Neu im Kino

Immobilienboom und der Ausverkauf Berlins

Auf der Baustelle eines Wohnungsneubaus im Jahr 2014 in Berlin sind Rohbauten und Kräne zu sehen.
Die Baustelle eines Wohnungsneubaus im Jahr 2014 in Berlin © picture alliance / dpa / Daniel Naupold
Von Noemi Schneider · 07.09.2016
Staatliche Wohnungen werden privatisiert, Mietwohnungen luxussaniert und langjährige Mieter vertrieben: Die Dokumentation "Stadt als Beute" des Berliner Regisseurs Andreas Wilcke ist ein schonungsloser Film über den Wandel der Hauptstadt. Außerdem neu im Kino: "The Farmer and I" und "Absolutely Fabulous".
Ausschnitt aus "The Farmer and I":
"Das ist nicht die Geschichte, die ich erzählen wollte, ich wollte 'ne Geschichte erzählen über ein Land, was es anders macht und seine Grenzen austestet, 'ne hoffnungsvolle Geschichte, und alles was ich grad erzählen kann, ist überhaupt nicht hoffnungsvoll."
Die deutsche Regisseurin Irja von Bernstorff ist vollkommen aufgelöst. Seit drei Monaten arbeitet sie gemeinsam mit dem bhutanischen Bauern Sangay an der Umsetzung einer Serie für das bhutanische Fernsehen, die für eine unabhängige und nachhaltige Landwirtschaft werben soll, um den jungen, orientierungslosen Bhutanern eine attraktive Alternative zum Stadtleben zu bieten.
Wirtschaftswachstum war für die 700.000 Bhutaner, die jahrhundertelang von der Landwirtschaft lebten, nie eine entscheidende Größe. Aber die Globalisierung hat mittlerweile auch das verwunschene Bhutan eingeholt. Die Städte wachsen rapide, die Bevölkerung verlässt zunehmend das Land, minderwertige indische Importprodukte ersetzen die heimischen Erzeugnisse. Sangay und Irja versuchen gemeinsam diese Entwicklung aufzuhalten, doch nach der Anfangseuphorie treten die kulturellen Unterschiede zwischen der deutschen Regisseurin und dem bhutanischen Bauern zunehmend in den Vordergrund und die Zusammenarbeit wird zur Zerreißprobe.
Irja von Bernstorff gelingt mit "The Farmer and I" ein beeindruckender Dokumentarfilm über den interkulturellen Versuch, die Schattenseiten der Globalisierung abzuwenden um das Paradies Bhutan zu schützen.

"The Farmer and I"
Deutschland / Bhutan, 2016
Regie: Irja von Barnstorff
81 Minuten

Geschlechterklischees auf den Kopf gestellt

Ausschnitt aus "Absolutely Fabulous":
"Darling, bis jetzt ist es nur ein Buch, aber es wird auch ein Film, Liebes, weil es ja um mich geht, oder nicht? Na, du weißt schon, es geht hier um Londons führende Fashion-PR."
"Ja, fabelhaft!"
1992 flimmerte die erste Folge der BBC-Serie "Absolutley Fabulous" über die Bildschirme, in der die PR-Agentin Edina Monsoon genannt "Eddy" und ihre beste Freundin Patsy die Londoner Modewelt in Atem halten und Eddys spießige Tochter Saffy zur Verzweiflung treiben.
Es folgten weitere Staffeln, Auszeichnungen für die Hauptdarstellerin und Drehbuchautorin Jennifer Saunders - und es entstand ein regelrechter Kult um diese Serie, in der sich Frauen zum ersten Mal so richtig daneben benahmen oder sich einfach das herausnahmen, was Männer, seit die Bilder laufen lernten, auf der Leinwand so machen.
24 Jahre später geben Eddy und Patsy nun ihr fabelhaftes Leinwanddebüt. Das Setting ist dasselbe, nur sind die beiden PR-Agentinnen nicht mehr die jüngsten. Allerdings weigern sie sich nach wie vor standhaft, zum alten Eisen zu gehören. Eddy will Kate Moss als neue Klientin gewinnen, doch blöderweise stößt sie das Model versehentlich von einem Balkon in die Themse.
Ausschnitt aus "Absolutely Fabulous":
"Oh Eddy, du hast Kate Moss umgebracht! Deinetwegen hab ich meinen Job verloren. Und jetzt bin ich auch ein Nichts, genau wie du!"
"Das ist von Stella McCartney."
Eddy und Patsy fliehen an die Cote d'Azur um sich einen Millionär zu angeln, denn wegen der Moss-Misere sind die beiden bankrott, die Polizei und Eddys Tochter Saffy nehmen die Verfolgung auf.
"Absolutely Fabulous – der Film" stellt sämtliche Geschlechterklischees auf den Kopf. Verrückte Outfits, pointierte Dialoge, Gastauftritte von Stars und Sternchen und viel Glamour inklusive. Fazit: absolutely fabulous!

"Absolutely Fabulous"
Großbritannien / USA, 2016
Regie: Mandie Fletcher
92 Minuten

Gentrifizierungsmechanismen offengelegt

Ausschnitt aus "Die Stadt als Beute":
"Wenn ich also einen Stein in einen See schmeiße, dann hab ich so konzentrische Ringe, die entstehen; wobei dann eben … - der Mittelpunkt ist das teure und je weiter ich rausgehe, desto günstiger wird es. So ist jede Stadt der Welt aufgebaut. Nur Berlin nicht."
Berlin ist in! Arm aber sexy! Und vor allem bezahlbar, geradezu spottbillig im Vergleich zu London oder New York! Wer kann, investiert mit größtmöglicher Rendite. Staatlicher Wohnungsbestand wird privatisiert, Mietwohnungen werden zu luxussaniertem Eigentum, langjährige Mieter mit legalen und illegalen Methoden vertrieben.
Ausschnitt aus "Die Stadt als Beute":
"Und so sieht es aus, wenn ich Licht brennen habe. Ich habe also ein zugemauertes Badfenster."
Vier Jahre lang hat der Berliner Regisseur, Kameramann und Produzent Andreas Wilckea Makler, Mieter, Investoren, Eigentümer, Stadtplaner und Politiker in der Hauptstadt begleitet und die sich gegenüberstehenden Positionen dokumentiert.
Beiläufig legt der Filmemacher die Gentrifizierungsmechanismen offen. "Die Stadt als Beute" ist ein schonungsloser Film über den Wandel und den Ausverkauf der angesagten Metropole Berlin.
Ausschnitt aus "Die Stadt als Beute":
"Muss ein Hart-IV-Empfänger am Potsdamer Platz wohnen, Fragenzeichen."

"Die Stadt als Beute"
Deutschland, 2016
Regie: Andreas Wilcke
84 Minuten

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