Neskovic fordert Stärkung der Bundespolizei

Wolfgang Neskovic im Gespräch mit Marietta Schwarz · 04.11.2010
Der Justitiar der Partei "Die Linke", Wolfgang Neskovic, hat eine Stärkung der Bundespolizei bei der Kontrolle von Luftfracht gefordert. Das Mitglied des Parlamentarischen Kontrollgremiums sagte, eine Zersplitterung der Zuständigkeiten sei nicht tragfähig.
Marietta Schwarz: Die Paketbombenfunde in England und Dubai haben ein großes Leck im Sicherheitssystem aufgedeckt: Im Gegensatz zur Personenkontrolle an jedem Flughafen fällt die Überprüfung der Fracht anscheinend eher dürftig aus. Experten haben diese Gefahr schon länger erkannt, doch die Frage ist: Wie kann man Millionen Pakete besser überprüfen, und ist die Bundesregierung mit der Gefahr bisher zu lax umgegangen? Heute beschäftigt sich auch das parlamentarische Kontrollgremium mit diesem Thema, dazu mehr von Mario Dobovisek.

Und eines der Mitglieder dieses Gremiums ist Wolfgang Neskovic, der stellvertretende Fraktionschef der Linken. Guten Morgen!

Wolfgang Neskovic: Schönen guten Morgen!

Schwarz: Fühlen Sie sich denn auch, wie andere Parlamentarier, zu spät, zu schlecht informiert von der Bundesregierung?

Neskovic: Also ich glaube, in erster Linie ist es wichtig, dass die Öffentlichkeit richtig informiert wird. Wir sind ja eigentlich nur eine Durchgangsstation, und Sie wissen, alles das, was wir in diesem Gremium erfahren, dürfen wir nicht nach außen transportieren, das heißt, entscheidend ist – und das ist auch eine Aufgabe des Gremiums, auch sicherzustellen –, dass die Informationen, die für die öffentliche Diskussion bedeutsam sind, auch von der Bundesregierung in die Öffentlichkeit gebracht werden.

Schwarz: Mit welchem Anliegen, mit welcher konkreten Forderung gehen Sie denn heute in dieses Treffen?

Neskovic: Ja, also wenn man feststellen muss, dass Sprengstofffunde in Luftfrachtpaketen bisher unzureichend kontrolliert worden sind, dann ist, glaube ich, klar, dass alles das, was wir bisher dazu mitgeteilt bekommen haben öffentlich, doch große Sicherheitslücken offenbart. Wir wissen: Eine Kette ist nur so stark wie das schwächste Glied. Und es macht glaube ich wenig Sinn, wenn wir sehr umfangreiche Kontrollen bei Personen haben und bei dem Handgepäck und auch bei dem Personengepäck, aber dass bei dem Gepäck, das im gleichen Flugzeug mitfliegt, das eine Luftfracht darstellt, also nur praktisch zertifizierte Sicherheitskontrollen stattfinden – das heißt also, es wird, so schätzen Experten, nur jedes zehnte Paket tatsächlich kontrolliert –, dann ist das nicht haltbar Es muss so sein, dass auch die Zersplitterung der Zuständigkeiten, die wir haben, dass die Personenkontrolle von der oder unter der Aufsicht der Bundespolizei stattfindet, während die Luftfrachtkontrolle eben von den Fluggesellschaften selbst vorgenommen wird. Das halte ich für nicht tragfähig.

Schwarz: Das heißt, wer muss in Zukunft die Sicherheit des Frachtverkehrs garantieren?

Neskovic: Also die Kontrolle sämtlicher Fracht auf den Flughäfen muss in einer Hand liegen, und ich glaube, nur die Bundespolizei hat dazu die Expertise und auch das ausgebildete Personal. Wir haben ja auch schon im Bereich der Personenkontrolle so den Griff in die juristische Trickkiste: Wir wissen aus einer Anfrage, die die Linksfraktion zu diesem Thema an die Bundesregierung gestellt hat, dass von gut 7000 Personen, die in diesem Bereich tätig sind, 6260 Personen als Luftsicherheitsassistenten bezeichnet werden, das sind also private Unternehmen, die unter der Aufsicht der Bundespolizei die Sicherheitskontollen vornehmen, die sehr, sehr wenig Geld verdienen, das ist per se schon ein Sicherheitsrisiko.

