Netflix-Serie "Sense8"

Telepathische Reise um die Welt

Eine Seite der Videostreaming-Firma Netflix ist auf einem Laptop-Bildschirm zu sehen.
Will mit neuer Fantasy-Serie punkten: der Videostreaming-Dienst Netflix © dpa / Bernd Von Jutrczenka
Von Michael Meyer · 30.05.2015
Anfang Juni startet die neue Netflix-Serie "Sense8". Sie handelt von acht jungen Menschen an verschiedenen Orten der Welt, die plötzlich telepathisch miteinander verbunden sind. "Zu glatt, zu geleckt, zu geschliffen", findet Michael Meyer.
Was wäre, wenn man in der Haut eines anderen stecken würde? Was wäre, wenn man das sehen könnte, was der oder die andere sieht, fühlt, erlebt? Dieser Menschheitstraum ist ein ganz altes Sujet, das immer wieder in der Kino- und Literaturgeschichte auftaucht – im Krimi, in Fantasygeschichten, oft auch symbolisiert durch einen Doppelgänger.
"Sense8" erzählt die Geschichte von acht jungen Menschen etwa zwischen 25 und 30 Jahren alt. Sie alle sind, plötzlich und unerwartet, telepathisch miteinander verbunden. Es sind: Will, ein engagierter Cop aus Chicago, Riley, eine strohblonde DJane aus Island, Capheus, ein mitfühlender Busfahrer in Nairobi, Sun, eine Geschäftsfrau und Hobby-Martial-Arts-Kämpferin in Seoul, Lito, ein Soap-Schauspieler in Mexico City, Kala, ein Wissenschaftler aus Mumbai, Wolfgang, ein Safe-Knacker aus Berlin und schließlich Nomi, eine Trans-Frau, die als Hacker arbeitet und in einer lesbischen Beziehung lebt.
Man denkt bei der Geschichte unwillkürlich an die schon 1929 entwickelte Theorie der "Six Degrees of Separation", nach der jeder Mensch auf der Erde in sechs Schritten oder weniger miteinander verwandt oder befreundet ist. Nun gut, hier sind es acht Figuren, aber dennoch.
"I am losing my mind......no! Its just expanding."
Daryl Hannah als Bindeglied zwischen den Figuren
Auch wenn immer alle acht Charaktere auftauchen, so liegt der Fokus in jeder Episode auf einer der Figuren, bevor sich am Schluss der ersten Staffel die Ereignisse verdichten und sich die Spannung deutlich erhöht. Als Bindeglied zwischen den acht fungiert eine blonde Frau im weißen Kleid, gespielt von Daryl Hannah. Sie taucht überall auf:
"It was the same woman of my dreams, I am sure of it... You gotta stop watching all those cop shows, they will mess you up...I feel like I know her I just don't know from where... maybe someone from your criminal past."
Was die Serie zuweilen etwas zäh macht, ist der lange Bogen, den sie in den ersten Episoden spannt, bevor man Näheres zu der telepathischen Verbindung der einzelnen Personen erfährt. Im Verlauf der Handlung verbünden sich die acht Figuren und sprechen dann auch direkt miteinander, über tausende Kilometer Entfernung. Ohne zu viel zu verraten: Später taucht ein Mann namens Jonas auf, der alle zusammenbringen will. Sein geheimnisvoller Gegenspieler heißt Mr.Whispers, der die acht liquidieren will. Doch die wehren sich.
"We have seven other selves now.....we can access each other knowledge....language, skills."
Eine Serie, die den globalen Anspruch von Netflix symbolisiert
Die Geschichte ist schon fantastisch im mystischen Sinne – man muss aufmerksam hingucken, um sich nicht in all den Details zu verlieren. Unterschwellig werden hier Aspekte von Rasse, Religion, Gender, Sexualität und Identität verhandelt. "Sense8" ist in jedem Fall eine Serie, die den globalen Anspruch von Netflix geradezu symbolisiert. Die Wachowski-Geschwister haben diese Interpretation zwar zurückgewiesen, denn das Konzept der Serie wurde bereits vor sechs Jahren begonnen. Und doch: Man kommt nicht umhin, "Sense8" als etwas zu glatt, zu geleckt, zu geschliffen zu sehen.
Das beginnt schon bei der Auswahl der Schauspieler: Die telepathisch verbundenen Figuren sehen ausnahmslos alle blendend aus. Der Mexikaner Miguel Angel Silvestre etwa hat in seinem Heimatland geradezu Brad-Pitt-artigen Sex-Appeal und Bekanntheitsstatus. Auch die Orte, an denen die Handlung spielt, sollen gefälligst dem globalen Publikum erinnerungsfest eingetrichtert werden: Panzer-Knacker Wolfgang, gespielt von Max Riemelt, raubt vor der Kulisse des hell erleuchteten Berliner Doms einen Safe aus, der Soap-Schauspieler Lito speist und streitet sich in einem Restaurant mit traumhaften Blick auf den Zocalo von Mexiko City mit seinem Regisseur, den ihn wegen seiner Freundin zur Rede stellt.
"If I were a girl, I'd also love to fuck you....I wanna know one thing and then you will never see me again..is she happy? Yes, she told me shes never been happier..."
Tom Tykwer hat in einer der Episoden Regie geführt und die treibende Musik mitkomponiert – die Wachowskis hatten sich zusammen mit Tykwer in "Cloud Atlas" schon 2012 einer ähnlich komplexen Geschichte mit mehreren Spielorten angenommen. "Cloud Atlas" war damals gefloppt – die Frage ist, ob es mit "Sense8" wieder so kommt. Ein Problem hat die Serie unübersehbar: Da alle acht Figuren mehr oder weniger gleichberechtigt nebeneinander stehen, hat man als Zuschauer Schwierigkeiten, an einer Figur dranzubleiben.
Wie man aus dem Stoff fünf Staffeln machen will, wie von den Wachowskis angedacht, bleibt allerdings ebenso rätselhaft wie mancher Aspekt der Geschichte, aber erstmal muss ja die erste Staffel erfolgreich sein. Einmal um die ganze Welt – in "Sense8" ist das nicht nur möglich, sondern Idee des Ganzen.
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