NASA-Mission zum Mars

Auf der Suche nach Spuren von Leben

Ulrich Woelk im Gespräch mit Stephan Karkowsky · 30.07.2020
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Mit ihrer Mission zum Mars will die NASA die Frage klären: Gab oder gibt es sogar Leben auf dem Roten Planeten? Der Astrophysiker Ulrich Woelk sagt, im Boden könnte sich etwas finden lassen. Doch taugt der Mars auch als Zufluchtsort vor Corona?
Stephan Karkowsky: Auf dem Mars, da wird’s bald ziemlich voll werden. Gleich drei Länder starten nämlich innerhalb von nur zwei Wochen ihre Mars-Missionen: Die Chinesen sind schon unterwegs, genauso die Rakete der Vereinigten Arabischen Emirate. Heute folgt die Mission der USA, wenn alles gut geht, die trägt den Titel "Perseverance", und darüber möchte ich mich unterhalten mit dem Astrophysiker und Schriftsteller Dr. Ulrich Woelk. Guten Morgen!
Ulrich Woelk: Guten Morgen!
Karkowsky: Warum sind Sie eigentlich nicht selbst Astronaut geworden?
Woelk: Ich wäre sehr gerne Astronaut geworden, aber meine Frau hätte das nie geduldet. Insofern halt – na ja, man sucht sich seinen Platz, wo man halt hingehört.
Karkowsky: Und Ihrer ist ja auch gar nicht so schlecht.
Woelk: Aber als Kind wollte ich es unbedingt.
Karkowsky: Sie verfolgen natürlich die Raumfahrt weiterhin mit großem Interesse. Was wissen Sie über diese NASA-Mission "Perseverance"?
Woelk: Es ist nicht die erste, es ist ja mittlerweile der fünfte Rover, der hochgeschickt wird, und der diesmal noch dezidiert genauere Aspekt ist wirklich die Suche nach einem möglichen Leben auf dem Mars, mikrobakterielles Leben.
Wir wissen, dass der Mars mal lebensfreundliche Bedingungen gehabt hat, das hat er jetzt nicht mehr, er ist jetzt sehr kalt. Natürlich wissen wir auch, Leben ist sehr zäh. Sollte es also einmal auf dem Mars entstanden sein, könnte es ohne Weiteres sein, dass es sich auch unter diesen jetzt sehr kühlen, sehr lebensunfreundlichen Bedingungen im Boden, im Gestein, im Sediment irgendwo erhalten hat, und das möchte man gerne finden.
Karkowsky: Und die Frage ist ja auch, warum ist das Wasser nicht mehr auf dem Mars, oder?
Woelk: Ja, das weiß man an sich, das liegt daran, weil die Atmosphäre einfach zu dünn ist. Die kann die Wärme nicht mehr halten, die von der Sonne kommt, und dadurch ist er halt regelrecht eingefroren. Das Wasser ist schon noch da, aber es ist eben unter dem Boden sozusagen. Das sind gefrorene Seen oder Meere, und die sind natürlich vom Staub zugedeckt worden. Als Eis sozusagen ist das Wasser noch da.
Karkowsky: Das regt natürlich die Fantasie an – gab’s mal eine kosmische Katastrophe, vielleicht einen Atomkrieg auf dem Mars, der die Atmosphäre hat pulverisieren lassen?
Woelk: Nein, das ist ein ganz banaler physikalischer Prozess tatsächlich, das ist der so genannte Sonnenwind. Die Sonne sendet Teilchen aus – die Erde hat Glück, wir haben ein Magnetfeld, da wird der Sonnenwind abgewehrt gewissermaßen, das ist wie ein Schild. Das hat der Mars nicht, und deswegen wird die Atmosphäre regelrecht weggepustet.

