Erfahrungen hat er seine neuen Songs geschrieben. Und da fühlt er sich der traditionellen Country-Music sehr verbunden.
"Country-Music kommt meinen Bedürfnissen entgegen. Ich kann da absolut authentisch sein. Also kann ich in einem Country-Song Dinge unterbringen, die andere so nicht sagen können. Ich habe vor etwa zehn Jahren angefangen, mir neue Country-Music anzuhören. Ich habe die einfachen Melodien aufgesogen und die Idee, dass jeder Song eine These aus ein paar Worten haben sollte, die man ständig wiederholen kann."
Eine Erzählung von Lethargie, Kollaps und Wiedergeburt
David Berman bietet auf dem Debütalbum als Purple Mountains eine Erzählung von Lethargie, Kollaps und Wiedergeburt, die kaum bewegender und aufbauender hätte ausfallen können. Immer wieder möchte man die Melodien seiner Songs trotz der todtraurigen Inhalte mitsingen. Und all die poetischen Metaphern, Wortspiele und originellen Sprachbilder wie zum Beispiel "If no one‘s fond of fucking me / maybe no one‘s fucking fond of me" genießen, die Berman als stillen Meister seines Fachs ausweisen.
"Für mich ist Songwriting eine Therapie, um Dinge zu verändern. 99 Prozent der Musiker würden sagen, dass das nicht funktioniert. Aber ich nehme meine Probleme, und schreibe Songs darüber. Und wenn ich den Song zu Ende bringe, und er ist gut, habe ich das Problem überwunden. In manchen Fällen gelingt mir das."