Netflix-Doku-Serie "Five Came Back"

Als Hollywood in den Zweiten Weltkrieg zog

Die Pariser Bevölkerung begrüßt im August 1944 die US-amerikanischen Truppen nach der Befreiung der Stadt von der deutschen Besatzung.
Die Pariser Bevölkerung begrüßt im August 1944 die US-amerikanischen Truppen nach der Befreiung der Stadt. © picture-alliance / dpa
Von Harwig Tegeler · 10.04.2017
An der "Front der Realität"? Die Netflix-Doku-Serie "Five Came Back" schildert den Einsatz von US-Filmemachern, die während des Zweiten Weltkriegs zu Propaganda-Filmern ihrer Armee wurden. Steven Spielberg, Francis Ford Coppola und andere reflektieren die Arbeit der "Altvorderen".
Eine riesige Bühne, Kontinente, eine große Story, große Helden und große Bösewichte. Mit anderen Worten, für einen Spielfilm-Regisseur wie John Ford, George Stevens, John Huston, William Wyler oder Frank Capra schienen die Voraussetzungen blendend. Und dann war das Ganze, wie Frank Capra später erzählte, so real: Nicht Schauspieler, ganz real.
Capra steckte noch der Schock in den Knochen von diesem Kinobesuch, damals in den 1930ern in New York, als er "Triumph des Willens" gesehen hatte. Leni Riefenstahls Film über den NSDAP-Parteitag. Der Hollywood-Erfolgsregisseur war erschrocken über die Perfektion dieser Art von filmischer Propaganda. Denn wie, fragt sich Capra, können wir das übertreffen.
"I was a really unhappy man. How can we possibly top this?"

Der echte Krieg

So bedeutete der US-Propaganda-Feldzug als Antwort auf die Nazi-Propaganda-Maschine, der nach Pearl-Harbor begann, für Capra und seine Kollegen, die nun in den Dienst der Army traten, völliges Neuland. Die Meister des Fiktionalen - Frank Capra hatte noch zwei Jahre zuvor die Gesellschaftssatire "Mr. Smith geht nach Washington" mit James Stewart ab gedreht -, diese Meister des Fiktionalen standen nun sie an der "Front der Realität".
Die dreiteilige Netflix-Doku-Serie "Five Came Back", in der Steven Spielberg, Lawrence Kasdan, Francis Ford Coppola, Guillermo del Toro und Paul Greengrass als Erzähler fungieren, schildert die Arbeit ihrer Filmemacher-"Altvorderen" in der Rolle als Propaganda-Filmer der Armee. Das Ziel war klar, wie Frank Capra meinte: Rekruten für den Krieg gewinnen und ihnen einen Glauben vermitteln:
"Give the boys a reason to fight and don´t lie. If they don´t believe it, we´re dead."
Wenn sie nicht an das, was sie tun, glauben, sind wir tot. So Capra. Die einen arbeiteten dann in Hollywood mit dem Doku-Material, das sie von den Schlachtfeldern bekamen. Die anderen - wie Ford, Stevens oder Wyler - filmten auf dem pazifischen Kriegsschauplatz oder zogen mit den Alliierten Richtung Berlin. Und die Kamera lief und lief und lief. In der Realität, nicht in einem wohltemperierten Studio.
"Diese Filmemacher kamen mit Material zurück, das die Wahrheit dieses Krieges zeigte. Und hatten sich für immer verändert."
Sagt Steven Spielberg über die fünf, die in den Krieg zogen. Eindrucksvoll macht die Miniserie "Five Came Back" aber auch deutlich, wie den angeheuerten Propagandafilm-Regisseuren das Propagandistische immer wieder aus den Händen glitt. Und zwar immer dann, wenn sie in der Kriegs-Realität mit ihrer Leidenschaft konfrontiert waren, die Wahrheit mit der Kamera darzustellen. Was im Übrigen immer wieder zu Konflikten mit der Militär-Administration führte.

Bilder des Grauens

Beispiel John Ford: Als Chef der Field Photograph Branch der US-Marine dokumentierte er 1942 "Die Schlacht um Midway". Der Film kam ins Kino und war ein Riesenerfolg. Ein Jahr später, 1943, filmte Ford dann, wie auch George Stevens, die Invasion der Alliierten in der Normandie. Es war das große Schlachten. 4000 tote alliierte Soldaten allein am ersten Tag. D-Day.
Die Bilder, die Fords und Stevens Kameraleute aufzeichneten, waren so grausam und brutal, dass sie jahrelang unter Verschluss gehalten wurden. Danach betrank sich Ford drei Tage lang und quittierte anschließend den Dienst. George Stevens hingegen, vor dem Krieg in Hollywood Fachmann für leichte Komödien-Stoffe, begleitete nach der Invasion den gesamten Vormarsch der Alliierten. Stevens Kameraeinheit gelangte auch zum KZ Dachau. Heute ist es schwer vorstellbar, was für die US-Soldaten damals die Befreiung eines Konzentrationslagers bedeutete. Sie erwarteten Gefängnisse und fanden Todesfabriken vor.

Die Befreiung von Dachau

Das stärkste Gefühl meines Lebens war das Entsetzen, Dinge anzusehen, von denen ich niemals gedacht hätte, dass sie Teil der menschlichen Existenz sein könnten, nämlich die Gewalt und die Boshaftigkeit in den Konzentrationslagern. Erinnerte sich Georges Stevens später.
In Dachau wurde dem Filmemacher dann klar, dass er nun keine Propaganda mehr machen würde, sondern Beweise sammeln. Das Material, das seine Einheit über das KZ drehte, wurde dann beim Nürnberger Kriegsverbrechertribunal gezeigt. Einer der bewegendsten Momente in diesem großartigen wie historischen spannenden, informativen wie nachdenklichen Doku-Dreiteiler "Five Came Back" ist aber die Sequenz, wenn die Männer aus der George Stevens´ Film-Einheit zu sehen sind, wie ihnen die sterbenden KZ-Häftlinge nach der Befreiung ihre Abschiedsbriefe diktieren. Tagelang drehten die Film-Soldaten nicht, sondern schrieben auf. George Stevens sollte nach dem Krieg nie wieder leichte Komödien drehen.
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