Und dann gibt es eben die Luftfrachtkontrolle, die eben über ein Zertifizierungsverfahren läuft. Man muss sich vorstellen: Nach einer entsprechenden Verordnung der Europäischen Union ist es eigentlich nur so, dass vom Versender bestimmte Erklärungen verlangt werden, zum Beispiel, dass er die Sendung in sicheren Betriebsräumen vorbereitet, zuverlässiges Personal hat und auch schriftlich zu versichern, dass die Sendung keine verbotenen Gegenstände hat. Das muss man sich einfach mal vorstellen, dass auf eine solche Fiktion die Sicherheit der Menschen in einem Passagierflugzeug beruht.

Schwarz: Können wir uns denn dann Stellenstreichungen, etwa bei der Bundespolizei, leisten?

Neskovic: Nein, das können wir uns nicht leisten. Es gibt hier einen Bereich, wo wirklich effektiv Sicherheit tatsächlich zu gewährleisten ist, und wir hören zurzeit, auch insbesondere natürlich von den Frachtunternehmen, dass das zu teuer sei. Das halte ich für überhaupt nicht tragfähig. Wir können nicht um das goldene Kalb Profit tanzen, das tun zurzeit die Sicherheitsunternehmen. Wenn es um die Sicherheit von Menschen geht, dann kann das nicht unter Finanzierungsvorbehalt gestellt werden.

Schwarz: Die Frage ist ja immer: Was ist im rechtsstaatlichen Kampf gegen den Terrorismus erlaubt, und wo sind die Grenzen? Niedersachsens Innenminister Schünemann bringt jetzt wieder eine Verfassungsänderung ins Spiel, die den Abschuss von Flugzeugen im Bedrohungsfall erlauben würde. Ich schätze, das gefällt Ihnen nicht?

Neskovic: Nein, das ist eindeutig verfassungswidrig. Also Herr Schünemann, der ja auch in seiner Eigenschaft als Innenminister auch gleichzeitig Chef des Verfassungsschutzes ist, hat alle Veranlassung, also sich selbst unter Beobachtung zu stellen. Das Bundesverfassungsgericht hat ganz unmissverständlich erklärt, dass Artikel 1 also einem solchen Vorhaben zwingend entgegensteht, das ist also die wichtigste Vorschrift unseres Grundgesetzes, die kann auch nicht verändert werden, das ergibt sich aus Artikel 79, Absatz 3. Das sollte eigentlich Herr Schünemann wissen, und er sollte die Öffentlichkeit ständig nicht mit so einem Unfug verunsichern.

Schwarz: Die Polizeigewerkschaft fordert jetzt den Aufbau einer europäischen Luftsicherheitsbehörde. Würde uns das denn weiterhelfen?

Neskovic: Sicherlich wäre das hilfreich, man muss allerdings gucken, ob also mehr Bürokratie wirklich mehr effektive Sicherheit gewährleistet. Ich glaube, die Bundespolizei ist die richtige Institution mit ihrem Know-how, es ist allerdings so, dass eben zurzeit über diesen Trick des Bedienen … Man sagt, dass zwar die Luftsicherheit eine ordentliche Aufgabe ist, aber man sagt, ich gebe das an Private weiter, die nehmen dann als Private diese öffentliche Aufgabe wahr. Diese Fiktion ist auch wenig hilfreich. Es muss in die Hände der Polizei, die ist dafür ausgebildet, die werden auch ausreichend bezahlt, zumindest im Verhältnis zu den Personen, die von den privaten Sicherheitsunternehmen an den Flughäfen tätig sind.

Schwarz: Wolfgang Neskovic, stellvertretender Fraktionsvorsitzender der Linken und Mitglied des parlamentarischen Kontrollgremiums. Danke Ihnen für das Gespräch!

Neskovic: Ja, vielen Dank!