Neuanfang in der deutschen Diaspora

Zisterzienser besiedeln Kloster in Brandenburg neu

Pater Maximilian, Abt von Heiligenkreuz, aufgenommen 2018
Pater Maximilian, Abt der Zisterzienserabtei Heiligenkreuz in Österreich, entsendet Ordensbrüder in das Kloster Neuzelle. © Elisabeth Fuerst
Pater Maximilian Heim im Gespräch mit Christopher Ricke · 02.09.2018
200 Jahre nach der Aufhebung des Klosters gibt es einen Neuanfang. Im brandenburgischen Neuzelle leben wieder Mönche, entsandt vom österreichischen Mutterkloster. Ihr Abt schickt sie in die härteste Diaspora Deutschlands.
Christopher Ricke: Wenn wir über Klöster und Ordensgemeinschaften in Deutschland berichten, dann häufig darüber, dass sie schrumpfen, Klöster aufgegeben werden müssen. Aber heute ist das anders. Tief in Brandenburg, in Neuzelle, sind die Mönche wieder da. Kloster Neuzelle wird wiederbesiedelt, als Priorat, als Tochterkloster der Zisterzienserabtei Heiligenkreuz in Österreich. Der Bischof von Görlitz hat die Mönche eingeladen. Heute nun ist der große Tag. Ich habe vor diesem großen Tag mit dem Abt von Heiligenkreuz gesprochen, Pater Maximilian. Wie haben Sie sich in den letzten Tagen und Wochen auf diesen Tag vorbereitet?

Pater Maximilian: Also die Vorbereitung auf eine Neugründung ist wirklich eine jahrelange. Wir haben im Grunde schon seit 2015 intensive Kontakte auch mit der Diözese Görlitz, mit dem Bischof Wolfgang Ipolt, der uns ja eingeladen hat. Wir haben es lange vorher geprüft, bevor überhaupt jemand aufgebrochen ist. Wir haben uns dann die Situation vor Ort angeschaut und wir haben dann ein ganzes Jahr lang direkt vor Ort vier beziehungsweise drei Mitbrüder gehabt, die noch einmal die Situation genau prüfen konnten. Und das war sicher eine gute Erfahrung, ob eben hier ein Ort, der historisch sehr geprägt ist von den Zisterziensern – vor 750 Jahren wurde ja das Stift Neuzelle gegründet und dann fast eben genau vor 200 Jahren damals eigentlich fast widerrechtlich vom preußischen Staat aufgelöst, denn der Wiener Kongress war ja schon längst vorbei und eigentlich wären Auflösungen in der Weise gar nicht mehr möglich gewesen. Aber so ist halt die Geschichte, und die Geschichte hat oft einen langen Atem, und die Auswirkungen sind eben bis heute zu sehen.
Pater Maximilian, Abt von Heiligenkreuz
Pater Maximilian freut sich über den herzlichen Empfang in Neuzelle.© Elisabeth Fuerst
Andererseits bin ich wirklich auch dem Land Brandenburg, zu dem jetzt heute Neuzelle gehört, sehr dankbar für das Entgegenkommen, ja auch für die Einladung, dieses Wagnis zu unternehmen und neu wieder Zisterzienser in dieses alte Zisterzienserland zu schicken.

Mönchisches Leben und Seelsorge

Ricke: Sie haben guten Kontakt zum Bischof von Görlitz, auch zur Brandenburger Kulturminiserin, das ist eine Katholikin, die nur 50 Kilometer entfernt wohnt, die ist, glaube ich, sogar noch ihr Jahrgang. Hilft es, dass man da ein gewisses Verständnis füreinander hat?
Pater Maximilian: Das ist sicher wichtig, dass man das Verständnis füreinander immer auch wieder neu findet. Der Bischof Wolfgang Ipolt ist ein Bischof in einer ganz kleinen Diözese, die zahlenmäßig fast kleiner ist oder ungefähr so groß ist wie unsere größte Pfarrei, die wir betreuen in der Diözese Essen, denn wir haben ja auch vor 30 Jahren in der Diözese Essen ein neues Kloster gewagt anzugehen. Und die österreichischen Zisterzienser sind halt auch dadurch geprägt – und das war vielleicht auch ein Grund für die Einladung –, dass wir oft monastisches Leben mit Seelsorge miteinander verbinden. Und sicher findet man dann auch leichter zueinander, wenn eben gleiche Aufgaben vorhanden sind und vor allem auch eben die Gottsuche als Mönch eben Frucht bringen kann für die Seelsorge.

Von Atheisten freundlich empfangen

Ricke: Machen wir es doch mal ganz praktisch: Schauen wir uns Kloster Neuzelle an, das steht ja nicht leer, da gibt es ja Läden, da gibt es ein Museum, da gibt es Gastronomie, auch die evangelische und die katholische Pfarrei haben dort ein Zuhause gefunden. Jetzt gibt es wieder Zisterziensermönche, wie bekommen Sie das organisiert, müssen Sie neu bauen oder jemand anderen verdrängen?
Pater Maximilian: Also, das Schöne war wirklich die Willkommenskultur in Neuzelle selber. Ich muss sagen, ich bin wirklich ganz angerührt, wie man dort die Mönche empfangen hat und mit welch großer Freude, sowohl von der Pfarrgemeinde wie auch von der Bevölkerung, ja selbst von Menschen, die sagen, ich bin Atheist. Wie hier die Freude gewachsen ist, ich will Ihnen vielleicht nur eine Episode erzählen, es war einer, der unseren Mitbruder – stellvertretend möchte ich das erzählen für viele Erlebnisse – angesprochen hat, ich freue mich so, dass Sie kommen. Und unser Mitbruder, Pater Kilian, hat geantwortet, ja, dann beten Sie halt auch dafür, dass es wirklich auch gutgeht. Dann hat er gesagt, das kann ich nicht, denn ich bin Atheist, aber ich freue mich dennoch. Und das ist, glaube ich, so eine typische Reaktion, denn wir sind ja dort in einer Gegend, die kirchlich gesehen eigentlich fast minimal prozentual vertreten ist.

