Neubau des Whitney Museums

Piazza-Flair im New Yorker Schlachter-Bezirk

Außengelände des neuen von Renzo Piano entworfenen Whitney Museums für Amerikanische Kunst in New York.
Außengelände des neuen von Renzo Piano entworfenen Whitney Museums für Amerikanische Kunst in New York. © picture alliance / dpa / Justin Lane
Von Andreas Robertz · 29.04.2015
Die Idee einer italienischen Piazza hatte Architekt Renzo Piano im Kopf: Das Whitney Museum und seine gläserne Fassade sollten den Raum öffnen, zugänglich sein. Und tatsächlich, der Neubau ist hell, benutzerfreundlich und einladend.
Direkt aus den Ausstellungsräumen heraus kann man im Westen über den Hudson River und im Osten auf die Dächer der Stadt mit ihren für New York so typischen Wasserspeichern sehen. Das neue Whitney Museum für amerikanische Kunst besteht an zwei Seiten fast völlig aus Glas. Es ist genau diese reizvolle Schnittstelle zwischen Stadt und Fluss, oder wie Architekt Renzo Piano es ausdrückt: der Stadt und "der Welt", die ihn inspirierte:
"Auf der einen Seite flirtet man mit der Stadt, auf der anderen redet man mit der Welt."
Die 600 Quadratmeter große Lobby ist von der Straße und dem kleinen Platz mit seinen Cafés und Restaurants nur durch Glas getrennt. Über der Lobby erhebt sich wie auf Stelzen das achtstöckige Gebäude mit seinen vier großen Terrassen, Außentreppen und glatten Stahlflächen. Vier vom Künstler Richard Artschwager entworfene Aufzüge – von denen einer aussieht wie ein riesiger geflochtener Korb – bringen die Besucher nach oben in die Galerien. Das Vorbild für die Lobby war die italienische Piazza.
"Diese Idee ist sehr einfach, ich hab das nicht erfunden, sie ist sehr europäisch: ein Gebäude nimmt nicht Besitz von einem Grundstück, sondern es öffnet Raum, damit Menschen kommen."
Für Renzo Piano müssen Museen zugänglich sein. Sie dürfen ihre Besucher nicht einschüchtern. Und während er zusammen mit Museumsdirektor Allan Weinberg im Museumscafé ihr neues Haus erklären, drücken von außen bereits einzelne Passanten ihre Nasen neugierig gegen die Scheiben.
Für Adam Weinberg, der in der besonders glücklichen Lage ist sein Museum fristgerecht und innerhalb des Budgets zu eröffnen, geht eine zwölfjährige Vorbereitungszeit zu Ende.
"Wir wollten sicherstellen, dass die Kunst im Zentrum unseres Planens stand. Wir wollten Räume, in denen die Kunstwerke fantastisch aussehen. Wir wollten das richtige Licht, die richtigen Böden, den richtigen Ausblick …"
Recycelte Fußböden aus abgerissenen Lagerhäusern
Und das hat er auch bekommen: insgesamt 15.000 Quadratmeter Ausstellungsfläche, vier Stockwerke mit großen säulenfreien Galerien, multivariable Räume für alle Formen von Ausstellungen und vier Außenterrassen auf verschiedenen Höhen, um Events, Performances und Skulpturen zu zeigen. Die Böden sind aus hellem wiederaufbereitetem Kiefernholz ausgestattet, das aus alten abgerissenen Lagerhäusern des Viertels stammt und in die man auch mal Schrauben und Nägel hineinschlagen darf. Es entsteht mehr die Atmosphäre einer großen Galerie als eines Museums. Flexible, unprätentiös, schlicht, so stellt sich das neue Whitney vor.
"Die Idee ist flexible Räume zu haben, die Künstler zu neue Arbeiten inspirieren und natürlich unsere Sammlung zeigen zu können."
Und genau das will die Eröffnungsausstellung "America Is Hard To See". Noch nie konnten man so viele Werke der Whitney Sammlung sehen, einige sogar zum allerersten Mal. Bei der Auswahl wurde bereits deutlich, dass der Begriff Amerikanisch nicht so einfach zu definieren ist: gut 30 Prozent der ausgestellten Künstler sind nicht in Amerika geboren. "America Is Hard to See" ist demnach auch ganz wörtlich zu nehmen. Die Werke sind thematisch und chronologisch bestimmten Themen zugeordnet.
So beschreibt das Thema "Breaking the Prairie" Amerika als Mythos, seine Landschaften und Menschen, eine Periode zwischen den Weltkriegen. Hier findet man Meisterwerke von Edward Hopper und Grant Wood. In einem anderen Bereich mit dem Namen "Large Trademark" finden wir die Künstler der Pop-Art als Gegenbewegung zum abstrakten Expressionismus. Verpackungen, Werbung, Zeitungsfotos und Comic Bücher wurden zur Inspirationsquelle: Werke von Andy Warhol, Roy Lichtenstein und Ed Ruscha. In der Abteilung "Racing Thoughts" wird dann das Bild als Kritik an der modernen Gesellschaft benutzt. Arbeiten von Jasper Johns, Jeff Koons und Jean-Michel Basquiat sind hier zu finden.
New York hat ein wunderbares neues Museum bekommen, hell und benutzerfreundlich, einladend und einer Identitätssuche des "Amerikanischen" verpflichtet, so unscharf dieser Begriff auch sein mag. Doch erst die kommenden Ausstellungen werden zeigen, welche neuen Möglichkeiten hier tatsächlich entstanden sind. Noch einmal Museumsdirektor Allen Weinberg:
"In diesem Gebäude weiß man, dass man in New York ist, man fühlt New York, für jeden sichtbar. Und du kannst dich damit verbinden und doch, da gibt es wunderbare Räume, wo man in die Welt der Kunst gehe kann, darin verschwinden kann, und dann erscheint man plötzlich wieder in der Außenwelt: ein großes Gleichgewicht."
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