Nachruf auf Christoph Vitali

Er popularisierte die Kunst – ohne Abstriche beim Niveau

06:42 Minuten
Porträt des Ausstellungskurators Christoph Vitali
Der international renommierte Ausstellungskurator Christoph Vitali ist im Alter von 79 Jahren in seiner Heimatstadt Zürich gestorben. © picture alliance / Keystone / Gaeten Bally
Carsten Probst im Gespräch mit Britta Bürger · 27.12.2019
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Der Kurator Christoph Vitali ist im Alter von 79 Jahren gestorben. Seine Ausstellungen gelten als legendär. Er verstand schon früh, dass es ein "Event" geben muss – und lockte breite Bevölkerungsschichten ins Museum.
Der Kurator und Museumsdirektor Christoph Vitali ist am 18. Dezember in seiner Heimatstadt Zürich gestorben. Er wurde 79 Jahre alt. In der Kunstszene gilt er als Legende. Zürich, Basel, Frankfurt am Main und München waren wichtige Stationen in seinem beruflichen Leben. Über seine Ausstellungen wird heute noch gesprochen.
Dabei war sein Weg in die Kunst alles andere als vorgezeichnet. Vitali hatte weder in Kunstgeschichte promoviert, noch war er Professor, wie es für Museumsdirektoren üblich war. Stattdessen war er ein Jurist, der nebenbei auch Literatur und Kunstgeschichte studiert hatte. Seine Laufbahn begann dementsprechend in der Verwaltung: zunächst als Leiter des Kulturreferats in Zürich, wo er sich um die städtischen Bühnen kümmerte.

Die Begabung, das Publikum anzulocken

Später war Christoph Vitali Verwaltungsdirektor der Städtischen Bühnen in Frankfurt am Main, wechselte dann aber, 1985, an die neu gegründete Kunsthalle Schirn, deren erster Direktor er wurde. Hier feierte er mit Ausstellungen zu Chagall und Kandinsky große Erfolge.
Genau wegen dieses untypischen Werdegangs, erklärt der Kunstkritiker Carsten Probst, seien seine Ausstellungen auch keine Lehrstücke gewesen, mit denen historische Thesen oder Lesarten verbreitet werden sollten, um sie in der Fachwelt durchzusetzen. Vielmehr habe er bei einem breiteren Publikum Interesse an der Kunst wecken und vertiefen wollen:
"Er hatte einfach eine Begabung, das Publikum anzulocken, neugierig zu machen. Das betraf vor allem Ausstellungen zur Moderne und deren Erbe. Ausstellungen, von denen man spricht." Vitali wollte eben die Kunst popularisieren, ohne Abstriche beim Niveau zu machen.
Probst führt die Kandinsky-Schauen in Frankfurt am Main, "die erste deutsch-russische Kooperation zu diesem Künstler überhaupt", und die große Francis-Bacon-Ausstellung im Münchner Haus der Kunst 1995/96 als Beispiele an:
"Es gab wahrscheinlich kaum einen besseren Ort für Bacon in Deutschland als das Haus der Kunst. Diese Ausstellung hatte eine ganz eigentümliche Atmosphäre, bei der man wirklich diese Mischung aus der Getragenheit dieses Gebäudes aus der Nazizeit, diese riesigen, teilweise vergoldeten Rahmen von Francis Bacon sah, und dann eben diese gequälten Figuren: Das war in dieser Zusammenstellung von Vitali unglaublich gut gesehen und eigentlich mit wenigen Mitteln sehr atmosphärisch dicht inszeniert."

Ein Pionier, der ein Erbe hinterließ

Vitali wollte mit seiner Museumsarbeit, wie schon zuvor in seiner Arbeit fürs Theater deutlich wurde, eine Atmosphäre, ein Drumherum schaffen, sagt Carsten Probst. Er organisierte Kunst-Events, wie man das heute fast überall tut:
"Er war einer der Ersten, die das auf breiter Bühne ganz buchstäblich versucht haben. Deswegen, glaube ich, fällt eine Würdigung seines Wirkens heute aus wie für die eines Pioniers, der aber ein Erbe hinterlassen hat, das heute teilweise auch schon wieder einige Zweifel erweckt, wo man dann eben merkt: Sehr viele tun das, überall wird Kunst sozusagen popularisiert. Manchmal würde man sich heute wünschen, es würde etwas weniger passieren."
Aber während heute versucht werde, vor allem mit Tricks – mittels ausladender Shops im Museumsfoyer oder einer speziellen Architektur – möglichst breite Schichten ins Museum zu locken, habe Vitali in der Ausstellung selbst eine Atmosphäre kreiert, die neugierig auf das macht, was dort möglicherweise zu entdecken ist, "weil es eben nicht um kunsthistorische Thesen ging". Er ließ die Kunst für sich selbst sprechen.
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