Der Mars war immer ein Sehnsuchtsort

Karkowsky: Würden Sie denn sagen, der Mars ist für die Menschheit besonders jetzt in dieser Corona-Krisenlage, wo es ja auf dem Planeten Erde, egal wo man hinfährt, nicht so richtig gemütlich ist – ist das eine Projektionsfläche geworden für Plan-B-Fantasien, vom Leben an einem anderen Ort?
Woelk: Zum einen ist der Mars ja immer schon ein gewisser Sehnsuchtsort gewesen, glaube ich, nicht nur für Science-Fiction-Freaks, sondern durchaus auch für die Menschheit jetzt. Die Erde ist völlig erforscht, und der Mars regt unsere Fantasie an, wie so ein neues Amerika, wo wir vielleicht kolumbianisch irgendwann mal hinfliegen könnten, um es dann für uns in Besitz zu nehmen. Das ist das eine, was den Mars so spannend macht, weil er erreichbar eben einfach wäre.
Das andere ist natürlich jetzt in der Pandemie, auch das sind Spekulationen, die man in der Science-Fiction-Literatur schon lange macht, dass man sagt, Kolonien im Weltraum wären natürlich geschützt gegen so was, denn bei einem halben Jahr Flugzeit weiß man sozusagen, ob jemand krank ist, der ankommt, oder nicht.
Man könnte also definitiv sagen, die, die da ankommen, sind alle gesund. Das heißt, selbst wenn ein noch schlimmerer Virus jetzt als Covid-19 auf der Erde wüten würde, hätte man mit einer Kolonie auf dem Mars so eine Art Menschheit 2.0, die eben geschützt wäre davor.
Blick auf eine senkrecht aufgestellte Rakete vor dem abendlichen Himmel in Cape Canaveral vor dem Start ins Weltall. 
Vor dem Start in Cape Canaveral im US-Bundesstaat Florida: An Bord der Atlas-V-Rakete ist der Mars-Rover "Perseverance". © imago / NASA / Joel Kowsky / Cover-Images
Karkowsky: Aber als Science-Fiction-Fan denke ich natürlich gleich an die Dystopie: Das Raumschiff fliegt los, 200 Mann liegen im Kälteschlaf, einer davon hat Covid-19, und dann?
Woelk: Ja, gut, das ist natürlich sozusagen, wenn man davon ausgeht, aber dass man jetzt erst mal bei einem realistischen Szenario bleibt, dann wäre es ja so – vielleicht würde man ja auch im Kälteschlaf merken, dass Covid-19 dran ist. Es wäre ja wie eine lange Quarantäne einfach.

Der Weltraum könnte von Leben wimmeln

Karkowsky: Für wie wichtig halten Sie diese Missionen?
Woelk: Ich finde ja persönlich diese Frage, diese grundsätzliche Frage, ob eben Leben auf dem Mars möglich war und vielleicht sogar noch in irgendeiner Form existiert, wahnsinnig wichtig, und zwar aus einem wirklich philosophisch-kulturellen Aspekt: Wenn wir wüssten, dass es eben auch auf dem Mars mit einer Art von Evolution losgegangen ist, was auch immer dann vielleicht draus geworden ist, dann könnten wir eigentlich sagen, dann muss eigentlich der Weltraum von Leben wimmeln, denn wenn es zwei Mal geklappt hat, dann hat es auch zwei Millionen Mal geklappt.
Das ist eben eine Frage, die wir noch nicht wissen, ob die Erde da was Besonderes oder was sehr, sehr Seltenes ist oder nur der Normalfall. Das könnte man mit der Frage sozusagen beantworten.
Karkowsky: Aber nach der Wahrscheinlichkeitsrechnung mit unendlichen vielen Sternen im Universum ist die Frage doch fast schon beantwortet, oder nicht? Es muss ja welche geben!?
Woelk: Eigentlich nicht, es ist bis heute strittig.
Karkowsky: Ja?
Woelk: Ja, ich würde sagen, wenn die Forscher wetten sollten, würden die meisten, die sich damit beschäftigen, darauf wetten, dass es natürlich woanders Leben gibt.
Aber man weiß zum Beispiel nicht, ist es einmal pro Galaxie oder einmal pro Stern, das ist ja auch sehr, sehr wichtig: Wie häufig geht dieser Prozess los? Wenn es einmal pro Galaxie ist, werden wir es nie erfahren, weil wir keinen Kontakt aufnehmen könnten.
Wenn es aber einmal pro Stern ist, dann haben wir vielleicht irgendwann mal doch Raumschiff Enterprise und kommunizieren mit denen.
Karkowsky: Wie stark sind denn die Hinweise verdichtet bislang darauf, dass es auf dem Mars mal Leben gegeben hat?
Woelk: Es gibt einen Fall: Es gibt – das muss man kurz erklären –, es gibt Gestein vom Mars auf der Erde, was sozusagen über kosmische Kollisionsprozesse hier hintransportiert worden ist. Da hatten wir einen kleinen Marsmeteoriten, und den hat man analysiert und fand in ihm, ich sag mal, so wurmartige Gesteinsformationen, wo man dachte, das waren doch mal vielleicht, ich sag jetzt mal banal, irgendwelche Ringelwürmer oder sonst was, die da auf dem Mars rumgekreucht sind.
Aber ich glaube, mittlerweile ist das nicht mehr die gängige Theorie. Vor 20, 30 Jahren kam das schon, dass man da sehr aufgeregt war und dachte, jetzt haben wir den Beweis für Leben auf dem Mars, aber ich glaube, die Lehrmeinung jetzt ist wieder so ein bisschen gekippt in "nee, ist doch ein natürlicher, also ein anderer Ursprung".
Modell des Mars Helicopters. Er soll zusammen mit dem Rover "Perseverance" den Mars erkunden.
Modell des Mars Helicopters. Er soll zusammen mit dem Rover "Perseverance" den Mars erkunden.© picture alliance / NASA/ Cover Images
Karkowsky: Gleich drei Mars-Missionen in zwei Wochen, die Amerikaner nun wollen einen Rover absetzen und sie haben auch so einen Minihubschrauber dabei. Den muss man sich wahrscheinlich wie eine Drohne vorstellen, oder?
Woelk: Genau, das ist eine kleine Drohne halt. Das ist auf dem Mars etwas komplizierter zu machen, weil die Atmosphäre so dünn ist und die Rotoren sehr schnell drehen, und die sind jetzt ganz gespannt darauf, ob sie wirklich unter realistischen Mars-Bedingungen fliegen können.

