Netzwerk für soziale Projekte

Till Behnke im Gespräch mit Dieter Kassel · 08.12.2008
Wer wissen will, was mit seinen Spenden passiert, wird auf der Website "betterplace.org" fündig. Die Plattform bietet sozialen Projekten aus aller Welt ein Forum, sich vorzustellen und Netzwerke zu knüpfen. Dabei wird Wert auf größtmögliche Transparenz und auf direkten Kontakt mit den Projektverantwortlichen gelegt, betont der Gründer von "betterplace", Till Behnke.
Dieter Kassel: Vor ungefähr einem Jahr hat der Spendenskandal bei der Deutschen Sektion des UN-Kinderhilfswerkes UNICEF viele Menschen verunsichert, Zweifel aber hatte manch einer schon vorher. Wie viel von dem Geld, das man spendet, landet wirklich bei den Hilfsbedürftigen? Wie viel bleibt in Deutschland bei der Verwaltung? Und was wird mit dem Geld, das dann überhaupt noch übrig bleibt, eigentlich genau gemacht in den jeweiligen Zielgebieten? Nicht wenige haben über das Nachdenken über solche Fragen zwischendurch auch mal die Lust am Spenden verloren und könnten sie vielleicht wieder finden bei einem Blick auf das Internetportal "betterplace.org", dessen Gründer und Geschäftsführer Till Behnke ist jetzt bei mir im Studio. Schönen guten Morgen noch mal, Herr Behnke!

Till Behnke: Guten Morgen!

Kassel: Machen wir es mal ganz praktisch, realistische Summe. Wenn ich jetzt 100 Euro übrig habe und möchte die gerne möglichst gut abgeben, wie können Sie mir da helfen?

Behnke: Okay. Sie können im Internet unter "betterplace.org" eine ganze Fülle von Projekten finden. Derzeit sind es über 500 Projekte aus 80 Ländern. Und Sie können diese ganzen Projekte sortieren nach regionaler Herkunft und nach thematischer Relevanz. Das heißt, wenn Sie jetzt gerne ein Bildungsprojekt in Kenia unterstützen möchten, dann können Sie genau danach suchen. Sie können aber auch nach einem Kindergarten hier in Berlin suchen und dann so ein Projekt finden, eine multimediale Beschreibung. Sie sehen Bilder, Sie sehen Texte, Sie sehen, wer unterstützt dieses Projekt schon und unabhängige Berichte von anderen Nutzern. Und dann können Sie entscheiden, ob Sie Geld spenden, ob Sie Sachen spenden oder ob Sie freiwillig mitarbeiten wollen, wenn das denn gefragt ist.

Kassel: Das können natürlich mir andere Organisationen, wenn sie einen guten Programmierer haben und schon so ein bisschen im Multimediazeitalter angekommen sind, auch machen, dass ich nicht nur Prospekte habe, sondern das Bild auch drehen kann und vielleicht ein kleines Videofilmchen. Warum ist "betterplace" so was Neues?

Behnke: Na ja, uns geht es vor allem um die ganzen sehr kleinen und mittelgroßen Initiativen und Vereine, die zum Teil gar nicht die Möglichkeit haben, selbst Internet-Infrastruktur aufzubauen und vor allem Online-Spenden entgegenzunehmen. Und denen bieten wir die Möglichkeit, unsere technische Infrastruktur zu nutzen und so ein Gesicht zu bekommen und auf unserem Marktplatz dann auch eine große Zahl von potenziellen Unterstützern zu erreichen.

Kassel: Nun habe ich schon erwähnt, dass viele Leute, die gerne spenden wollen, die vielleicht auch noch ein bisschen Geld übrig haben, es müssen ja auch keine Tausende sein, ich habe jetzt mal 100 Euro als Beispiel gewählt, man kann auch mit noch weniger anfangen, wenn man will, viele sagen sich, na ja, aber nach dem, was ich alles gehört habe, UNICEF galt immer als so wahnsinnig seriös, ist es hoffentlich inzwischen auch wieder, aber es gab da zum Beispiel diesen Skandal. Es gibt immer wieder Berichte über enorme Verwaltungskosten bei seriösen, großen Hilfsorganisationen. Wie kann ich mir jetzt bei den Sachen, die ich auf Ihrer Seite im Internet finde, sicher sein, dass ich da nicht auch wieder Geld spende, von dem kaum was ankommt?