Evangelische Gastfreundschaft in der Diaspora

Ricke: Ja, nehmen wir durchaus mal die Statistik der Deutschen Bischofskonferenz: In Brandenburg gibt es drei Prozent Katholiken. Das ist so dürr, so dürr ist es nirgendwo in Deutschland.
Pater Maximilian: Aber diejenigen, die katholisch sind, die kommen zur Kirche. Und das ist vielleicht ein bisschen dicker oder ein bisschen stärker als im Wienerwald zum Beispiel oder auch in anderen Gegenden in Deutschland. Das heißt, die Diaspora-Situation muss nicht immer nur negativ sein, sondern kann auch wirklich so sein, dass die Menschen dort doch zusammenhalten. Und so waren wir eigentlich dankbar, dass wir dort schon in ein katholisches Netzwerk hineingekommen sind, wo auch die Ökumene ganz lebendig ist, also der Kontakt mit dem evangelischen Pfarrer ist so gut, dass er mich sogar eingeladen hat, bei ihm in seiner Wohnung eben dann zu wohnen in der Zeit, wo ich dort war. Das hat mich so berührt, weil ich mir gedacht habe, das ist doch wirklich ein Zeichen von Freundschaft, von Verbundenheit. Oder ich habe Kontakt gefunden zum Bischof Dröge, der ja für Brandenburg und für Berlin zuständig ist – der evangelische Bischof. Auch das hat mich wirklich sehr berührt, und ich habe gedacht, da kämpfen eben auch unsere evangelischen Mitchristen um eine Möglichkeit, hier altes zisterziensisches Gut im Sinn der Spiritualität, des benediktinischen Lebens wieder neu an diesem Ort zu wecken, der ja total geprägt worden ist – wie auch das Land Brandenburg – von den Zisterziensern.
Ricke: Ich erinnere an den Aussendungsgottesdienst vor wenigen Tagen, da frugen Sie ihre Brüder, seid ihr bereit, auch in Neuzelle ein klösterliches, authentisches Leben zu führen? Und an anderer Stelle war von Aufbruch, von Mut und Gottvertrauen die Rede. Und jetzt sind die in einer Gegend, wo man häufig erklären muss, was ist eigentlich ein Kloster, was ist ein Konvent, vielleicht sogar, wie benimmt man sich in einer Kirche und was unterscheidet sie von einem Museum oder einem Konzertsaal.
Pater Maximilian: Das ist ja das Großartige – man fragt! Bei uns ist es häufig, in unserem ein bisschen, wie soll ich sagen, gesättigten, katholischen Österreich – oder auch eben in deutschen Gegenden – ist es ja oft so, dass man die Kirche meint zu kennen und gar nicht mehr fragt. Das heißt, dass eine große Gleichgültigkeit in vielen Regionen vorhanden ist. Dort ist aber das Unwissen so groß, dass man schon neugierig ist und wieder staunt, und zugleich durch dieses Staunen eben Kontakt hergestellt werden kann. Also, ich glaube, dass hier wirklich eine Neuevangelisierung leichter sogar möglich ist, weil die Menschen wirklich auch zur Schönheit des Evangeliums wieder hingeführt werden können.

Wenn sich die Seele nach Stille sehnt

Ricke: So etwas vielleicht Artverwandtes haben Sie ja vor zehn Jahren getan, da waren Ihre Mönche in den Hitparaden, in den Pop- und in den Klassikcharts mit der CD "Chant: Music for Paradise". Aber das haben dann doch einige vielleicht eher als Entspannungsmusik genommen, so wie vielleicht doch einige Neuzelle-Besucher eher kulturtouristisch-historisch-museale Interessen haben dürfen. Oder bin ich da zu pessimistisch?
Pater Maximilian: Das schadet ja nichts. Ich meine, ich habe es selber lustig gefunden, als ich selber Fußball mitgespielt habe in Bochum Wattenscheid damals, das war ein Freundschaftsspiel zwischen der evangelischen Gemeinde und eben der katholischen Gemeinde. Ich bin kein großer Fußballer, wirklich nicht, aber wir haben dann, weil es halt damals so aktuell war, haben wir, ich war damals noch Prior in Bochum Stiepel, haben wir die "Chant: Music for Paradise" aufgelegt und – es war gut für die Menschen. Es ist gut, wenn man doch auch merkt, dass ein Gesang den Menschen in eine innere Stimmung hineinbringt, die ihm, die seinem Herzen Frieden bringt. Und ich glaube, das suchen viele Menschen, Menschen suchen – wenn wir zum Beispiel an den heiligen Augustinus denken, nicht, unruhig ist das Herz, bis es Ruhe findet in dir, oh Gott – ich glaube, es ist wichtig, dass die Menschen wieder auch solche Möglichkeiten entdecken, die jetzt nicht esoterisch sind, sondern wirklich aus einer uralten Gewissheit kommen, dass es gut ist, den Herrn, Gott zu suchen im Gesang, in der Freude, in der Betrachtung, in einer Stille, wo die Seele sich ja oft wirklich nach dieser Stille sehnt.
Ricke: Kloster Neuzelle im Bistum Görlitz wird wiederbesiedelt als Priorat, als Tochterkloster der Zisterzienserabtei Heiligenkreuz in Österreich. Vielen Dank, Abt Maximilian!
Pater Maximilian: Herzlichen Dank auch für Ihr Interesse!
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