UNESCO-Weltnaturerbe in Grumsin

Ein Urwald in Brandenburg

Blick in einen Buchenwald.
Förster: "Die Rotbuche ist die Mutter des Waldes. Sie achtet auch darauf, dass die jungen Bäume nicht so keck werden." © picture-alliance / dpa / Foto: Julian Stratenschulte
Von Nana Brink · 02.06.2017
Der Grumsiner Buchenwald in der Uckermark ist einer der größten seiner Art weltweit. Seit 2011 gehört er zum Weltnaturerbe der UNESCO. Das Besondere: Die letzten 20 Jahre wurde er sich selbst überlassen. Spaziergang mit einem Förster, der die Rotbuche als "die Mutter des Waldes" schätzt.
"Eigentlich darf man das Gebiet hier nicht betreten. Es gibt einen Weg im Norden lang, - also nicht kreuz und quer durchrennen."
Aber genau das machen wir gerade – wir laufen durch den Grumsiner Wald. Riesige Buchen mit dichten Kronen, dazwischen moosbewachsene Baumstümpfe und Tümpel mit blumengesäumten Rändern. Eine Märchenlandschaft, die nur wenige kennen, sagt Förster Michael Egidius Luthardt.
Michael Egidius Luthardt, Förster am brandenburgischen Landeskompetenzzentrum Forst, im Gespräch mit Nana Brink.
Michael Egidius Luthardt, Förster am brandenburgischen Landeskompetenzzentrum Forst, im Gespräch mit Nana Brink.© Deutschlandradio
"Kaum noch Wege, alle Wege von früher, kaum zu befahren. Wo wir jetzt stehen, das war ja früher auch noch ein Weg. Es gab früher viele Wege, aber die wachsen alle zu, was ich sehr gut finde."
Dann strahlt Luthardt und stapft flott durchs laubbedeckte Unterholz. Der Grumsiner Buchenwald in der Uckermark ist sein "Baby", - ein Baby, das er absichtlich vernachlässigt. Seit 2011 gehört der Wald zum Weltnaturerbe der UNESCO. Das bedeutet: Luthardts Baby will in Ruhe gelassen werden. Umgefallene Bäume bleiben liegen, vom Sturm geknickte Äste hängen bedrohlich über unseren Köpfen.
"Steht unter völligen Schutz, eine Kerrnzone mit 660 ha, seit 1990 ohne menschliche Bewirtschaftung und es ist interessant zu beobachten, was dort passiert. Ein Buchenwald braucht 300 Jahre bis er ein Urwald wird, dieser Wald ist 180 Jahre alt."
Urwälder gibt es in Deutschland nicht mehr, wohl aber Wälder, die lange nicht mehr genutzt werden. Michael Luthardt leitet das brandenburgische Landeskompetenzzentrum Forst. Ihm ist es zu verdanken, dass die Grumsiner Buchen sich selbst überlassen werden.
"Da kam ein Gutachter aus den USA hierher, der hat sich das Gebiet angeschaut. Der hat kritisiert, puh, das ist ja noch kein alter Wald, nicht alt genug, dann haben wir versucht, es ihm zu erklären. Wir sind mit ihm ja hier quer durchgelaufen und dann sind wir durch ein Moor gelaufen, da standen noch Moor-Kiefern drin, da war er dann total begeistert! Auf engstem Raum ganz verschiedene Lebensräume."

Der Mensch soll nur zugucken

Brandenburg hat rund 1 Million Hektar Waldfläche, 30 Prozent gehören dem Staat, der Rest ist in Privatbesitz. Die 650 Hektar des Grumsiner Waldes gehören dem Land und sind für Luthardt so etwas wie ein Geschenk. Er bückt sich plötzlich und gräbt im Waldboden:
"Das ist der Rohhumus und hier kommt man erst zum eigentlichen Boden, das ist Humus hier, jetzt habe ich ihn, das ist der eigentliche Waldboden, das ist wichtig, dass wir solche Böden haben, unzerstört. Solche Böden gibt es in Deutschland nur noch ganz wenige, ich bin fasziniert davon."
Der Mensch also soll nur zugucken, - so steht es in den Statuten der UNESCO. Allerdings steht dort auch: Das Weltnaturerbe soll für alle erlebbar sein. Bislang gibt es nur wenige Menschen, die den Grumsiner Buchenwald kennen wie Förster Luthardt.
"Was ich mir noch wünschte, dass es so einen kleinen Weg auch durch das Gebiet gibt. Ich war jetzt in den Nationalparks in Neuseeland, da gibt es überall Wege, da finde man sehr schöne Besucherleitsysteme, wo man dann solche Bohlenwegen hat. So was müssten wir auch noch machen. Das ist einfach so ein Schatz hier, den darf man nicht vorenthalten den Menschen, und das ist auch von der UNESCO gefordert, ein Besucherleitsystem. Das ist ja ein bisschen wie eine Mogelpackung, das ist wie ein Museum, ich stehe davor, die Türen und Fenster sind zu, ich gucke durchs Fenster, aber ich darf nicht reingehen ins Museum."

