Neu im Heimkino: „African Mirror"

Afrika als exotische Projektionsfläche

07:15 Minuten
Das Still aus dem Film "African Mirror" zeigt den Schweizer Filmemacher René Gardi.
Die Bilder des René Gardi prägten einen kolonialistischen Blick, wie der Film "African Mirror" zeigt. © tonundbild GmbH
Von Anke Leweke · 02.06.2021
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Zwar hatte die Schweiz selbst keine Kolonien, doch kolonialistisches Denken gab es auch dort. Eindrücklich zeigt das Mischa Hedinger in seiner Collage über den Filmemacher René Gardi, der das Schweizer Afrikabild entscheidend prägte.

Um was geht es?

Die Schweiz hatte nie eigene Kolonien. Das dortige Afrikabild wurde geprägt von dem Fotografen, Filmemacher und Reiseschriftsteller René Gardi (1909–2000). Aus dessen umfangreichem Filmarchiv, aus Tonbandaufnahmen, Reportagen und bisher nicht veröffentlichten Tagebucheintragungen hat Regisseur Mischa Hedinger einen aufschlussreichen Filmessay komponiert, in dem er Subsahara-Afrika als romantische und exotische Projektionsfläche thematisiert.

Was ist das Besondere?

Zu Beginn sind die Silhouetten einiger Männer zu sehen, hoch oben auf einem Felsen, im Gegenlicht. Gardi kommentiert die Szene: "Der misstrauische, scheue Wilde, der nicht näher kommen will. Man erzählt, dass es in Afrika nun kaum noch ähnliche wilde Gebiete gäbe."
Es sind weniger die Bilder als Gardis Ausführungen, die eine unbestimmte Sehnsucht nach dem Fremden und zuglich ein Gefühl weißer Überlegenheit zum Vorschein bringen. Immer wieder reproduziert Gardi Klischees vom ursprünglichen Leben, die Gewalt und die Folgen jahrzehntelanger Kolonialisierung blendet er dabei aus. Er nutzt die Einheimischen für inszenierte Arrangements, die letztlich wenig mit deren Alltag zu tun haben.
Damit er die unbekleideten Frauen in aller Ruhe filmen kann, steckt Gardi ihnen eine "Fünfer Nötli" zu. Später kritisiert er den bunten Ramsch und die Kleidung aus Europa, die nun auf den Märkten in Kamerun überall erhältlich seien und die dortige Kultur zerstörten. Dann spricht er den Schwarzen wiederum die Fähigkeit ab, überhaupt demokratische Strukturen aufbauen zu können.

Fazit

"African Mirror" legt den kolonialen Blick der Bilder Gardis offen. Nomen est omen – tatsächlich funktioniert dieser Film wie ein Spiegel. Auch öffnet er sich für Reflexionen gegenwärtiger Afrikadarstellungen.
Dennoch bleibt es bedauernswerterweise bei einer rein weißen Perspektive auf das kontroverse Material. Wirklich sehenswert wäre es, in einem weiteren Film Gardis Hinterlassenschaft durch Stimmen aus der Subsahara selbst zu reflektieren, zu dekonstruieren und zu brechen.

"African Mirror"
Regie: Mischa Hedinger
Schweiz 2019, 146 Minuten
Zu sehen im Stream auf www.sooner.de

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