Behnke: Da hilft einfach die Transparenz und der direkte Kontakt. Bei uns ist jedes Projekt dargestellt und es gibt einen Projektverantwortlichen, der ist Ansprechpartner, der ist mit seinem Bild da, der beantwortet öffentliche Fragen. Und Sie können nicht nur die Projektverantwortlichen befragen, sondern auch andere Nutzer, zum Beispiel Projektbesucher, Menschen, die die Projekte kennen und mit Vertrauen für die Projekte auch bürgen.

Kassel: Es gibt "betterplace" so ein gutes Jahr ungefähr. Machen wir mal beide Seiten hintereinander, bleiben wir bei der Seite der Spendenden, man muss sich ja, man muss, glaube ich, nicht, aber viele tun das, sogar richtig anmelden, da entsteht auch eine Community, das heißt, Sie haben einen gewissen Einblick in die Nutzer auch. Was für Menschen sind das, die bei Ihnen spenden?

Behnke: Es ist deutlich jünger als der durchschnittliche Spender, der jetzt über 60 ist inzwischen und das steigt weiter. Und da sehen wir eben, man muss neue Kanäle anbieten, man muss diese Transparenz auch anbieten, um jüngere Menschen dazu zu bewegen, sich zu engagieren. Und es geht ja bei uns ja auch nicht nur ums Spenden, gerade die freiwillige Mitarbeit ist was, was noch viel greifbarer oft ist und wofür sich Leute begeistern lassen, wenn sie erst mal direkt in Kontakt kommen mit den Themen, mit den Menschen, die hinter solchen Projekten stecken. Und da ist eben eine abstrakte Organisation, die weltweit tätig ist, kann gar nicht diese Transparenz leisten.

Kassel: Was sind es denn, jetzt gehen wir auf die andere Seite, für Projekte und für Projektmacher, egal ob Einzelpersonen oder kleinere Organisationen, die bei Ihnen Spenden einsammeln wollen, die bei Ihnen Ihr Projekt vorstellen?

Behnke: Es sind wie gesagt nicht nur die ganz Kleinen. Von den großen Hilfsorganisationen, würde ich sagen, fünf der großen zehn aus Deutschland nutzen auch unsere Plattform, um Spenden einzuwerben. Der Großteil der Projekte aber sind kleinere Vereine hier in Deutschland oder auch ganz kleine Initiativen aus aller Welt, die sich präsentieren und die dann von unserer Community besucht werden, über die geschrieben wird und wo sich Netzwerke, Vertrauensnetzwerke um die Projekte bilden.

Kassel: Wir reden im Deutschlandradio Kultur mit Till Behnke. Er ist der Geschäftsführer und war auch der Gründer von "betterplace.org", einer Seite im Internet, wo man für Projekte spenden kann, die man dort auch relativ genau sieht. Es gibt natürlich, Herr Behnke, Sie wissen das, auch Kritik an diesem Modell. Es gab am Wochenende einen großen Artikel in der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung". Den will ich gar nicht ausführlich zitieren. Ich nehme einfach mal folgendes Beispiel. Ich gehe jetzt nach Uganda, gehe da in ein abgelegenes Dorf, baue mir da eigentlich eine ganz hübsche Villa in einer Gegend, wo es wettertechnisch noch auszuhalten ist, aber dann komme ich zu "betterplace" und sage, an sich habe ich da einen fantastisches Hilfsprojekt. Und zwei Leute, die mit mir in dem Haus wohnen, melden sich auch bei Ihnen an und bestätigen, Sie kennen mich eigentlich gar nicht, haben mich aber besucht und bestätigen, ich habe ein fantastisches Hilfsprojekt. Und dann wird gespendet. Und davon kann ich mein privates Haus vergrößern. Im Prinzip käme man damit durch, oder?

Behnke: Nein, genau an solche Projekte wird bei uns nicht gespendet, weil ich kenne weder Sie noch die anderen zwei, die dann mit Bildern und Text für Vertrauen sorgen sollen. Aber es geht bei "betterplace" um die persönlichen Beziehungen, um persönliche Menschen, die man kennt und genau die Projekte, die viele Fürsprecher haben, aber allesamt unbekannt sind, die bekommen gar keine Unterstützung auf unserer Plattform. Das heißt, wir empfehlen den Menschen, die neu bei "betterplace" sich anmelden, entweder an bekannte Organisationen zu spenden oder eben an kleine Projekte, wo sie aber einen persönlichen Kontakt zu haben.

