National Insecurity

Außenpolitik einer manisch-depressiven Supermacht

US-Präsident Barack Obama hält seine Rede zur Lage der Nation im Kapitol in Washington.
Selbstbewusst: US-Präsident Barack Obama während seiner Rede zur Lage der Nation © imago / UPI Photo
Von Sabina Matthay · 21.03.2015
Der Publizist David Rothkopf ist ein Kenner der US-Sicherheitspolitik. In seinem Buch "National Insecurity" geht er mit Georg W. Bush und Barack Obama hart ins Gericht - die beiden hätten die USA in eine manisch-depressive Supermacht verwandelt.
David Rothkopf, Herausgeber des linksliberalen Politmagazins "Foreign Policy" und fest verwurzelt in der Demokratischen Partei, legt mit seinem neuen Buch "National Insecurity: American Leadership in an Age of Fear" eine Analyse der außenpolitischen Strategie der USA unter den Präsidenten George W. Bush und Barack Obama vor.
Das Buch dreht sich um das Personal, die Bürokratie und die taktischen Auseinandersetzungen, die die Außenpolitik beider Regierungen angesichts immer komplexerer globaler Herausforderungen geprägt haben.
Dabei geht er mit beiden Präsidenten ins Gericht: Bush wirft er außen- und sicherheitspolitische Überreaktion im Zuge der Anschläge vom 11. September 2001 vor, den Außenbeziehungen Obamas attestiert er dagegen "Selbstzweifel und Risikoscheu", insbesondere angesichts neuer Bedrohungen etwa durch den Islamischen Staat.
Die Folge: "Amerikas Interessen und die unsere Verbündeten haben gelitten", innerhalb von zwanzig Jahren hätten die USA erlebt, wie eine bipolare globale Konstellation sich aufgelöst und ihr eigenes Land sich zu einer manisch-depressiven Supermacht entwickelt habe, schwankend zwischen Verzweiflung und Zuversicht.
Dabei lässt der in der Wolle gefärbte Demokrat Rothkopf den Republikaner Bush recht gut davonkommen. So erinnert er an dessen erfolgreichen Aufbau von Beziehungen zu aufstrebenden Mächten wie Brasilien und Indien, insbesondere Bushs zweite Amtszeit habe von seiner zunehmenden Erfahrung und von sachverständigen Mitarbeitern profitiert. Während der Finanzkrise 2008 hätten selbst Obama-Mitarbeiter Bush Format attestiert.
Den Abschnitt über Barack Obama leitet Rothkopf mit der Bemerkung ein, dass "Präsidenten eher Symptome als Gestalter ihrer Zeit" seien. Dann folgt eine methodische Demontage von Obamas Außenpolitik.
Vernichtendes Kapitel zu Afghanistan
Statt sich des Nationalen Sicherheitsrates zur Koordinierung und Durchsetzung von Politik zu bedienen, sei das Weiße Haus schnell Obamas "Hang zu methodischer, ausgedehnter Analyse und Abwägung" erlegen. "Obamas aufgeblähter nationaler Sicherheitsapparat hielt viel zu viele Besprechungen ab, die keine Ergebnisse zeitigten und nur zu weiteren Besprechungen führten."
In einem vernichtenden Kapitel zu Afghanistan beschreibt Rothkopf, wie der Präsident einem langwierigen Verfahren vorsaß, das innerhalb von acht Monaten vier verschiedene "policy reviews" gebar. Rothkopf spricht von einem "Disaster. Es zeigte einen überforderten Präsidenten, der sich noch im Lernprozess befand."
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Cover "National Insecurity" von David Rothkopf © Verlag Public Affairs
Kaum waren 30.000 zusätzliche US-Soldaten entsandt, die Al Qaeda in Afghanistan "zerstören, zerlegen und zerschlagen" sollten – ein Satz, der jetzt wieder auf den Islamischen Staat gemünzt wird, kündigte Obama den amerikanischen Abzug vom Hindukusch an, inklusive Datum. Eine Entscheidung, die strategische Beobachter kopfschüttelnd zur Kenntnis nahmen.
Zwar gesteht David Rothkopf Obama auch Erfolge zu, etwa die erfolgreiche Jagd auf Al Qaeda-Chef Osama bin Laden. Doch insgesamt habe die Regierung Obama keine kohärente Strategie für die Bewältigung globaler Umwälzungen vorgelegt. Insbesondere der Nationalen Sicherheitsberaterin Susan Rice bescheinigt der Autor mangende sachliche, fachliche und charakterliche Qualifikation.
David Rothkopf, profunder Kenner amerikanischer Sicherheitspolitik, hat mit "National Insecurity" ein kundiges, lesbares Buch vorgelegt, das Republikaner und Demokraten vor dem nächsten Präsidentschaftswahlkampf verschlingen werden, dessen Lektüre aber auch jedem ans Herz gelegt sei, der sich für Internationale Beziehungen und die Fährnisse der einzig verbliebenen Supermacht interessiert.
David Rothkopf: National Insecurity - American Leadership in an Age of Fear
Verlag Public Affairs New York, Oktober 2014
496 Seiten, 29,99 Dollar, auch als ebook

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