Naturfilmer in der Coronakrise

"Umweltschutz ist Seuchenschutz"

07:17 Minuten
Tote Bäume liegen im grauen Brandnebel auf dem Boden.
Im Amazonas werden Wälder abgebrannt, um Weideland für Rinder zu schaffen. © Getty Images / LightRocket / Ricardo Funari
Dirk Steffens im Gespräch mit Ute Welty · 18.04.2020
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Das Abholzen von Wäldern und das Artensterben haben die Gefahr von Seuchen erhöht, sagt der Naturfilmer Dirk Steffens. Seine Branche sei schon seit Jahren Zeuge der Zerstörung. Nun hat die Krise auch diese Dreharbeiten lahmgelegt.
Rätselhafte Naturphänomene verfolgt der Filmemacher Dirk Steffens in seinen Fernsehdokumentationen. Er moderiert außerdem die ZDF-Sendung "Terra X", in der jetzt eine neue Reihe startet. Aber in Zeiten von Corona hat es der ganze Berufsstand schwer, denn Reisen und Dreharbeiten sind praktisch unmöglich geworden.
"Ich bin mein gesamtes Erwachsenenleben auf Reisen gewesen", sagt Steffens. "Ich bin mehr unterwegs als zuhause." Er fühle sich jetzt wie ein Nomade, der zwangskaserniert worden sei. Der Vorteil sei, dass er für sich neue Themen und Medien entdeckt habe. Die TV-Zuschauer würden die Zwangspause erst zeitverzögert bemerken, denn zwischen Dreharbeiten und Ausstrahlungen könne bis zu einem Jahr Zeit vergehen.
Der Naturfilmer Dirk Steffens im Februar 2020 bei Markus Lanz
Der Naturfilmer Dirk Steffens im Februar 2020 bei Markus Lanz© picture alliancee / rtn - radio tele nord
In der jetzigen Lage filme er sich selbst dabei, wie er umwelttechnische Hintergründe der Coronakrise erläutere, sagt Steffens. Da erläutere er beispielsweise den Zusammenhang zwischen Seuchen und Naturschutz. Das interessiere viele Menschen und werde über die sozialen Medien sehr stark abgerufen.

Fehlender Naturschutz fördert Seuchen

Zwei Drittel aller Krankheiten stammten von Tieren, sagt Steffens. Von diesen wiederum zwei Drittel von wilden Tieren. Diese Zoonosen, also Infektionskrankheiten, die bei Mensch und Tier auftreten, könnten beispielsweise in Regenwäldern auftauchen, wenn Menschen stärker in die Lebensräume von Tieren eindringen. Aber auch Tiermärkte wie in der chinesischen Metropole Wuhan seien ein solcher Ort, wo Tiere aus verschiedenen Regionen zusammengepfercht würden. "Das ist natürlich wie ein Inkubator für neue Virenerkrankungen", sagt Steffens, der solche Märkte auch aus eigener Anschauung kennt. Da tropften das Blut und andere Flüssigkeiten aus den Käfigen.
Aber auch Massentierhaltung sei ein solcher Ort für Infektionen. "Überall da, wo Tiere eng zusammen sind oder aus ihrem natürlichen Lebensraum vertrieben werden und Kontakt mit Menschen haben, das sind die Orte, wo Zoonosen entstehen können." Das bedeute dann eben auch, dass diese Krankheiten zum größten Teil menschengemacht seien, so der Filmemacher.

Vor Trümmerwäldern und Tierskeletten

Solche Beobachtungen begleiteten seine Branche der Naturfilmer schon seit Jahrzehnten, sagt Steffens. "Wir sind alle mal losgefahren, weil wir von der Schönheit der Welt berichten wollten und sind dann immer mehr zu so einer Art Kriegsberichterstatter geworden, die vor qualmenden Trümmerwäldern und Tierskeletten stehen." Insofern seien diese Seuchen nicht überraschend. Wissenschaftler und Umweltschützer warnten schon seit Jahren davor, dass der "Verbrauch von Umwelt", das Abholzen von Wäldern und das Artensterben, die Wahrscheinlichkeit von Seuchen erhöhten. "Umweltschutz ist Seuchenschutz – das ist keine Neuigkeit, da hat sich nur, wie so oft, niemand darum gekümmert – bis jetzt", sagt der Filmemacher.
Sorge bereitet Steffens auch, dass das diesjährige Festival der besten Naturfilme des Jahres, "Green Screen Tour 2020" dieses Jahr wohl nicht stattfinden werde. "Und ich habe auch Sorge um die wirtschaftliche Existenz vieler der Kolleginnen und Kollegen", sagt er. Naturfilmer seien verstreut rund um die Welt tätig und nicht gewerkschaftlich oder in einem Verband organisiert. Bei vielen Naturfilmern sehe es gerade dramatisch aus, denn bei verschobenen Produktionen gebe es noch nicht einmal ein Ausfallhonorar. "Ich befürchte das Schlimmste."
(gem)
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