Kassel: Ja, aber was ist, wenn ich jetzt wirklich das gut nachweise? Würden Sie dann einfach nur, auch wenn es ja sein könnte, dass ich da fantastische Dinge tue in Uganda, einfach nur aufgrund des Verdachts, es könnte nicht stimmen, mich grundsätzlich sperren?

Behnke: Das können wir, das tun wir aber erst, wenn wirklich Nutzer unserer Community sich aufmachen, die Projekte besuchen und wir dann negative Berichte über die Projekte bekommen, negative Bewertungen. Und im Regelfall versinkt dann das Projekt schon in der Masse der vielen Projekte auf unserer Plattform. Wenn es wirklich Verdacht auf Missbrauch gibt, dann überprüfen wir das natürlich und entfernen die Projekte.

Kassel: Masse der Projekte ist auch so eine Geschichte. Ich kann, Sie haben es ja erwähnt, natürlich zum Beispiel geografisch auswählen. Ich kann sagen, weil wir reden natürlich ganz schnell über Afrika oder Asien, ich kann natürlich auch für Düsseldorf spenden oder, Düsseldorf gibt es wirklich, ich könnte auch für Göttingen spenden, da bin ich mir grad nicht sicher, ob es da gerade aktuell was gibt, aber es wäre denkbar, und ich kann natürlich bei Ihnen zum Beispiel Länder auswählen. Aber wenn ich das nicht tue, das kann man ja machen auf Ihrer Seite, einfach nur auf "Projekte" klicken, wie wird es dann sortiert? Ist es das ein bisschen so bei Suchmaschinen bei eBay, dass ich dann die Projekte sehe, die die meisten Leute interessant fanden oder wie sortieren Sie das?

Behnke: Genau. Das sind alles Algorithmen. Wir versuchen, so wenig wie möglich da einzugreifen und bestimmte Themen zu promoten, sondern die Projekte, die besonders gut bewertet werden, die besonders interessant sind, die kommen nach oben. Und natürlich haben wir Mechanismen, um die Projektverantwortlichen zu belohnen. Wer sein Projekt ständig updatet, wer Fortschrittsberichte hoch lädt, der erscheint auch prominenter auf unserer Seite und wird öfter gefunden.

Kassel: Es ist natürlich die Frage, Sie haben ja beschrieben, im Vergleich zu dem normalen Spender, der jetzt über Überweisungsträger an die großen bekannten Organisationen Geld abgibt, sind Ihre Nutzer jünger. Und ich finde, das wirkt sich auch so ein bisschen aus. Ich habe zum Beispiel genau das gemacht, einfach nur auf "Projekte" geklickt und gar nichts weiter ausgewählt und dann kommt zum Beispiel aktuelle eine Schule für Comedy und Pantomimik in Nicaragua, ein Tierheim in Marbella, wobei da noch kaum gespendet wurde, muss man dazu sagen, ein Projekt, das Elefantenwaisen in Kenia aufzieht, ein unabhängiges Ausbildungszentrum für Fernsehjournalisten in Kamerun. Das sind alles interessante Projekte, aber ich frage mich, ob das nicht auch das Problem ist. Das klingt für mich alles, was Hilfsarbeit angeht, ziemlich cool, aber auch nicht so nach dem Notwendigsten.

