Neu im Kino: "Der Wert des Menschen"

Die Wehrlosigkeit eines modernen Arbeitnehmers

Der französische Filmregisseur Stéphane Brizé
Der französische Filmregisseur Stéphane Brizé © picture alliance / dpa / Frederic Dugit
Von Patrick Wellinski · 16.03.2016
Thierry Taugourdeau, die Hauptfigur in Stéphane Brizés Film "Der Wert des Menschen", wird im Sicherheitsdienst eines Supermarktes Zeuge einer ungerechten Arbeitswelt voller Überwachung und Misstrauen. Obwohl Schauspieler Vincent Lindon die Rolle überzeugend spielt, fremdelt Brizé mit seiner Hauptfigur.
Thierry Taugourdeau ist arbeitslos. Er lebt von der Stütze. Doch das reicht nicht, um die Pflege für seinen schwer behinderten Sohn zu bezahlen. Deshalb sucht er einen neuen Job. Er bekommt ihn bei einem Sicherheitsdienst in einem Supermarkt. Die Festanstellung erweist sich als modernes Gefängnis: Denn als einige Mitarbeiter kleiner Diebstähle überführt werden, muss Thierry schweigen. Er kann sie alle verstehen. Aber er kann ihnen nicht helfen.
Diese Wehrlosigkeit eines modernen Arbeitnehmers macht den Grundton dieser harten filmischen Sozialreportage aus. Regisseur Stéphane Brizé beobachtet Thierry sehr genau. Er zeigt ihn in seiner Familie, beim Arbeitsamt, bei den ehemaligen Fabrikkollegen, die den Aufstand proben - doch Thierry ist kein Revoluzzer. Er würde gerne einfach nur seinen Job machen. Als Sicherheitsbeauftragter wird er Zeuge einer ungerechten Arbeitswelt, in der es keinen Platz gibt für eine zivilisierte Begegnung von Arbeitnehmern und Arbeitgebern. Stattdessen regiert Überwachung und Misstrauen. Jeder könnte ein Dieb sein, heißt es einmal.


Kommentar auf die fatale Arbeitsmarktpolitik Hollandes

Vincent Lindon spielt diesen hilflosen Thierry mit einer erstaunlichen inneren Spannung, die ihm bereits sowohl die Goldenen Palme als auch den französischen Filmpreis César einbrachte. "Der Wert des Menschen" könnte als Kommentar auf die fatale Arbeitsmarktpolitik der sozialistischen Regierung unter Präsident François Hollande durchgehen.
Rein filmisch bleibt er allerdings unentschieden. Er kann sich nicht wirklich mit Thierry identifizieren. Es ist nie ein gutes Zeichen, wenn ein Regisseur mit seiner eigenen Hauptfigur fremdelt. So bleibt das ganze Unterfangen honorig, aber ist weit entfernt von der humanistischen Brillianz der Gebrüder Dardennes, die hier definiert kopiert werden sollten.

Der Wert des Menschen
Frankreich 2015
Regie: Stéphane Brizé
mit Vincent Lindon, Karine de Mirbeck, Matthieu Schaller
Länge: 93 Min.

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