Nachhaltigkeitsforscher zum Klimawandel

Die Trendwende ist machbar

06:24 Minuten
Ein Teilnehmer hält bei einer Protestaktion von Umweltaktivisten vor dem Konrad-Adenauer-Haus, der CDU-Parteizentrale, einen Regenschirm mit der Aufschrift «Klimakrise». Bei der Aktion wurde die CDU-Parteizentrale mit Kunstblut bespritzt. Mehrere Umwelt-Aktivisten demonstrieren in dieser Woche mit zahlreichen Veranstaltungen und Protestaktionen in der Stadt für mehr Klimaschutz. Mit dem sogenannten «August Rise-up» machen mehr als 60 Bewegungen, Vereine und Nicht-Regierungsorganisationen auf den Klimawandel aufmerksam und rufen auch zum zivilen Widerstand auf.
Die schlimmsten Folgen des Klimawandel sind nicht unabwendbar - noch kann das Ruder herumgerissen werden, sagt Timon Wehnert vom Wuppertal Institut. © picture alliance / dpa / Christoph Soeder
Timon Wehnert im Gespräch mit Julius Stock · 07.09.2021
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Starkregen, Hochwasser, Hitzewellen. Trotz solcher Wetterkatastrophen sind vielen Menschen Projekte zum Klimaschutz nicht so wichtig. Der Nachhaltigkeitsforscher Timon Wehnert sagt: Das Klima ist noch zu retten – wenn die Politik klare Ansagen macht.
Eine Erwärmung der Erde steht wohl mittlerweile außer Frage, wenn man einen Blick in den aktuellen Weltklimabericht wirft: Atmosphäre und Ozeane sind wärmer geworden, Schnee und Eis sind zurückgegangen, der Meeresspiegel und die Konzentration an Kohlendioxid in der Atmosphäre sind gestiegen.
Doch trotz Überschwemmungen, Hitzewellen und anderer Wetterkatastrophen hat es das Klima beziehungsweise der Klimaschutz als Thema nicht leicht. Warum spenden die Menschen eher für karitative Einrichtungen in ihrer Stadt als für den Klimaschutz, obwohl wir alle die Folgen des Klimawandels schon zu spüren bekommen – wie zuletzt beim Hochwasser in Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen?

Weite Zeithorizonte

"Ich glaube, dass es das Dilemma der Klimapolitik ist, dass es um so wahnsinnig weite Zeithorizonte geht", sagt Timon Wehnert, Klima- und Nachhaltigkeitsforscher am Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie.
Die Ansage, man müsse jetzt etwas tun, weil sonst die Kosten in einigen Jahrzehnten ungeheuer hoch wären, führe oft zu der Reaktion: "Dann können wir es ja auch morgen noch tun, das reicht doch vielleicht auch noch, oder übermorgen." Das sei ein sehr naheliegendes Verhalten. "Und ich glaube, da muss Politik einfach die Stärke haben, der Bevölkerung reinen Wein einzuschenken. Aber das fällt ihr natürlich schwer."

Eine Frage der Gerechtigkeit

Klimaschutz sei ein hartes Brot, betont Wehnert: "Es ist eine Gerechtigkeitsfrage, wie wir unseren ökonomischen Reichtum und die Kosten global und über Generationen hinweg verteilen. Und das ist vielleicht in vielen Klimaschutzdiskussionen gar nicht so klar."
Die große Schwäche der Politiker sei, dass sie zwar Klimaschutzverträge unterzeichneten, jedoch den Eindruck vermittelten, dass diese Unterschrift zunächst einmal keine großen Konsequenzen nach sich ziehe. Das heißt für Wehnert: "Bestimmte Dinge müssten mit klaren Verboten belegt werden. Natürlich nicht alles, denn es gibt viele mögliche Instrumente, die zum Einsatz kommen können, aber es wird einzelne Bereiche geben, wo Verbote durchaus angemessen sind."

Wir stehen nicht an der Klippe

Für den Forscher steht fest: Wir können das Klima noch retten. "Wir sehen an verschiedenen Szenarien, dass es technologisch, gesellschaftlich, auch ökonomisch machbar ist."
Wehnert warnt vor Schwarzweiß-Denken: Die jetzige Situation sei nicht wie der letzte Schritt vor dem Sturz von einer steilen Klippe. Er empfiehlt einen positiven Blick: Wenn die Erderwärmung in den kommenden Jahrzehnten um 2,1 Grad steige statt nur um 1,5 Grad, sei das auf jeden Fall besser als drei Grad. "Jeder Schritt in Richtung Klimaschutz ist ein richtiger Schritt."
(mkn)
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