Neuauflage Åke Hodell auf CD

Musik mit Waffengeräuschen

06:50 Minuten
Der Soundkünstler Ake Hodell
Am 21. Januar erschien die Neuauflage einer 3-CD-Box, die Hodell kurz vor seinem Tod im Jahr 2000 noch autorisiert hat. Darauf sind seine Arbeiten von 1963-1977 versammelt. © www.havremagasinet.se
Von Paul Paulun · 26.02.2019
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Der schwedische Künstler Åke Hodell war einer der Wegbereiter der Text-Sound-Kunst, der schwedischen Variante des Lautgedichts. Und er hat 16 Hörspiele für das schwedische Radio realisiert - fast immer waren sie politisch. Das hatte auch mit seinem Einsatz als Kampfpilot im 2. Weltkrieg zu tun.
FX 1: Åke Hodell: Where is Eldridge Cleaver?
Nach einer Message muss man bei Åke Hodell nicht lange suchen. Einige seiner Hörstücke aus den Sechzigerjahren wirken sogar agitatorisch - und sind doch interessant.
Als der Black-Panther-Aktivist Eldridge Cleaver 1968 untertauchte und viele befürchteten, er wäre ermordet worden, entstand ‘Where is Eldridge Cleaver?’ – ein wütendes Avantgardestück, in dem die Revolution ausgerufen wird.
FX 2: Åke Hodell: Where is Eldridge Cleaver?
Wie alle Arbeiten von Hodell aus den Sechziger- und Siebzigerjahren ist auch ‘Where is Eldridge Cleaver?’ in einer strengen Form gehalten. Nachdem Komponisten und Dichter in Schweden bereits mehrere Jahre mit Verbindungen aus Sprache und Klang experimentiert hatten, bekam diese Kunstform 1967 einen Namen: Text-Sound.
"Es muss nicht unbedingt Sprache sein, es kann auch eine Phantasiesprache sein. Die Stücke werden durch das Element des Sounds getragen. Wir haben eine etwas merkwürdige Definition in Schweden: Auch jemand, der Gedichte auf eine merkwürdige Art vorträgt, kann ein Text-Sound-Künstler sein."
Mats Lindström hat die Dreier-CD-Box zusammen mit Åke Hodell kurz vor dessen Tod im Jahr 2000 konzipiert. Heute ist er Direktor des 1964 gegründeten Studios für Elektronische Musik, wo viele der frühen Text-Sound-Arbeiten produziert wurden.
Den Startschuss dazu gab Åke Hodells Stück ‘General Bussig’ von 1963, zu deutsch: ‘General Kumpel’. Darin macht er sich lustig über eine Reform beim schwedischen Militär, mit der das Prinzip des Kadavergehorsams abgeschafft und durch flache Hierarchien ersetzt wurde.
FX 3: Åke Hodell: General Buddy Buddy (part 2)
Hodells endlose Wiederholungen von Worten und Silben bei ‘General Bussig’ erinnern an Werke der Konkreten Poesie. In Schweden wurde deren befreiter Umgang mit Sprache von Öyvind Fahlström vorangetrieben.
Der intermedial arbeitende Künstler war von einem Konzert beeindruckt, bei dem die Begründer der musique concrète, Pierre Henry und Pierre Schaeffer, 1952 in Stockholm Experimente mit aufgenommenem Klangmaterial präsentierten.
Ein Stück über den Krieg - mit Geräuschen der verwendeten Waffen
"Ein Jahr später veröffentlichte Fahlström im Magazin Rondo sein ‘Manifest für die Konkrete Poesie’. Darin legte er fest, was die schwedische Version von Konkreter Poesie wurde. Und diese Tradition wurde von Künstlern wie Bengt Emil Johnson und Åke Hodell aufgegriffen."
Auch international arbeiteten Ende der Sechziger zahlreiche Künstler mit dem Spiel von Sprache und Klang. In Zusammenarbeit mit dem schwedischen Radio wurden deshalb in Stockholm ab 1968 jährlich Text-Sound-Festivals veranstaltet, bei denen auch Arbeiten aus den USA, Frankreich oder England zu hören waren. Mangels einer Alternative fanden die Aufführungen zunächst im Modernen Museum statt.
FX 4: Åke Hodell: Structures 3
Im Modernen Museum wurde 1967 auch Åke Hodells halbstündiges Stück ‘Strukturen 3’ uraufgeführt. Es handelt von den großen Kriegen des 20. Jahrhunderts – und benutzt dazu lediglich die Geräusche der verwendeten Waffen.
Angefangen von einzelnen Gewehrschüssen aus dem 2. Burenkrieg in Südafrika um die Jahrhundertwende bis zu einem fiktiven 3. Weltkrieg, bei dem der Sound einer atomaren Kobaltbombe mehrere Minuten aus den Lautsprechern dröhnt.
FX 5: Åke Hodell: Structures 3
Hodells antimilitaristische Haltung hatte auch mit seinem Absturz als Pilot eines Kampfflugzeugs 1941 zu tun. Er überlebte ihn schwer verletzt und musste danach zwei Jahre in einem Krankenhaus verbringen.
"Er identifizierte sich stark mit den Piloten, die Hiroshima und Nagasaki bombardierten. Sein erster Gedichtband ‘Fliegender Pilot’ handelt von einem Piloten, der sich der Anordnung widersetzt, eine Bombe abzuwerfen."
Als er dabei ist, sein Ziel ins Visier zu nehmen, sieht er ein paar Mädchen auf einer Brücke und dreht ab.
FX 6: Åke Hodell: The Djurgården Ferry across the Styx
Nach dem Tod seiner ersten Frau veränderten sich Hodells Stücke. Die Arbeiten seiner Anfang der Siebzigerjahre begonnenen Serie ‘Elektronisches Fegefeuer’ waren nicht mehr explizit politisch, sondern nachdenklicher, suchend und mehr auf Sound ausgerichtet.
Beim Stück ‘Djurgården-Fähre über den Styx’ etwa bricht Hodell von Stockholm aus über den Fluss in der Unterwelt ins Totenreich auf.
Musik: Åke Hodell: The Djurgården Ferry across the Styx
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