Neu im Kino: "Parcours d'amour"

Sex und Liebe ohne Altersgrenze

Filmszene aus "Parcours D'Amour" von Bettina Blümner: Für Gino und seine Partnerin ist kein Tanz zu schnell.
Filmszene aus "Parcours D'Amour": Für Gino und seine Partnerin ist kein Tanz zu schnell. © Neue Visionen Filmverleih
Von Hannelore Heider · 03.06.2015
In ihrem neuen Dokumentarfilm begleitet Bettina Blümner Senioren in Pariser Tanzcafés, in denen sich keiner zu alt fühlt für ein kleines Abenteuer - oder die große Liebe. Ein anrührender Film über die Sehnsucht, die im Alter nicht aufhört.
Nach dem Spielfilm "Scherbenpark" 2013 hat Bettina Blümner wieder einen Dokumentarfilm gedreht. Schauplatz und Protagonisten sind im Vergleich mit ihrem sensationellen Film "Prinzessinnenbad" grundverschieden, die Herangehensweise und der fertige Film allerdings nicht. Bettina Blümner hat mit zwei Kameramännern in Paris gedreht und dort besonders in den Tanzcafés, wohin es all nachmittäglich immer noch so viele Männer und Frauen zieht, dass es einer ganzen Armada von Einlassern bedarf, Ordnung in die aufgeregte Schlange schön angezogener Senioren zu bringen.
Diese Schlangen sind Bettina Blümner immer wieder aufgefallen und sie hat sich daran gemacht, Mitspieler zu finden, drei Männer und drei Frauen, die bereit waren, ihr Herz zu öffnen. Was bei "Prinzessinnenbad" schon mit der ersten Szene gelang, hier dauert es deutlich länger, ehe man an den Lippen der Porträtierten hängt. Das sind zu Beginn vor allem zwei alte Herren, die über die Damen auf dem Tanzboden, ihre Liebesbiografie ganz allgemein und über Sex mit 80 im besonderen räsonieren. Männer in diesem Alter sind Machos - wer sich davon abschrecken lässt, ist naiv.
Im Tanzcafé wird getanzt, geflirtet und gehofft
Und sie sind begnadete Tänzer, wie man in den rotgoldenen Etablissements sehen kann, in denen die Gegenwart ausgesperrt ist, der helle Nachmittag wie der Pariser Straßenlärm. Hier wird getanzt, geflirtet und gehofft: von den Männern auf ein schönes Abenteuer, für das sich keiner zu alt fühlt, oder die ehrliche Liebe, mit denen die beiden Freundinnen Christiane und Michelle in ihrem Leben bisher nicht gerade gesegnet waren. Auf alle Fälle regiert hier Erotik pur: so zieht man sich an, so setzt man sich in Szene. Es ist eine altmodische Welt im wörtlichen Sinne, in die wir eingeführt werden, sie hat aber nichts zu tun mit den Tanztees in Altenheimen deutscher Provenienz. Und es gibt seriöse Männer, die sich "Taxiboys" nennen und ihren Lebensunterhalt damit verdienen, die Damen zum Tanz oder anderen Vergnügungen zu führen. Begleitung gegen Geld, wie es der glücklich verheiratete Michel mit Wissen seiner Frau tut.
So erwacht das Interesse des Zuschauers, das Bettina Blümner auf ihre ganz eigene Art wieder befriedigen kann. Wir spüren das Vertrauen, das sich zwischen ihr und den Protagonisten entwickelt hat, vor der Kamera wird Klartext gesprochen und witzigerweise gehört dazu eben auch das Sich-Spreizen der alten Herren angesichts der vor ihr sitzenden jungen Frau. Die Distanz, die man zu Beginn hatte, schmilzt und übrig bleibt die gerührt miterlebte Sehnsucht nach Liebe und Beisammensein, die eben nie aufhört, egal wie alt man ist.

Parcours d'amour
BRD, Frankreich 2014
Regie: Bettina Blümner
81 Minuten, ohne Altersangabe

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