Nachhilfe in Sachen Religion

06.12.2006
Von Advent über die Kaaba in Mekka bis hin zu Bischof Nikolaus räumt das theologische Sachbuch mit Halbwahrheiten über religiöse Dinge auf. Das unterhaltsame Nachschlagewerk ist auch ein passendes Geschenk zum Nikolaustag – für alle, die immer noch glauben, Nikolaus sei ein Typ aus dem Märchenbuch.
Das Buch beginnt mit einem Witz. Ein Schüler liest einen Text. Darin taucht der Name eines biblischen Propheten auf: Hesekiel. Der Schüler liest "Hesekiel", und die Lehrerin fragt ihn: "Muss das nicht "Helsinki" heißen?

Über Religion wird viel geredet, aber herzlich wenig gewusst. Das liegt daran: Religion gibt spektakuläre Themen ab für Journaille, Film und Fernsehen, gern auch für Romane. Denken Sie an Dan Brown, der Kasse macht mit seinen Thrillern aus dem Kirchenmilieu. - Aber wer von denen, die Dan Brown gelesen haben, liest denn schon die Bibel?

Andreas Malessa hat festgestellt: Es ist viel Halb-Bildung unter uns in Sachen Religion. Das betrifft nicht nur das Christentum, sondern auch die anderen Religionen. Der Autor will Abhilfe schaffen.

Das hier ist ein kleines Lexikon, fängt an mit A wie "Advent". – "Advent, das heißt vier Wochen Kaufrausch mit kirchlichem Segen", so denkt man heute allgemein. - Irrtum ! Advent, das hatte ursprünglich sogar mit Abstinenz zu tun. Die ersten Christen haben in der Adventszeit nämlich gefastet. Und sich in der Stille vorbereitet auf die Ankunft des Messias in der Welt.

Man hat den Eindruck, Andreas Malessa hat über Jahre Buch geführt: alles notiert, was ihm auf der Straße so zu Ohren gekommen ist an landläufigen Meinungen, Gerüchten und Halbwahrheiten über religiöse Dinge. Oder auch an schlichtem Unsinn.

Zum Beispiel: "Christus ist der Nachname von Jesus". Das ist natürlich Blödsinn. "Christus" ist die griechische Übersetzung des hebräischen Wortes "Messias", das bedeutet "der von Gott Gesandte". Es war nicht Jesus, der sich als "Christus" bezeichnet hat, sondern Petrus hat zu ihm gesagt :" Du bist Christus, des lebendigen Gottes Sohn". So steht es jedenfalls im Matthäus-Evangelium. - Oder ein anderes "biblisches Gerücht": "Eva hat Adam einen Apfel gereicht. Drauf folgte der Sündenfall". - Dieser Apfel kommt in der Bibel, Buch Genesis, gar nicht vor, ebenso wenig wie das Wort "Sündenfall".

Apropos Bibel: Es wird ja immer wieder behauptet, in der Bibel gäbe es einen Geheimcode. Verschlüsselte Botschaften also. Die Vermutung ist uralt, und der Amerikaner Michael Drosnin hat sie vor ein paar Jahren wieder aufgewärmt in seinem Bestseller "Der Bibelcode".

Andreas Malessa dazu: "Ob Drosnin recht hat, können Sie gleich nachprüfen: ‚Im Jahr 2006 wird alles Leben auf der Erde ausgelöscht.’ So eine der Geheimbotschaften, die Drosnin entschlüsselt haben will. – So, lieber Leser: Jetzt bitte treten Sie ans Fenster oder vor den Spiegel – Und?

Aber in dem Buch geht’s nicht nur um die Bibel und ums Christentum, sondern auch um andere Religionen: den Buddhismus, den Islam. - "Der Dalai Lama ist für Buddhisten das, was der Papst für katholische Christen ist. Eine Art Stellvertreter Gottes auf Erden." Glauben viele, stimmt aber nicht. Buddhisten kennen keinen Schöpfergott. Wenn man unter "Religion" den Glauben an einen Gott (oder mehrere Götter) verstehen will, so ist der Buddhismus gar keine Religion, sondern eine spirituelle Praxis: eine Geistes- und Lebenshaltung. Theoretisch kann man also Buddhist und gleichzeitig Christ oder auch Moslem sein.

Oder, was den Islam betrifft: Viele glauben, die Kaaba in Mekka sei ein riesiger schwarzer Stein: das Grabmal von Mohammed. – Falsch . Die Kaaba ist ein Gebäude über einem schwarzen Stein. Sie wurde nämlich über jenem schwarzen Stein errichtet, auf dem Abraham seinen Sohn Isaak opfern wollte, bevor er – auf göttliche Weisung hin – dann doch einen Widder genommen hat. Die Kaaba ist älter als der Islam, kann also nicht das Grab von Mohammed sein. Mohammed ist in Medina begraben.

Das gibt’s nicht alle Tage: Ein theologisches Sachbuch, flott geschrieben, mit Unterhaltungswert. Mehr oder weniger natürlich, je nach Thema. Manchmal geht’s ernsthaft zur Sache, manchmal hab’ ich laut gelacht. - Ein passendes Geschenk übrigens auch zum heutigen Nikolaustag – für alle, die immer noch glauben, Nikolaus sei ein Typ aus dem Märchenbuch. Die erfahren auf Seite 105: Diesen Nikolaus hat es tatsächlich gegeben. Er war Bischof von Myra, einer Stadt am Mittelmeer. Im 4. Jahrhundert. In Myra herrschte Hungersnot. Da hat Bischof Nikolaus ein paar Kapitäne im Hafen überredet, einen Teil ihrer Getreideladung der Bevölkerung zu spendieren. – Das Korn war in Säcken verpackt, darum trägt Nikolaus bis heute einen Sack.

Rezensiert von Susanne Mack

Andreas Malessa: Kleines Lexikon der religiösen Irrtümer,
Gütersloher Verlagshaus, 155 Seiten, 12,95 Euro