Neu im Kino: "Little Women"

Weibliche Selbstermächtigung in historischen Kostümen

06:06 Minuten
Emma Watson, Saoirse Ronan, Florence Pugh und Eliza Scanlen im Film "Little Women".
Bei "Little Women" verfolgen vier Schwestern zu Zeiten des amerikanischen Bürgerkriegs sehr unterschiedliche Lebensziele. © Sony Pictures Entertainment Deutschland GmbH
Von Patrick Wellinski · 30.01.2020
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Greta Gerwig hat mit "Little Women" einen Romanklassiker neu verfilmt, der im amerikanischen Bürgerkrieg spielt. Die vier Schwestern March müssen sich gegen Armut und das Patriarchat behaupten. Gerwig lässt ihr Schicksal in neuem Licht erstrahlen.

Worum geht es?

Kaum ein amerikanischer Roman des 19. Jahrhunderts wurde so häufig für Kino und Fernsehen bearbeitet wie Louisa May Alcotts "Little Women". Deshalb kennt jeder in Amerika die Familie March, vier Töchter und die Matriarchin Marmee, die in Zeiten des US-Bürgerkriegs nicht nur auf den Soldaten-Vater warten, sondern sich auch gegen die Armut und die gesellschaftlichen Tücken des Alltags behaupten müssen. Während sich die rebellische Jo (Saoirse Ronan) als angehende Schriftstellerin vor allem gegen eine anstehende Heirat wehrt, navigieren ihre Schwestern ihr Begehren und ihre Talente auf ganz eigene Weise. Doch egal wie frei und fröhlich die jungen Frauen sind, dem Patriarchat können sie kaum entkommen.

Was ist das Besondere?

Nach legendären Kinoverfilmungen 1933, 1949 und 1994 widmet sich Greta Gerwig nun in ihrer zweiten Regiearbeit dem Roman von Alcott. Gerwig erzählt nicht linear, sondern mit einer raffinierten Rück- und Vorblenden-Struktur, die das Leben und Schicksal der Schwestern in einem neuen Licht erstrahlen lässt. Zentral wird dabei die Entstehung des Romans selber, der in Gerwigs Vision nicht von Alcott geschrieben wird, sondern von der eifrigen Jo. Mit diesem postmodernen Kniff öffnet Gerwig den Stoff auch für aktuelle Deutungen.
Die March-Schwestern entziehen sich der großen (ökonomischen) Frage des Heiratens zwar nicht, aber der Film gibt den jungen Frauen eine Selbstständigkeit und Emanzipation, die ihnen sowohl vom Roman als auch von den vorherigen Filmen verweigert wurde. Hinzu kommt, dass der Film mit einem sensationellen Casting gesegnet ist und alle Darstellerinnen und Darsteller mit einer Spielfreude agieren, dass man sich wünscht, selbst Teil der March-Familie zu werden.

Bewertung

Greta Gerwig beweist in ihrem zweiten Spielfilm, dass sie in erster Linie eine geniale und hochintelligente Drehbuchautorin ist. Mit einem raffinierten Spiel von Realität und Fiktion stellt sie Fragen, die sie schon in ihrem gefeierten Debüt interessiert haben: Was ist die Antriebsfeder eines Künstlers? Wie viel ist man bereit aufzugeben für die Kunst? Welche Spannungen existieren zwischen ländlicher Heimat und bourgeoiser Stadtelite? "Little Women" ist zudem eine wunderbare Studie weiblicher Selbstermächtigung, die sich gegenwärtiger anfühlt als es die Kostüme auf den ersten Blick vermuten lassen.

Little Women
Literaturverfilmung, USA 2019
135 Minuten
Regie: Greta Gerwig
mit u.a.: Saoirse Ronan, Emma Watson, Florence Pugh, Laura Dern, Meryl Streep, Timothy Chalamet

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