Nachwuchs-Filmemacher

"100 Prozent Axel Ranisch heißt viel Herzenswärme"

Der Filmemacher Axel Ranisch und seine Oma Ruth Bickelhaupt in Berlin bei der Verleihung der First Steps Awards im Stage Theater Berlin.
Der Filmemacher Axel Ranisch und seine Oma Ruth Bickelhaupt in Berlin bei der Verleihung der First Steps Awards im Stage Theater Berlin. © picture alliance / dpa / Jens Kalaene
Von Simone Schlosser · 12.11.2015
Axel Ranisch gilt als Hoffnungsträger des deutschen Films. Mit geringem Budget und Improvisationstalent erzählt er Geschichten über rundliche Männer, die für ihr Lebensglück kämpfen - zum Beispiel in der neuen Komödie "Alki Alki".
Die beiden Freunde Tobias und Flasche sind unzertrennlich: Tagsüber sitzen sie zusammen im Büro. Abends ziehen sie gemeinsam durch die Kneipen. Nachts schlafen sie nebeneinander ihren Rausch aus:
Tobias und Flasche haben sich gern. Wo Tobias ist, ist Flasche niemals fern. Der eine ist des anderen Bruder, Ernie und Bert, vier Fäuste für ein Hallelujah.
Doch die Freundschaft zwischen Tobias und Flasche ist keine normale Männerfreundschaft: Tobias ist ein alkoholabhängiger Familienvater. Flasche seine personifizierte Trinksucht. Eine Idee ebenso originell wie wahnwitzig – genau wie der Film.
"Mir war wichtig, dass wir einen Film drehen, den man sich gut angucken kann. Ich wollte kein Melodram, wo man irgendwie nur schreiend raus rennt und denkt: Oh Gott, warum muss ich mir das antun. (...) Dafür war diese Freundschaftsgeschichte ideal. Weil wenn ein Alkoholiker alleine saufen geht, ist das sehr traurig. Aber wenn der mit seinem besten Freund die Nachtwelt von Berlin erkundet, dann haben die richtig Spaß."
Iris Berben als russische Trink-Kumpanin
Doch auf den Rausch folgt der Kater: Tobias verliert erst seinen Führerschein, dann seine Familie. Nur langsam versteht er, dass ihm Flasche nicht gut tut. Aber der möchte seinen Freund nicht gehen lassen.
"Ohne mich bist du nur halb so interessant. Ohne mich bist du nur halb so elegant. Ohne mich bist du nur ein Elefant. Ohne mich bist du doch vollkommen unentspannt. Und du sprichst, als trennten uns nun Welten, warum tust du das, ich will dir doch nur helfen."
Sänger und Schauspieler Robert Gwisdek als Troubadour. Iris Berben als russische Trink-Kumpanin. Regie-Kollege Dietrich Brüggemann als Spielsucht. "Alki Alki" klingt nach Klamauk, doch der Film ist eine intelligente Tragik-Komödie, die gleichermaßen unterhält wie berührt - ein echter Axel Ranisch. Produziert mit wenig Budget und viel Improvisation.
"Ein Film von mir sieht so aus, dass du halt die aufgeschriebene Handlung hast, aber eben keine Dialoge. Eine Szene ist dann zum Beispiel: Der Troubadour taucht auf und singt ein Buddy-Lied über die lange Freundschaft der beiden Jungs, die seit der Kindheit unzertrennliche Freunde sind. (...) Was passiert, steht immer fest. Wie ist vollkommen unklar."
Ist Tobias schüchtern, zieht Flasche ihm den Stock. Tobias braucht Flasche so wie Kirk seinen Spock. Und wenn er vergisst, wer er gerade ist, reicht Flasche ihm die Hand, und gibt ihm Mut, und baut ihn aufm und nimmt ihm seine Angst.
Bereits seit der Filmhochschule arbeitet Axel Ranisch mit einem festen Team. Dazu gehören auch die beiden Hauptdarsteller. In dem Debütfilm "Dicke Mädchen" waren Heiko Pinkowski und Heiko Trabner ein Paar. Diesmal spielen sie ihre eigene Geschichte: Denn beide sind trockene Alkoholiker.
Aufgenommen in seiner Film-Familie
"Ganz doll wichtig ist es, eine Film-Familie zu haben – vor der Kamera wie auch hinter der Kamera. (...) Die beiden müssen mir vertrauen, ich muss denen vertrauen, und alle müssen sich aufgehoben fühlen im Team. Es darf eigentlich in keiner Sekunde das Gefühl aufkommen, dass man da einen Film dreht."
Zusammen mit anderen ehemaligen Kommilitonen hat Axel Ranisch in den vergangenen Jahren das Kino aufgemischt. Doch innerhalb der Berliner Szene ist er längst seine eigene Marke. Für den deutschen Film ist sein verspielter Eigensinn eine Bereicherung:
"100 Prozent Axel Ranisch heißt viel Musik, (...) viel Herzenswärme, normale Charaktere, wie sie uns auch auf der Straße begegnen können, die konfrontiert werden mit zum Teil auch schrägen Alltagssituationen oder Absurditäten. Tanz. Körperlichkeit. Ich mag körperliches Spiel. Wir Menschen benutzen unseren Körper immer viel zu selten. Ich habe viel Körper. Meine Lieblingsschauspieler haben auch viel Körper. Humor."
Tobias mag Flasche. Und Flasche mag Tobias. Ich habe dich lieb, weil du mich lieb hast. Wollen wir zusammen einen Kilometer gehen? Tobias sagt, kein Problem, ich kann den Scheiß hier nicht mehr sehen.
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