Behnke: Man muss dazu sagen, die Hälfte der Leute kommen nur über unsere Startseite rein und sind dann erst mal vor dieser Masse an Projekten und müssen sich was aussuchen. Die andere Hälfte wird direkt von den Projekten eingeladen. Und das sind gerade diese kleinen Projekte, ich selbst habe als Beispiel in Südafrika gelebt zwei Jahre, habe selbst dort an Projekten mitgearbeitet und das war mit ein Grund, diese Plattform zu kreieren, dass ich dann, als ich zurück in Deutschland war, keinerlei Möglichkeit hatte, diese kleinen Projekte weiter zu unterstützen. Über "betterplace" sind jetzt die kleinen Projekte in Township, in Kapstadt, Freunde von mir, die dort arbeiten, in der Lage, Fotos hoch zu laden, über die Projekte zu berichten. Und immer, wenn die ganz was Konkretes brauchen, eine Wasseraufbereitungsanlage zum Beispiel, die 1000 Euro kostet, dann werde ich automatisch informiert darüber und ich lade dann mein Netzwerk, meinen Freundeskreis, mit dem ich ja auch im Internet vernetzt bin, per Knopfdruck ein. Und viele von uns geben dann einen kleinen Betrag und somit kommt das Große zusammen. Mein Bekanntenkreis ist dabei, kennt das Projekt nicht unbedingt, die kennen aber mich. Und die kommen nicht auf unsere Startseite und sind dann erschlagen von 500 Projekten aus aller Welt, sondern die werden ganz gezielt auf eine Projektseite eingeladen, die sehen dort mein Gesicht, die sehen dort den Projektfortschritt und haben einen Grund, so was zu unterstützen.

Kassel: Ich wollte auch gar nicht anzweifeln, dass all die Projekte, die ich genannt habe, nicht seriös wären, dass es die nicht gibt oder dass sie das Geld nicht verdient haben. Was ich nicht dazu gesagt habe, das sieht man ja auch auf Ihrer Seite, der Stand der Finanzierung ist unterschiedlich, was natürlich an Zeiträumen, aber auch Interesse liegt. Ich frage mich nur, ob da nicht eine Kultur entsteht, in der nicht mehr nach Bedürftigkeit geholfen wird, sondern nach Hipheit und Coolheit des Projektes, weil das sind ja alles Sachen, wo man sagen kann, es ist ja auch noch originell?

Behnke: Ja, aber die wenigsten Leute belohnen Originalität bei dem Thema. Es ist aber wichtig, einfach das ganze Spektrum abzudecken. Das ist genauso wie auf "YouTube", wo Sie Millionen von Videos finden und dann trotzdem aber eine Chance haben, durch Suchmechanismen die Themen zu finden, die Videos, die Sie relevant finden. So ist das auch bei unseren Projekten und das ist einfach auch gut, dass die Leute unterschiedliche Themen unterstützen wollen. Und so vielfältig, wie die Projekte auf unserer Seite, so vielfältig sind auch die Interessen der Unterstützer. Und wichtig ist, dass wir eben eine kritische Masse aufbauen, sodass man wirklich zu jedem Thema und zu jeder Region der Welt auch was findet, weil dann macht so ein Marktplatz am meisten Sinn.

Kassel: Nun gibt es natürlich einige der großen Spendenorganisationen, nicht alle, viele arbeiten ja auch mit Ihnen zusammen, aber einige sagen, na ja, was man im Internet immer glaubt, dass die Masse recht hat und dass der normale User wunderbar beurteilen kann, was zum Beispiel in Südafrika gefragt ist oder Ostafrika. Das stimmt gar nicht. Eine große Organisation, die Fachleute hat, die den Markt auch beobachten, die können viel besser einschätzen, wo das Geld richtig verwendet werden kann. Ist das nur das Nörgeln der Zukurzgekommenen oder ist da auch was dran?

Behnke: Nein, man muss schon sehen, dass diese Qualitätsmechanismen, dass man die kombinieren muss. Wir haben sowohl, zeigen wir bei den Projekten an, ob dritte Organisationen evaluiert wurden, ob die Projekte regelmäßig besucht werden, ob die vom Finanzamt als gemeinnützig anerkannt sind. So was zeigen wir an. Aber wenn wir jetzt zu den ganz kleinen Projekten kommen, gibt es eben keine Möglichkeit, diese wieder durch Dritte evaluieren zu lassen. Und da ist das Einzige, was funktioniert, eben das Vertrauen zwischen den Menschen, und das bilden wir ab. Das heißt, jeder, der bei uns reinkommt, kann auch sich ein Projekt aussuchen, wo das Logo der Hilfsorganisation ihm bekannt ist und er dort Vertrauen hat.

Kassel: Eine neue Variante zu spenden. Ob es eine bessere ist, können Sie selber entscheiden. Gucken Sie sich das an im Internet. "betterplace.org" heißt dieses Portal, Till Behnke hat es gegründet und ist inzwischen Geschäftsführer. Ich danke Ihnen, dass Sie bei uns waren!