Neu im Kino: "Zwei Herren im Anzug"

Opernhafte bayerische Jahrhundertchronik

Filmszene aus "Zwei Herren im Anzug": Josef Bierbichler als Gastwirt Pankraz mit Martina Gedeck als seine Frau Theres
Filmszene aus "Zwei Herren im Anzug": Josef Bierbichler als Gastwirt Pankraz mit Martina Gedeck als seine Frau Theres © © Gordon Muehle, X Verleih AG
Von Jörg Taszman · 22.03.2018
In "Zwei Herren im Anzug" von Josef Bierbichler sprechen sich Vater und Sohn in einem Gasthaus aus. Die Frau und Mutter ist soeben beerdigt. In vielen Episoden wird die Geschichte der Familie in Rückblicken erzählt - und die Geschichte eines ganzen Landes gleich mit.

Worum geht es?

Es ist eine Aussprache zwischen Vater Pankratz und seinem Sohn in einem bayerischen Gasthaus Mitte der 1980er-Jahre. Vorher haben sie kaum miteinander kommuniziert. Soeben wurde die Frau und Mutter beerdigt. Und der Vater fängt an zu reden, über sich, seine Vergangenheit.
Dann sieht man in Rückblenden, die mit dem Ersten Weltkrieg einsetzen, Familengeschichte auf dem Land vermengt mit der großen deutschen Geschichte. Es geht um Kriegstraumata aus beiden Weltkriegen, um zerstörte Träume vom Singen an der Oper in München, der Pflicht den Gasthof weiter zu führen, anstrengende Tanten und einen emotional lieblosen Vater. Nachdem der Vater seine Version erzählt hat, übernimmt der Sohn.

Was macht den Film besonders?

In seinen besten Momenten – und davon gibt es reichlich – erinnert Bierbichlers Film an Heimat von Edgar Reitz, nur auf bayerisch, opernhafter, überladener. Zum optischen Sehvergnügen tragen die starken Schwarz-Weiß-Bilder von Tom Fährmann bei.
Die Stärke von "Zwei Herren im Anzug" liegt im episodenhaften Erzählen, wenn sich der Film aus dem Gasthof hinaustraut, der junge Opernsänger um seine Theres kämpft, übermütig einen Wettlauf inszeniert. Oder wenn sich der Knecht Jahre später schon einen Fernseher auf Abzahlung leistet und der Herr Pfarrer mit der Dorfjugend andächtig der Übertragung einer Rede des Papstes zusieht.

Bewertung

Weniger überzeugend ist die Struktur des Films, die eher öde Klammerhandlung um die beiden Männer, die immer wieder den Fluss des Films unterbrechen. Dann wird es steif und theatralisch. Übertrieben sind auch die sehr deutschen, düsteren Bilder um die Grauen des Zweiten Weltkrieges: das Verbrechen an den Juden in Polen in einer Rückblende. Das wirkt mehr wie abgehakt und kommt zu unvorbereitet. Zweifelhaft ist auch eine Schockszene zwischen Sohn und Mutter, als sie todkrank im Bett liegt.
All das mindert das Sehvergnügen durchaus, hindert diesen kraftvollen, rohen Film jedoch nicht, überdurchschnittlich-sehenswertes Kino Made in Germany zu sein.

Zwei Herren im Anzug
Deutschland 2018 - Regie und Drehbuch: Josef Bierbichler, nach seinem Roman "Mittelreich", Darsteller: Sepp Bierbichler, Martina Gedeck, Simon Donatz, Sophie Stockinger - 139 Minuten

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