Neu im Kino

Zwischen Liebe und Koran

Nur in Zusammenhang mit dem Film verwenden!!! Awatef (Mirna Moukarzel) und ihr Mann Salim (Ali Sammoury) in einer Szene des Films "Liebe Halal"
Awatef (Mirna Moukarzel) und ihr Mann Salim (Ali Sammoury) in einer Szene des Films "Liebe Halal" © Neue Visionen Filmverleih
Von Christian Berndt · 02.07.2016
Der libanesisch-deutsche Film "Liebe Halal" erzählt unterhaltsam vom komplizierten Liebesleben in der islamischen Welt. Doch Regisseur Assad Fouladkar hat weit mehr als eine leichte Komödie im Sinn. Einer der Kinostarts der nächsten Woche.
"Oh, das Scheidungsurteil! Das ist wunderbar, gratuliere."
"Ja, das ist großartig."

Jetzt könnte für die beiden alles gut werden. Loubna wurde von den Eltern früh mit einem anderen verheiratet, aber sie liebte seit Jugendzeiten immer nur Abou. Nun ist die Scheidung endlich durch, aber der ebenfalls verheiratete Abou zögert – und man trifft sich weiterhin nur heimlich an versteckten Orten in Beirut:
"Wir sollten öfter zusammen ausgehen."
"Aber die Leute könnten uns zusammen sehen."
"Ich sollte davor Angst haben, ich bin eine Frau."
"Und ich bin ein verheirateter Mann."
Langsam zeigt sich, dass Abou mit Loubna nur ein Verhältnis nebenher führen will – eine sogenannte Ehe auf Zeit. Das ist ein Schlupfloch im islamischen Recht, mit dem sich eine Affäre legitimieren lässt. Für Loubna beginnt ein schmerzlicher Weg zur Erkenntnis, aber auch in die Freiheit. Die libanesisch-deutsche Komödie "Liebe Halal" erzählt parallel drei Geschichten aus Beirut, in denen die Liebenden versuchen, gemäß religiöser Vorschriften zu leben und trotzdem ihr Glück zu finden. Awatef etwa ist so genervt von ihrem sexbesessenen Gatten, dass sie ihm irgendwann einen Vorschlag macht:
"Was meinst Du, sollten wir uns nicht eine zweite Frau holen?"
"Wozu?"
"Damit sie mir etwas abnimmt, wenn ich müde bin."
"Muss das denn sein?"
"Ja, es muss sein."
Ein anderes Problem haben Batoul und Mokhtar. Die jungen Brautleute haben so oft öffentlich im Streit nach Scheidung gerufen, dass sie nach islamischen Recht nun tatsächlich geschieden sind. Nun muss Batoul einen Übergangsmann finden, denn erst nach einer Zwischenehe ist eine erneute Heirat möglich. Assad Fouladkar erzählt in "Liebe Halal" ziemlich unterhaltsam von den Absurditäten, die religiöse Vorschriften für das komplizierte Geschlechterleben in der islamischen Welt mit sich bringen können. Aber der libanesische Regisseur nimmt trotz einiger Klischees, wie zum Beispiel des liebestollen arabischen Mannes, seine Figuren ernst und erzählt lebensprall von Selbstverwirklichungsträumen und zerstobenen Illusionen. So leicht die Komödie daherkommt, so wenig lösen sich die verworrenen Dramen in Wohlgefallen auf. Vielmehr bleiben die sehr menschlichen Helden zwischen dem Zauber und der Schwermut des Neuanfangs hängen – und gerade deshalb versteht man sie am Ende ziemlich gut.

Liebe Halal
Libanon/Deutschland, 2015
Regie: Assad Fouladkar
90 Minuten

Trip durch die Transgender-Straßenstrich-Subkultur

Mit religiösen Vorschriften haben die Heldinnen der amerikanischen Indie-Komödie "Tangerine L.A." weiß Gott nichts am Hut. Sin-Dee ist nach vier Wochen Knast wieder draußen. Jetzt, an Heiligabend, sitzt sie im Diner mit ihrer besten Freundin Alexandra – wie sie selbst eine Transgender-Prostituierte –, und die beiden feiern mit einem Donut. Doch dummerweise verplappert sich Alexandra und erwähnt, dass Sin-Dees Freund und Zuhälter sie mit einer echten Frau betrügt. Wutschnaubend stellt Sin-Dee ihre Konkurrentin zur Rede:
"I'm the wrong person."
"Shut the fuck up, bitch!"
Independent-Regisseur Sean Baker folgt seinen Figuren hautnah auf einem atemlosen Parforce-Trip durch die Transgender-Straßenstrich-Subkultur in Los Angeles. "Tangerine L.A." ist mit dem iPhone an Originalschauplätzen gedreht – hat also authentischen Indie-Touch, ist aber bildtechnisch reizvoll-grobkörnig nachbearbeitet und als pointiert-schnelles Comedy-Drama inszeniert. Parallel wird tragikomisch die Geschichte eines armenischen Taxifahrers und Familienvaters erzählt, der Stammkunde auf dem Transgender-Strich und in Sin-Dee verknallt ist. Die Fäden dieser Storys fügt Sean Baker dann in einem knalligen Screwball-Finale zusammen, das ein würdiger Showdown ist für diese Gossen-Perle aus Wucht und Witz.

Tangerine L.A.
USA, 2015
Regie: Sean Baker
88 Minuten

Eine biedere filmische Katastrophe

Mit Witz probiert es auch die deutsche Komödie "Stadtlandliebe". Anna und Sam, ein junges Paar mit filmtypischem Berlin-Chic – sie Ärztin, er Werbetexter – haben genug von der Großstadt und ziehen in ein pittoreskes Fachwerkdorf in tiefster Provinz. Hier übernimmt Anna, gespielt von Jessica Schwarz, die Landpraxis. Aber aus dem ruhigen Landleben wird nichts, denn das Paar erwartet eine Ansammlung skurriler Waldschrate. Was als absurde Land-Farce einen Reiz hätte entwickeln können, zieht sich dann aber nicht nur quälend lang mit schlüpfrigen Zoten zum Fremdschämen hin - es wird auch noch auf Rosamunde-Pilcher-hafte Art sentimental, wenn das Paar im Schoße der Dorfgemeinschaft seine Beziehungskrise überwindet. Diese biedere filmische Katastrophe von Marco Kreuzpaintner, der immerhin die Jugendfilme "Sommersturm" und "Krabat" gedreht hat, als Tiefpunkt des Heimatfilms zu bezeichnen, wäre eine ungerechte Herabsetzung dieses Genres.

Stadtlandliebe
Deutschland, 2016
Regie: Marco Kreuzpaintner
82 Minuten

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