Neue Alben

Das muss man gehört haben - oder auch nicht

Chris Martin, Sänger der britischen Band Coldplay, aufgenommen bei einem Konzert 2014 in München
Chris Martin, Sänger der britischen Band Coldplay © picture alliance / dpa / Sven Hoppe
Von Vincent Neumann · 04.12.2015
Auch wenn das neue Coldplay-Album an vielen Stellen erfreulicherweise nicht nach Coldplay klingt, wird es dadurch nicht besser. Eher lohnt ein Blick auf unbekannte Acts: Die Kölner Band "Jen Brown" liefert auf "Rhythms of the Rain" originelle, unaufgeregte deutsche Popmusik.
Coldplay: "A Head Full of Dreams"
Das Beste vorweg: Das neue Coldplay-Album klingt an vielen Stellen gar nicht nach Coldplay! Das Problem: Es wird dadurch nicht besser! Ja, "A Head Full of Dreams" ist deutlich fröhlicher als sein doch ziemlich deprimierender Vorgänger; letztendlich dürfte es aber weder den zahlreichen Coldplay-Fans, noch den ebenso zahlreichen Coldplay-Hassern gefallen, dass Chris Martin und Kollegen ihren typisch-hymnischen Stadion-Rock-Sound dieses Mal mit Disco-Beats, Samples und R’n’B-Einlagen aufgemotzt haben.
An prominenten Unterstützern mangelt es Coldplay traditionell nicht, aber auch Gastauftritte von Beyoncé Knowles, Ex-Oasis-Star Noel Gallagher oder US-Präsident Barack Obama in einer von ihm freigegebenen Rede können das neue Album nicht retten. "A Head Full of Dreams" klingt nach genau dem: einem Kopf voll wirrer und zusammenhangsloser Träume – ambitioniert, aber zum Scheitern verurteilt, denn letztendlich wacht man auf, bevor die Geschichte anfängt, Sinn zu machen.
Chris Martin orakelte unlängst in einem Interview, dass "A Head Full of Dreams" das letzte "Coldplay"-Album sein könnte. Davon wiederum träumt sicherlich auch so manch einer…
Maria Mena:"Growing Pains"
Apropos Träume: Eben diese sollen der norwegischen Sängerin Maria Mena als Inspirationsquelle gedient haben für ihr neues Album "Growing Pains" – eine legale, bewusstseinserweiternde Maßnahme sozusagen, nachdem sie im wachen Zustand noch zu sehr mit der Scheidung von ihrem Mann zu kämpfen hatte.
Musik sei für sie schon immer ein Weg gewesen, ihre Gefühle in Worte zu fassen, sagt die 29-Jährige, was sie auf ihrem letzten Album mit der Single "Fuck You" eindrucksvoll nachwies. Statt Wut geben dieses Mal allerdings Trauer und Nachdenklichkeit den Ton an – eine Klangfarbe, die Maria Mena eigentlich gut steht. Doch allzu oft schlägt die auf "Growing Pains" ins Weinerliche um, unterbaut mit einem Fundament aus US-Mainstream-Pop-Bausteinen. Und man fragt sich: Wozu? Denn am Schönsten (und auf "Growing Pains" leider viel zu selten) ist immer noch das typisch nordische Understatement: Maria Mena in der Grundausstattung sozusagen.
Jen Brown:"Rhythms of the Rain"
Aber es gibt auch einen Lichtblick an diesem eher mauen Freitag: Enttäuschen die großen Namen, wird man auf der Suche nach guten Neuerscheinungen manchmal bei bislang eher unbekannten Acts fündig – zum Beispiel bei der Kölner Band "Jen Brown".
In ungewöhnlicher Besetzung mit Klavier, Cello, Kontrabass und Schlagzeug zeigt das Quartett um Frontfrau Jenny Braunschweig auf seinem zweiten Album "Rhythms of the Rain", wie neue deutsche Popmusik auch klingen kann: originell, unaufdringlich, aber immer für eine Überraschung gut.
In Zeiten von Casting-Shows und musikalischem Einheitsbrei bieten "Jen Brown" eine erfrischende Abwechslung. Ihnen eine große Karriere zu prophezeien wäre gewagt – aber es tut gut, in der heutigen Zeit handgemachte Songs von studierten Musikern zu hören, die sich jenseits von Pop-Konventionen und festen Genregrenzen bewegen. Wenn das der "Rhythmus des Regens" ist, dann wird man gerne mal nass!
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