"Nebenan" von Daniel Brühl auf der Berlinale

Eine bittere Enttäuschung

07:53 Minuten
Peter Kurth und Daniel Brühl in einer Szene aus dem Film Nebenan. Sie sitzen nebeneinander an einer Theke in einer Bar.
Frustriert am Tresen: Unser Kritiker kann mit Bruno (Peter Kurth, li.) und Daniel (Daniel Brühl) gut mitfühlen. © Reiner Bajo
Von Jörg Taszman · 03.03.2021
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Daniel Brühl spielt einen Schauspieler namens Daniel - und damit hören die Ähnlichkeiten zwischen Darsteller und Figur noch lange nicht auf. Doch leider bleibt dieses von Brühl auch inszenierte Vexierspiel hinter seinen Möglichkeiten zurück.

Um was geht es?

Daniel, ein erfolgsverwöhnter und ziemlich eitler deutscher Schauspieler, der auch in Hollywood Fuß gefasst hat, soll zu einem Casting nach London fliegen. Weil seine Agentur den Fahrer zum Flughafen viel zu früh bestellt hat, kehrt Daniel noch in seiner Lieblingskneipe im Berliner Prenzlauer Berg ein.
Dort sitzt auch Bruno, der Daniels Filme allesamt gesehen hat und ungefragt das Werk des Stars kritisiert. Das nervt Daniel zunehmend, doch schlimmer wiegt noch, dass Bruno sein Nachbar ist, seit Jahren seine Post in Empfang nimmt und über private Probleme des Schauspielers und dessen Geheimnisse bestens informiert scheint. Brunos Insiderwissen selbst über Affären und sexuelle Tabus nehmen immer bedrohlichere Formen an.

Was ist das Besondere?

Daniel Brühl, einer der auch international erfolgreichsten deutschen Schauspieler, hat erstmals Regie geführt. Von ihm stammt auch die Idee zu diesem Film. Das Drehbuch schrieb der Erfolgsautor Daniel Kehlmann. Nicht nur weil die Hauptfigur Daniel heißt, kokettiert Brühl hier mit seiner eigenen Karriere. Wie Brühl selbst ist dieser Daniel ein Deutsch-Spanier, stammt ursprünglich aus Köln und lebt seit fast 20 Jahren in Berlin.
"Nebenan" versucht sich dabei gleich an mehreren Genres: an einer ironischen Betrachtung der Filmwelt, am schwarzhumorigen Psychothriller und an einer unterhaltsamen Komödie über die Gegensätze zwischen Ost und West.

Bewertung

Doch leider wird "Nebenan" zu einer bitteren Enttäuschung. Daniel Brühl tut sich keinen Gefallen damit, auch die Hauptrolle zu spielen. Die Selbstironie funktioniert schon deshalb nicht, weil dieser Film-Daniel zu klischeehaft eitel, zu unsympathisch und aalglatt bleibt.
Brühl selbst dagegen gehört zu den sympathischsten und angenehmsten deutschen Stars. Er hätte diese Figur besser für einen Kollegen schreiben lassen oder aber radikaler und tabuloser mit seinem Alter Ego spielen müssen. Insgesamt bleibt dieser Daniel blass und auch die Kritik an der Filmbranche und Hollywood mit Geheimniskrämerei, dem Pampern von Stars und der Allmacht von Agenten bleibt erschreckend oberflächlich.
Darstellerisch überragt der wieder einmal großartig aufspielende Peter Kurth in der Rolle des Ossi-Rächers Bruno. Dessen Wut über Gentrifizierung, Wendegewinnler und verlogene Wessi-Vorbilder artikuliert er ebenso bösartig ironisch wie temperamentvoll.
Dieser Bruno verdeutlicht auch, welche Chancen "Nebenan" vertan hat. Als gnadenlose Ost-West-Abrechnung jenseits der fernsehtypischen DDR- und BRD-Klischees hätte dieses Kammerspiel viel besser funktioniert. So fehlt es diesem dialoglastigen Werk einfach an Schärfe und Tiefgang.

"Nebenan"
Komödie, Deutschland 2021
Regie: Daniel Brühl, Drehbuch: Daniel Kehlmann
mit Daniel Brühl, Peter Kurth u.a.
Weitere Informationen auf der Website des Festivals

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