Netz-Hetze gegen Richard Gutjahr

Verstehen die klassischen Medienhäuser die Netzkultur nicht?

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Portrait des Journalisten Richard Gutjahr im Profil, auf dem "Campfire 2018"– Festival für Journalismus und digitale Zukunft, in Düsseldorf.
Richard Gutjahr sieht sich vom BR im Stich gelassen, der Sender widerspricht. © picture alliance / Sven Simon
Dennis Horn im Gespräch mit Nicole Dittmer · 02.01.2020
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Der Journalist Richard Gutjahr erhebt schwere Vorwürfe gegen den Bayerischen Rundfunk: Dieser habe ihn als Opfer von Hetze im Netz nicht ausreichend unterstützt. Dennis Horn sieht das Problem darin, dass soziale Medien in Medienhäusern nicht in der vollen Tragweite wahrgenommen werden.
Im Juli 2016 macht der Journalist Richard Gutjahr mit seiner Familie Urlaub in Nizza, als ein islamistischer Attentäter mit einem LKW durch eine Menschenmenge an der Strandpromenade rast. Gutjahr berichtet darüber für die ARD. Eine Woche später ist Gutjahr in der Nähe, als in München ein 18-jähriger Amokläufer in einem Einkaufszentrum neun Menschen erschießt. Und dann ist Gutjahr auch noch mit einer Israelin verheiratet.
Das sind mehr Zufälle, als ein Verschwörungstheoretiker verkraften kann, und so sieht sich Gutjahr seitdem im Netz wirren antisemitischen Verleumdungen, aber auch Morddrohungen und Beschimpfungen ausgesetzt. Jetzt beklagt der Journalist in einem offenen Brief, dass er in seinem Kampf gegen diese Hetze von seinem Sender, dem Bayerischen Rundfunk, nicht ausreichend unterstützt worden sei. Dort war Gutjahr 22 Jahre lang fester freier Mitarbeiter, jetzt haben sich Autor und Rundfunkanstalt getrennt.

"Sie verstehen und fühlen diesen Umbruch nicht"

Der Journalist Dennis Horn kann Gutjahrs Verbitterung nachvollziehen. Für ihn liegt das Problem darin, dass der virtuelle Raum von vielen als kultureller Faktor nicht ernst genommen werde, auch in den Medienhäusern:
"Ich habe schon das Gefühl, dass die Entscheider wissen, dass dort ein massiver Umbruch stattfindet, aber sie verstehen und fühlen diesen Umbruch nicht."
So schafften es in einem Land von gut 80 Millionen Menschen einige wenige, den Diskurs in den Kommentarspalten zu bestimmen. Und manche Medien gingen damit so unbedarft um, dass es diesen wenigen auch noch gelinge, den Diskurs über die Kommentarspalten hinauszutragen. "Das heißt, wir haben eine gewaltige Relevanzverschiebung", so Horn. "Und dafür sind nicht nur die verantwortlich, die vor allem aus dem rechten Lager es schaffen, dort Spitzen zu setzen im Netz, sondern auch Medienhäuser und zum Teil auch konservative Politiker, die diese Dynamiken unfreiwillig und unbewusst mitgehen."
Also Konsequenz fordert Horn eine Klärung der Fragen, wer in den Medienhäusern Programmentscheidungen für den digitalen Raum treffe und welche Kenntnisse dafür die Voraussetzung sein müssten.

Götz Aly fordert Ende anonymer Veröffentlichungen im Netz

Der Historiker und Publizist Götz Aly dagegen sieht das Hauptproblem in der Anonymität des Internets und fordert bei Veröffentlichungen im Netz volle Transparenz inklusive Klarnamen: "Es ist einer demokratischen Gesellschaft nicht würdig, dass die Leute aus dem Dunkeln heraus Dreck verbreiten", betont er. "Da können die Datenschützer und sonst wer schreien, so viel sie wollen, es geht so nicht weiter."

Das gesamte Gespräch mit Götz Aly können Sie hier nachhören:
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(uko)
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