Konkurrenz aus China und Vereinigten Arabischen Emiraten

Karkowsky: Warum fliegen alle jetzt fast gleichzeitig los?
Woelk: Ja, das liegt im Wesentlichen an der Konstellation. Die Planeten wandern ja um die Sonne, und manchmal sind sie sich nah und manchmal sind sie sich fern. Im Moment sind sich Erde und Mars sehr, sehr nahe, das heißt, es ist einfach ein sehr gutes Zeitfenster, um da hinzufliegen, weil die Reisezeiten dann vergleichsweise kurz sind, also etwa ein halbes Jahr braucht man.
Karkowsky: Dass die Chinesen hinfliegen, das hat keinen so richtig gewundert, aber die Vereinigten Arabischen Emirate, da gab’s ein großes Staunen. Dabei gab es natürlich in der arabischen Welt in der Geschichte große Gelehrte, wichtige Wissenschaft. Wie geht’s Ihnen damit?
Woelk: Ich fand das natürlich sehr spannend, weil ich eben gerade denke, genau, es hat eine lange Tradition in der arabischen Welt, und dass man jetzt versucht, daran anzuknüpfen und sich auch mit diesem sehr spannenden Forschungsprojekt dem Mars zuwendet, also ich hab mich darüber sehr gefreut.
Karkowsky: Wann kommen die jetzt alle an da, wie lange dauert’s?
Woelk: Die Amerikaner kommen jetzt im Februar an, und für die anderen Sonden ist das ungefähr das Gleiche, die Chinesen sind ein bisschen früher da. Das hängt wahrscheinlich auch von Details des genauen Flugplans dann ab. Aber im Prinzip kann man sagen, alle so etwa ein halbes Jahr sind sie unterwegs.
Karkowsky: Und sind das alles Konkurrenzmissionen oder arbeiten die schon irgendwo auch zusammen, vor allen Dingen auch, dass sie nicht kollidieren dann noch?
Woelk: Das kann nicht passieren, dafür ist der Weltraum und der Mars dann schon groß genug. Gerade die Vereinigten Arabischen Emirate fahren ein sehr offenes Projekt, die wollen das gleich alles ins Internet stellen – haben sie zumindest gesagt –, was sie finden.
Die Amerikaner wollen natürlich schon, sagen wir mal, auch ihre Daten erst mal selber haben, aber im Grundsatz kann man schon sagen, Wissenschaft ist doch ein, wie ich finde, sehr erfreuliches, offenes Projekt für alle, die daran teilnehmen wollen. Das ist eigentlich auch ein Ideal, was wissenschaftlich gepflegt wird und auch eigentlich umgesetzt wird.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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