Neu im Kino: "Nebel im August"

Bewegender Film ohne Nazi-Klischees

Filmpremiere von "Nebel im August"
Filmpremiere von "Nebel im August" in München mit Amalia Speidel (M), der Schwester von Ernst Lossa, und Ivo Pietzecker (2.v.li. unten), der Ernst Lossa spielt. © imago stock&people
Von Hannelore Heider · 28.09.2016
Als schwer erziehbar wird der 13-Jährige Ernst Lossa in die Anstalt Kaufbeuren eingewiesen. Als sich Todesfälle häufen und er anderen hilft, wird auch er 1944 Opfer des Euthanasieprogramms der Nazis. "Nebel im August" sollte auch Skeptiker solcher Filme überzeugen.
Regisseur Kai Wessel und Autor Holger Karsten Schmidt haben ein bewegendes historisches Drama inszeniert, das uns das Schicksal des Jungen Ernst Lossa nahe bringt. Er wurde als 13-Jähriger in die Heil-und Pflegeanstalt Kaufbeuren eingewiesen und 1944 als eines der über 200.000 Opfer des Euthanasieprogrammes der Nazis ermordet. Sein Schicksal ist besonders gut dokumentiert, da die Amerikaner gleich nach dem Ende des Faschismus anhand seiner Person die Verbrechen in dieser Anstalt aufzuklären suchten. Nach Jahren des Vergessens und Verdrängens dieser Verbrechen des Naziregimes hat der Leiter des heutigen Bezirkskrankenhauses in Kaufbeuren die Geschichte wieder in die Öffentlichkeit gebracht.
2008 veröffentlichte der Lokaljournalist Robert Domes aufgrund dieser Recherchen den Tatsachenroman "Nebel im August". Er wurde samt Titel zur literarischen Vorlage des Filmes. Die Vorgeschichte ist insofern interessant, als auch dadurch ein außerordentlich authentisch wirkender Film entstand, der auf die übliche klischeehafte Ausstattung sogenannter "Nazifilme" verzichtet, sich ganz auf ein individuelles Schicksal konzentriert und damit sicher die Zugänglichkeit gerade auch für ein junges Publikum erhöht.

Häufung merkwürdiger Todesfälle

Ernst Lossa (Ivo Pietzecker) kam als 13-Jähriger aus einem Waisenhaus in die Anstalt, obwohl er weder physische noch psychische Behinderungen aufwies. Als Sohn eines fahrenden Handwerkers (Karl Markovics) galt er als schwer erziehbar, aber im Unterschied zu vielen anderen Insassen als arbeitsfähig, was seine Überlebenschance erhöhte. Der aufgeweckte Bursche wurde zum Liebling der Pfleger und Mitinsassen, auch Anstaltsleiter Dr. Veithausen blickte wohlwollend auf ihn. Sein Todesurteil aber war besiegelt, als ihm und seiner Lieblingsschwester Sophia (Fritzi Haberlandt) die Häufung merkwürdiger Todesfälle nicht nur auffiel, sondern beide begannen, anderen Pfleglingen zu helfen und Morde zu verhindern. Von da an war er im Sinne des mörderischen Programms kein Nützling, sondern ein Schädling der sogenannten Volksgemeinschaft.
Obwohl sich der Film auf die Geschichte des Jungen konzentriert, werden mit der differenziert gezeichneten Figur des Anstaltsleiters auch die Hintergründe und die perfide Moral des Euthanasie-Mord-Programms deutlich. Selbst die schwierige Rolle der Kirche wird in Gestalt der Schwester Sophia und durch die wunderbar tapfere Darstellung von Fritzi Haberlandt mit erzählt. Das ist ein volles Programm für einen Spielfilm, der aber nie thesenartig daherkommt. Im Gegenteil. Ivo Pietzeck in der kindlichen Hauptrolle ist schlicht überwältigend, sehr lebendig, sehr glaubwürdig. Der Film hat eine große emotionale Kraft und könnte damit auch Skeptiker überzeugen, die glauben, dass man solch ein Thema in Spielfilmform eigentlich nicht darstellen kann.

"Nebel im August"
BRD 2016
Regie: Kai Wessel
Darsteller: Ivo Pietzcker, Sebastian Koch, Fritzi Haberlandt, Henriette Confurius, David Bennent, Karl Markovics, Jule Hermann
126 Minuten, ab 12 Jahren

Mehr zum Thema