Neu im Kino: "The Tribe"

Widerlicher Film über den ach so tristen Osten

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Der ukrainische Filmregisseur Myroslav Slaboshpytskiy während der European Film Awards in Riga. © dpa/ picture-alliance/ Valda Kalnina
Von Jörg Taszman · 14.10.2015
Der ukrainische Film "The Tribe" zeigt das Treiben hoch korrupter Schüler in einem Internat für Taubstumme. Er wurde 2014 wie kaum ein Film aus Osteuropa beim Festival in Cannes gehyped. Völlig zu Unrecht, meint unserer Kritiker Jörg Taszman.
Kaum ein Film aus Osteuropa wurde im Vorjahr in Cannes so gehyped wie diese ukrainische Produktion. Alle Marktvorführungen waren brechend voll und das Plakat suggerierte einen erotischen und politischen Skandalfilm. Der Film spielt unter Taubstummen und wurde vom Regisseur bewusst nicht untertitelt. Schon allein diese Arroganz des Regisseurs irritiert zunehmend, weil gleich zu Beginn des Films eine Klasse über die EU diskutiert und man als Betrachter schon gerne wüsste ,was hinter der leidenschaftlich geführten und durch heftiges Gestikulieren erkennbar nicht lautlosen Diskussion steckt.
Unter diesen Schülern ist auch ein Neuer. Er ist um die 16/17, etwas dicklich und wurde noch von seiner Mama zu seinem ersten Schultag begleitet. Schnell findet der Junge heraus, dass in diesem Heim für Taubstumme nur Gewalt herrscht. Die angesagten Jungs haben Helfer, die für sie das autoritäre und hoch korrupte System im Internat aufrechterhalten. Man lebt von Raub und Prostitution.
Der Neuling wird zuerst gehänselt, dann steigt er in der Heimhierarchie auf und darf zwei hübsche Mädchen eskortieren, die fast jede Nacht an LKW-Fahrer verhökert werden. Die Mädchen scheinen jedoch erstaunlich willig und unbekümmert.
Andere Kinder der Anstalt überfallen Passagiere in einem Zug oder Menschen auf der Straße, die schwer beladen aus dem Supermarkt kommen. Nachts wird bei reichlich Alkohol gefeiert und die beiden Mädchen, die sich so freiwillig prostituieren, geben sich den Stärksten der Jungs freiwillig hin. Als sich unser Antiheld in eines der Mädchen verknallt und sie schützen will, kommt es zu einer beispiellosen Eskalation der Gewalt.
Der Regisseur hat einen spekulativen, mitunter pornografischen, sensationslüsternen und am Ende fast widerlichen Film gedreht, der vorgibt den Zynismus und die Kälte einer korrupten Gesellschaft anzuprangern, dabei jedoch ebenso zynisch seine Darsteller ausbeutet und Figuren verrät. So ist "The Tribe" ein ärgerliches Machwerk für Festivaldirektoren und westliche Verleiher, die glauben, so sei der triste und wüste Osten.