Neu auf DVD: "The Friendly Beast"

Ein blutiges Kammerspiel aus Brasilien

03:41 Minuten
Ein Mann mit blutigem Oberkörper blickt in einen zersprungenen Spiegel.
Die zerstörerische Auswirkung von Macht: Szene aus dem brasilianischen Film "The Friendly Beast". © Bildstörung
Von Michael Kienzl · 12.07.2019
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In ihrem Debütfilm "The Friendly Beast" erweist sich die brasilianische Regisseurin Gabriela Almeida als Anhängerin des subversiven Horrorfilms. Ein Film wie ein Fiebertraum, meint unser Kritiker.
Ein Restaurant kurz vor der Sperrstunde. Nur noch die Angestellten und einige wenige Gäste sind anwesend. Die Köche ertragen stumm die Befehle ihres Chefs, der wiederum lächelt die Demütigungen seiner neureichen Kunden weg. Als jedoch zwei maskierte Räuber in das Lokal kommen, beginnt die Situation immer weiter zu eskalieren.

Erwartungshaltungen werden unterlaufen

Bis zum Schluss bleibt die brasilianische Regisseurin Gabriela Almeida in ihrem Debütfilm "The Friendly Beast" – das gerade beim Kölner Label Bildstörung auf DVD und Blu-ray erschienen ist – am selben Schauplatz. So gesittet das dichte Kammerspiel beginnt, so blutig endet es.
"The Friendly Beast" kann man zwar grob als Horrorfilm bezeichnen, ganz zutreffend ist es aber nicht. Denn an einem geradlinigen Genrefilm ist Almeida nur bedingt interessiert. Ein bisschen unterschätzt sie dabei auch die Dynamik klassischer Genremuster. So werden im Hinterzimmer bald Geiseln untergebracht, aber eine ernst zu nehmende Befreiungsaktion entwickelt sich aus dieser Situation nie.
Und am Ende läuft zwar alles auf ein Duell hinaus, das uns aber schließlich bewusst vorenthalten wird. Der Film bewegt sich teilweise auf einem schmalen Grat, weil er ausgetretene Pfade verlassen möchte, dabei aber zu oft die Erwartungshaltung des Zuschauers enttäuscht.

Ein sich steigernder Fiebertraum

Gelungener ist "The Friendly Beast" als sich zunehmend steigernder Fiebertraum mit einem analytischen Blick für soziale Ungerechtigkeiten. Auch andere aktuelle brasilianische Filme wie "The Nightshifter" und "Gute Manieren" – der 2018 in den deutschen Kinos lief – nutzen Horrormotive, um ein Stimmungsbild der heimischen Gesellschaft zu entwerfen.
Almeida setzt zwar keine offenenen Anspielungen oder politischen Allegorien ein, zeigt aber, wie die Spannungen unter ihren Figuren auf Ungleichheit beruhen – ob durch Klassen- oder Geschlechterunterschiede. Die zerstörerischste Wirkung im Film hat dann auch die Ausübung von Macht: Bei dem immer teuflischer vorgehenden Lokalbesitzer Inácio handelt es sich zunächst um einen unauffälligen und höflichen Jedermann, der durch grenzenlose Autorität regelrecht zum Monster mutiert.

Fressen und Gefressen werden

Auch wenn es naheliegend wäre, dass er das "freundliche Biest" aus dem Titel ist, scheint es plausibler zu sein, das Almeida damit eher jenen Zwiespalt zwischen Gutmütigkeit und Grausamkeit meint, den jeder Mensch in sich trägt.
Es dürfte kein Zufall sein, dass der Film in einem Lokal angesiedelt ist und sich die Gespräche immer wieder ums Essen drehen: Je stärker die freundliche Fassade bröckelt, desto mehr erweist sich der Mensch als Tier und der Schauplatz als Wildnis, in der er es nur noch ums Fressen und Gefressenwerden geht.
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