Eine Gemeinde engagiert sich

"Schönen guten Morgen, Bewer, kommen Sie rein!"
Hans-Jürgen Bewer ist der Ortvorsteher von Altkünkendorf. Als der Wald vor Bewers Haustür 2011 den Titel Weltnaturerbe bekommt, schlägt seine Stunde. Das alte Jugendhaus wird zum Infopunkt umgebaut.
"Wenn wir Altkünkendorfer uns nicht gemeldet hätten, wäre hier gar nichts passiert. Wir betreiben den ehrenamtlich, von 1. April bis 31. Oktober ist er geöffnet, - naja, ich sage, ich biete was an und mache Werbung für das. Wenn Leute über Geld entscheiden, müssen sie ja wissen: Macht das Sinn, geht das, oder verpulvern wir das Geld, also man muss erst mal was anbieten, und das haben wir gemacht."
Stimme aus einem Schaukasten:
"Ob Du es glaubst oder nicht, im Grumsiner Wald fühle ich mich wohl, hier bin ich ungestört, hier gibt es alles, was ich brauche, ruhige Wälder mit Seen, Mooren und Sümpfen, jedes Jahr komme ich hier her um meine Brut aufzuziehen und dafür ziehe ich weit ...."
Gemeint ist der Kranich. Seine Geschichte tönt aus einem Schaukasten. Wenn man sich über ihn beugt, zeigt eine Landkarte die Ausdehnung des Grumsiner Waldes, der komplett in der Gemarkung der Gemeinde Altkünkendorf liegt.

Auf dem Urwaldpfad

Auf Knopfdruck blinken rote Lämpchen auf, die einen kleinen Streifen am Rande des Waldes markieren: Der Urwaldpfad, so heißt er, ist der einzige Weg, um einen Blick in das Weltnaturerbe zu erhaschen. 200.000 Euro hat das Land damals für die Errichtung des Infopunktes Weltnaturerbe bereitgestellt. Er reichte für den Umbau und ein paar Schautafeln. Besuchercafé? Sucht man vergebens. Parkplätze? Fehlanzeige. Dabei würden sich andere Landstriche um den Titel "UNESCO Weltnaturerbe" reißen.
"Ja, da haben Sie völlig recht. Und das ist ja ne Verpflichtung, die die Bundesrepublik eingegangen ist, die das Land Brandenburg mit Unterschrift des Ministerpräsidenten eingegangen ist. Ansonsten ist im Landeshaushalt bis heute kein einziger Cent für das Weltnaturerbe geplant."
Hans-Jürgen Bewer sitzt auf einer Bank am Urwaldpfad. Man sieht in den Wald, auf die mächtigen Baumkronen der Buchen. Ab und an steigt ein Kranich auf. So sehr er sich auch mehr Anerkennung und mehr Geld wünscht für Führungen und den Ausbau des Info- Zentrums, - einen Weg durch den Grumsiner Wald, wie ihn sich Förster Michael Luthardt wünscht, will er sich lieber nicht vorstellen.
"Ich sehe das mit einer gewissen Sorge - Schutz des Gutes steht oben an und es gibt genug Möglichkeiten, die Erlebbarkeit zu sichern. Also die Menschen laufen rein in den Wald, brechen sich Sachen ab und stören unsere Vogelschutzgebiete. Dann gibst Abfälle drin, der Mensch hinterlässt, wo er ist, Spuren und hier soll ein geschütztes Gebiet sein, was unberührt sich entwickeln kann."

Rotbuche als Mutter als Waldes

Förster Michael Luthardt: "Jetzt sind wir schon am Rande, wenn man sich mal umschaut, dass sind schon alles Rotbuchen, die hier stehen. Man sagt auch, die Rotbuche ist die Mutter des Waldes, auch weil sie eine Ammenfunktion hat, sie schützt ihre Nachkommen auch, sie behält sie, sie geht auch sehr streng mit ihnen um, sie macht oben die Krone sehr dicht, die jungen Bäume können nicht so nach oben preschen, die werden kurz gehalten vom Licht her – das die jungen Bäume nicht so keck werden."
Geschichten wie diese würde Förster Michael Luthardt gern auch anderen erzählen. Für ihn ist der Titel Weltnaturerbe eine Verpflichtung, nicht nur für heute, sondern auch für die nächste Generation.
"In der Welterbekonvention der UNESCO von 1970 steht, dass diese Welterbestätten gehören der gesamten Menschheit. Es hat so eine Allgemeinwohlleistung auch, und dieses Welterbegebiet hat noch einen besonderen Anspruch und das ist bisher noch nicht so richtig geleistet, das wir das auch machen können. Man soll jetzt nicht querfeldein rennen hier, aber ein paar schöne Wege noch, fände ich gut."
Mehr zum Thema