Neue Ausbildung in NRW

Förderschüler in der Pflege

Eine Pflegerinn begleitet am 12.02.2015 in Hamburg eine Bewohnerin eines Seniorenwohnheims mit ihrer Gehhilfe (Rollator).
Eine Pflegerinn begleitet am 12.02.2015 in Hamburg eine Bewohnerin eines Seniorenwohnheims mit ihrer Gehhilfe (Rollator). © picture-alliance / dpa / Christian Charisius
Von Elin Rosteck · 18.11.2015
Für sogenannte "Schüler mit besonderem Förderbedarf" wurde in Nordrhein-Westfalen ein neuer Ausbildungsberuf eingerichtet: Sie können sich in Köln und Bonn zum "Fachpraktiker Service" im Krankenhaus ausbilden lassen. Ihre Aufgabe: das Pflegepersonal entlasten.
"Guten Morgen! Kann ich schon abräumen?"
Zimmerservice im Krankenhaus; mit einem freundlichen Lächeln und aufrechter Körperhaltung trägt die junge Frau das Frühstückstablett aus dem Zimmer zu ihrem Servicewagen im Flur. An der linken Tasche ihres weißen Kittels prangt ihr Namensschild: Daniela Salchert, Azubi zur "Fachpraktikerin Service".
"Das ist jetzt meine dritte Woche, ich hab zwei Kolleginnen und die bringen mir auch eigentlich sehr viel bei, weil die auch möchten, dass ich durch die Prüfung komme."
Die Prüfung. Ihr ganz großes Ziel, obwohl sie gerade erst angefangen hat. Doch diese Ausbildung am Malteser-Krankenhaus Seliger Gerhard in Bonn ist das Beste, was ihr passieren konnte.
Besonderer Förderbedarf, besondere Ausbildung
Daniela Salchert hat eine ganz besondere Geschichte. Da sind z.B. ihre epileptischen Anfälle; die sie bekommt, seitdem ihr Ex-Partner sie hart mit dem Kopf auf die Bettkante gestoßen hat. Und dann ist da noch ihr Sohn, den sie vor dreieinhalb Jahren entbunden hat. In dieser Kombination sind das Umstände, die sie zu einem Fall mit "besonderem Förderbedarf" machen und damit zu einem Fall für genau diese besondere Ausbildung.
"Hallo Frau Heine, wie geht's?"
Ihre Betreuerin ist da, auf Stippvisite. Nadine Heine ist Jobcoach bei der Organisation InVia Köln und für mehrere Azubis dieser Ausbildung zuständig. Sie schaut mehrmals die Woche bei jedem ihrer Zöglinge vorbei. Manchmal schlüpft die Erzieherin des katholischen Verbands für Mädchen- und Frauensozialarbeit sogar selbst in den weißen Kittel der Servicekraft.
"Ich lern das auch. Es ist einfach was anderes, ob ich mit den Anleitern zusammen sitze und frage 'und wie läuft's' oder wenn ich das sehe; ja, hat den Tagesablauf verstanden; hat die Uhr im Blick."
Die Uhr im Blick haben, Abläufe verstehen, pünktlich zur Stelle sein, für ihre "Klientel", wie sie sie nennt, ist das schwer. Die meisten von ihnen sind ihr Leben lang durch Raster gefallen; haben schlechte Noten; Mobbing in der Schule erlebt; und womöglich noch familiär schwierige Umstände zuhause.
Bei Daniela Salchert hat die Betreuerin nur eine Sorge: Dass sie zu viele Aufgaben an sich reißt.
"Da muss man sie bremsen. Ne, da haben wir erstmal geguckt, was sind wirklich Deine Aufgaben."
"Ja, genau. Ich selbst merke, dass ich nicht alles schaffe."
Die Betreuerin ist weg, Daniela Salchert hat sich an die Fersen ihrer Kollegin geheftet. Mit den steifen Krankenhauslaken hat sie noch Probleme; die wollen nicht immer so, wie sie das will.
Ein gutes Herz braucht keinen guten Schulabschluss
Zuhause macht Daniela Salchert auch die Betten; sie wohnt mit Mann und Kind in einer Wohnung mit Betreuung, wegen der Epilepsie. Es ging ihr gar nicht gut, lange Jahre, nur zu Hause, nur krank, nur Mama-Sein.
"Für mich ist das so, man findet immer einen Weg. Ich war die, die zum Arbeitsamt ging. Ich hab gesagt, ich will nicht, dass nur der Mann arbeiten geht, ich will auch was tun!"
Jetzt geht der Kleine in die Kita und ihr Ehemann bringt ihn hin. Und sie kann die Ausbildung machen.
"So, guck mal, ziehen und drunterheben."
"Guck mal, das hier ist der Dienstordner, da stehst Du auch drin..."
"Servicekraft im Krankenhaus" ist erst seit einem Jahr überhaupt ein Ausbildungsberuf, und das auch bisher nur in Köln und Bonn. Ein Kölner Chefarzt hatte beobachtet, dass ein gutes Herz nicht unbedingt auch einen guten Schulabschluss braucht. Zusammen mit einem Kölner Pfarrer machte er sich stark für die Ausbildung.
Servicekräfte haben offenes Ohr für die Patienten
Bislang gibt es in ganz Bonn gerade mal 13 dieser Ausbildungsplätze und die Azubis sind schwer gefragt. Sie sind Gold wert im Pflegealltag, sagt Sabrina Schütte. Die Stationsleiterin merkt es an den Patienten.
"Die klingeln dann nicht mehr so häufig; die Servicekräfte haben auch ein offenes Ohr und ein bisschen Zeit zu plaudern, das haben wir nicht, und das ist auch wichtig für die Patienten."
"So, Frau Weppel. Ich mach das Nachttischchen sauber."
"Das machen Sie ja immer ..."
Daniela Salchert ist schon wieder fleißig. Desinfektion von Nachttischen. Liebevoll räumt sie die persönlichen Gegenstände der alten Dame vom Nachttisch, wischt auch noch den letzten Krümel weg und räumt dann den Bilderrahmen, die Bücher und die beiden Brötchentüten vom Bäcker nebenan fein säuberlich wieder an ihren Platz.
Alte Dame: "Sie ist sehr nett und macht alles sehr ordentlich. Da bin ich froh. Ordnung ist das halbe Leben, sage ich immer, das macht sie alles gut."
Zwei Jahre Lehrzeit, ein Jahr garantierte Weiterbeschäftigung im Betrieb und dann beste Chancen auf dem Arbeitsmarkt. Die Ausbildung zur "Fachpraktikerin Service in Pflege-Einrichtungen" ist ihre Chance auf ein selbstbestimmtes Leben.
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