Nadja Tolokonnikowa: "Anleitung für eine Revolution"

Putin? Einfach auslachen!

Die "Pussy Riot"-Mitbegründerin Nadeschda Tolokonnikowa, aufgenommen 2016 auf der Litcologne
Die "Pussy Riot"-Mitbegründerin Nadeschda Tolokonnikowa © dpa / Rolf Vennenbernd
Von Jörg Himmelreich · 27.04.2016
Zwei Jahre saß "Pussy Riot"-Mitglied Nadja Tolokonnikowa in russischer Lagerhaft. Jetzt rechnet die Aktivistin und Feministin in "Anleitung für eine Revolution" mit dem "durchgedrehten Möchtegern-Superheld" Putin und seinem Gefolge ab und hat einen guten Rat.
"Russland ist ein barbarisches Land. Und es ist nicht mit Europa gleichzusetzen", schreit Nadja Tolokonnikowa in ihrer kürzlich erschienen "Anleitung für eine Revolution" das Zitat eines Gefängnisleiters von Tscheljabinsk wütend heraus. Im Februar 2012 war die Mitgründerin der russischen Aktionskunst- und Protestgruppe "Pussy Riot" zu Beginn ihres Punkgebets mit zwei Mitsängerinnen in der Moskauer Erlöser-Kathedrale festgenommen worden. In einem öffentlichen Schauprozess wurde sie zu der unverhältnismäßigen Strafe von zwei Jahren Lagerhaft verurteilt.
Jetzt verarbeitet sie die Erlebnisse während des Strafprozesses und im berüchtigten russischen Straflager in Mordwinien in der "Anleitung" mit 200 Notaten. Die vielseitige Aktivistin und Feministin rührt Zitate von Putin-hörigen Staatsvertretern, Popen, früheren und heutigen Dissidenten mit eigenen philosophischen Einsichten, politischen Forderungen, Meinungen und Bekenntnissen anderer zum System Putin bunt durcheinander, um sie mit ihrer ganzen revolutionären Wut dem Leser stakkatoartig um die Ohren zu hauen.

Mut einer Jeanne d’Arc

Mit der Verve und dem Mut einer empörten Jeanne d’Arc begehrt sie verzweifelt gegen die Diktatur Putins auf, der Russland in ein großes Gefängnis verwandele, in dem es nur Gefängniswärter und Gefangene gebe. Schonungslos entlarvt sie alles, was diese Diktatur stützt: eine korrupte orthodoxe Kirche, die nur dem korrupten Regime diene, und den altrussischen Patriarchalismus, der die politische Opposition mit tödlicher Gewalt auslösche und die Frau zum gefügigen Weib für Küche und Bett des Herrn erniedrigt werde.
Für Tolokonnikowa ist "das Auslachen der Mächtigen eines der besten Mittel der Demokratie". Denn wer den Mächtigen auslache, sei ihm überlegen. Und so verlacht sie Putin als "einen durchgedrehten Möchtegern-Superheld, der halbnackt auf Pferden reitet und vor nichts und niemandem Angst hat, außer vor Homosexuellen. Ein Mann, der so großzügig ist, dass er das halbe Land an seine engsten Freunde verschenkt hat – die Oligarchen."

Aussichslosigkeit der Rebellen

Heute sind die Wirkungsmöglichkeiten der wenigen verbliebenen russischen Rebellen, ist ihr Mut geringer als im Februar 2012, als die Arabellion das System Putin verschreckte und "Pussy Riot" zum Protestgebet ermutigte. Diese Aussichtslosigkeit lässt die so mitreißende wie desillusionierende "Anleitung für eine Revolution" einerseits tragisch wirken. Andererseits ermutigt sie auch. Sie zeigt, wie schwach das System eines russischen Männlichkeitswahns ist, wenn mutige Frauen es auslachen. Denn natürlich weiß Putin nur zu gut, dass Russland ohne die stille, entbehrungsreiche und tägliche Arbeit seiner Frauen schon längst zusammengebrochen wäre. Und: Wer Tolokonnikowa liest, hört eine europäische Stimme aus dem heute so barbarischen Russland.

Nadja Tolokonnikowa: Anleitung für eine Revolution
Hanser, Berlin 2016
224 Seiten, 17,90 Euro

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