Nachruf auf Esma Redzepova

Die "Königin der Roma-Musik" ist tot

Esma Redzepova in Bukarest mit Fanfare Ciocarlia
Esma Redzepova in Bukarest mit Fanfare Ciocarlia © Asphalt Tango Records / Sonja Balcells
Von Grit Friedrich · 12.12.2016
In ihrer Heimat Mazedonien und weit darüber hinaus genoss die Roma-Musikerin Esma Redzepova große Popularität und war mit ihrer unverwechselbaren Stimme eine wichtige kulturelle Botschafterin. Gestern ist die charismatische Sängerin im Alter von 73 Jahren in Skopje gestorben.
Viele Menschen zwischen Skopje, Belgrad, Sarajevo oder Zagreb trauern um diese Frau: Esma la Divina – Esma Redzepova aus Mazedonien. Sie beherrschte Klagelieder der Roma, wie Hajri Mate Dike – das sie auf der Bühne stets mit einem schwarzen Schleier sang, genauso wie das ausgelassene Repertoire südslawischer Hochzeiten. Mit ihren Liedern und ihrer Mehroktavenstimme wurde sie in den 60er-Jahren schon ein Star im Vielvölkerstaat Jugoslawien. In Mazedonien kennt sie bis heute jedes Kind.
"In Skopje haben Roma und Mazedonier immer friedlich nebeneinander gelebt, ohne Konkurrenzdenken, Probleme oder Auseinandersetzungen. Trotzdem gibt es auf beiden Seiten keine Tendenz zur Assimilation, auch mein Lehrer Stevo Teodosievski hat viele Lieder für mich geschrieben."
Schon als Kind unterhielt die Tochter eines Schusters ihre Freunde und Nachbarn in der Romasiedlung Shutko am Rande von Skopje mit ihrer Stimme. Doch ihre Karriere hat Esma Redzepova nicht nur ihrem unüberhörbaren Talent zu verdanken. Als Halbwüchsige begegnete sie bei Radio Skopje Stevo Teodosievski – einem begnadeten Akkordeonisten und Bandleader. Esma Redzepova und Stevo Teodosievski heirateten und wurden das Traumpaar der mazedonischen Folklore. Viele ihrer Lieder avancierten zu Hymnen des ganzen Balkans.

Lieder für alle Balkan-Völker

Doch die Familie ihres Mannes billigte die Heirat der beiden nicht und das Paar zog nach Belgrad. Ende der achtziger Jahre kam Esma Redzepova wieder nach Skopje zurück… denn wer einmal aus dem Fluss Vardar getrunken habe, der kehrt immer wieder zu seinen Ufern zurück, erzählt die Sängerin.
Eine fulminante Rückkehr auf das internationale Parkett gelang der Sängerin 1999 beim Neujahrskonzert im Concertgebouw Amsterdam, wo sie mit standing ovations gefeiert wurde. Seitdem konnte man Esma Redzepova regelmäßig in europäischen Konzertsälen erleben. Und es entstanden zahlreiche neue Aufnahmen.
So holte sie der bosnische Produzent Dragi Sestic für die erste CD der Mostar Sevdah Reunion ins Studio und nahm das Liebeslied Moj Dilbere auf.
"Der Balkan ist ein Mekka der Melodien und Rhythmen und für den Austausch der Kulturen. Ich habe in der Zeit von Ex-Jugoslawien nicht nur mazedonische und Roma-Musik in meinem Repertoire gehabt, sondern Lieder aller Völker, ob Serben, Montenegriner, Albaner oder Türken. Diesen ganzen Raum habe ich mit meiner Musik gefüllt. Der Reichtum von Mazedonien ist genau diese Mischung verschiedener Kulturen, für mich gibt es nichts Schöneres."

Konzerte für US-Präsidenten und Filmstars

"Oh meine Mutter, warum wurde ich geboren", heißt dieses Lied. Es wurde damals in ganz Jugoslawien so bekannt, wie hierzulande vielleicht nur Schlager. Die Aufnahme atmet den Geist der sechziger Jahre, damals reiste Esma mit dem Teodosievski Ensemble bis in die USA und gab Konzerte für Präsidenten und Filmstars.
Esma Redzepova hat ihre Roma-Herkunft niemals verleugnet, sie verstand sich als stolze Botschafterin der Romakultur Mazedoniens und besuchte Mitte der siebziger Jahre auch das indische Rajasthan.
"Wer wie wir mit dem Auto von Belgrad nach Indien fährt, durch Bulgarien, die Türkei, den Iran, Afghanistan, Pakistan und Indien, der macht diese besondere Erfahrung auf asiatischen Straßen zu reisen. In Indien wurde ich von Menschen aus 23 Ländern zur Königin der Romamusik gewählt, und auch der Autor meiner Lieder, mein Mann Stevo Teodosievski, wurde zum König gekrönt. Die Reise nach Indien 1976 war eines unserer größten Abenteuer."
In Indien sang Esma Redzepova auch dieses Lied: "Dzelem, Dzelem" – es wurde zur Hymne der Roma weltweit. Anders als in Rumänien waren die Roma im ehemaligen Jugoslawien als nationale Minderheit anerkannt. Musikerinnen wie Esma Redzepova waren Vorbilder für die eigene Community und ihr Tod wird rund um den Globus betrauert. Denn wenn Esma Redzepova ihre brilliante und gefühlvolle Stimme in ungeahnten Höhen trieb, lag ihr das Publikum zu Füßen.
Mehr zum Thema